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Welchen Erfolg haben internationale Organisationen mit Programmen gegen HIV, Malaria und vernachlässigte Tropenerkrankungen? Welche Rolle spielen NGOs mit Milliardenbudgets beim Kampf gegen Kindersterblichkeit und Mangelernährung, mit ihrem Einsatz für Familienplanung und Impfungen? Welche ethischen Fragen stellen sich in diesem Zusammenhang? In seinem Blog ‚Global Health‘ befasst sich Dr. med. Alexander Supady mit internationalen Gesundheitsthemen.

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Entwicklungshilfe oder Entwicklungs­zusammenarbeit?

Freitag, 1. Juni 2018

Überlegungen zu Global Health treffen rasch auf das Thema Entwicklungshilfe oder Entwicklungszusammenarbeit, um einen Begriff zu wählen, der weniger arrogant hervortritt. Hier offenbart sich schon ein erster Konfliktpunkt, ein erster Ansatzpunkt für Kritik. Während der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit die gleichberechtigte Wertschätzung, die respektvolle Anerkennung beider oder mehrerer Partner, also sowohl der Empfänger als auch der Geber von Unterstützung, ausdrückt, hat der Begriff der Entwicklungshilfe einen paternalistischen Beiklang.

Es ist aber womöglich der ehrlichere Begriff, derjenige, der die aktuelle Situation treffender beschreibt, in der mächtige Geber Programme entwerfen und einsetzen und erwarten, dass diese nach ihren Vorgaben, nach ihren Regeln umgesetzt werden – nicht selten an den Anforderungen und an den Erwartungen der Empfänger vorbei.

Welchen Begriff wir aber auch wählen, Entwicklungshilfe oder Entwicklungs­zusammen­arbeit, mit den Handlungen, Maßnahmen und Programmen, die sich dahinter verbergen, wird ebenso viel Missbrauch getrieben. Seit Jahrzehnten wird international das Ziel proklamiert, dass die Industriestaaten 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für staatliche Entwicklungshilfszahlungen zur Verfügung stellen sollen.

Deutschland konnte dieses Ziel im Jahr 2016 erreichen, jedoch nur durch Einrechnen von Zahlungen für die Versorgung von Flüchtlingen in Deutschland. Die Versorgung von Flüchtlingen, Migranten und Asylbewerbern in einem der reichsten Länder der Welt mit der Hilfe für hungernde Kinder im Jemen oder der Unterstützung von Bildungsprojekten in Sub-Sahara-Afrika gleichzusetzen oder sogar von Verpflichtungen dieser Art gewissermaßen abzuziehen ist armselig und beschämend.

Die größte wohltätige Stiftung der Welt, die Bill and Melinda Gates Foundation hat im Jahr 2016 4,6 Milliarden US-Dollar ausgeschüttet, mehr als 3 Milliarden Dollar davon für den Bereich Global Health. Ein großer Teil der Zahlungen geht an die UN, die WHO oder an Institutionen wie den Global Fund oder Gavi. In der Auswahl ihrer Projekte ist die Gates Stiftung sehr an der Förderung neuer Technologien oder innovativer Maßnahmen interessiert.

Es ist nicht verwunderlich, dass so die Förderung nicht selten Universitäten und Forschungsinstitute in reichen und entwickelten Staaten erhalten. Das Ziel der geförderten Projekte mag eine Verbesserung der Gesundheit und der Lebensbe­dingungen in Ländern niedriger und mittlerer Einkommen sein, gefördert werden aber Forscher und Institutionen in reichen, entwickelten Staaten Europas, Nordamerikas und in Australien. Das ist nicht verwerflich, es wirft jedoch die Frage auf, ob dies den Begriff Entwicklungshilfe verdient.

Diese Überlegungen bekommen eine weitere Bedeutung durch den Hintergrund der Finanzierung wohltätiger Stiftungen und wohltätiger NGOs. Diese werden in den meisten reichen Ländern steuerlich begünstigt, so dass ein bedeutender Teil ihrer Einnahmen und Budgets indirekt aus Steuergeldern finanziert ist. Dies ist gut und es ist richtig, dass die Gesamtheit der Bürger der wohlhabenden Staaten auch über ihre Steuersysteme Entwicklungshilfe finanzieren. Im gleichen Gedankengang sollten wir uns jedoch der Fallstricke bewusstwerden.

Während die Staatshaushalte und damit die Ausgabe der Steuergelder in den meisten dieser Länder einer demokratischen Kontrolle der Parlamente unterliegen, besteht diese Kontrolle bei gemeinnützigen Organisationen und Stiftungen nicht. Diese haben eine Rechtfertigungspflicht gegenüber ihren Mitgliedern oder Stiftern, nicht aber gegenüber der Allgemeinheit, nicht gegenüber der Gesamtheit der Bürger.

Bleibt noch die grundsätzliche Frage nach dem Sinn und der Rechtfertigung von Entwicklungshilfe in der bestehenden Form. Hilft sie dabei, Staaten auf den Weg von Wohlstand und Entwicklung zu führen oder hält sie Staaten sogar in Armut und Abhängigkeit gefangen? Schafft Entwicklungshilfe Chancen und setzt sie Energien frei, die die Entwicklung von Ländern fördern oder setzt sie falsche Anreize, die Entwicklung stören oder sogar verhindern?

Sicher gibt es sehr gute Ansätze und erfolgreiche Projekte, die den Erfolg der Entwicklungshilfe belegen. Genauso gibt es jedoch Projekte, die scheitern oder unbeabsichtigte negative Auswirkungen zeigen. Eine verallgemeinernde Aussage und ein allgemeingültiges Urteil sind hier nicht möglich. Wichtig sind daher eine kritische Überwachung der Geldgeber, der Projekte und der Projektverantwortlichen und eine offene und kontroverse Diskussion über erfolgreiche Ansätze und Maßnahmen genauso wie über gescheiterte Projekte – nur so lernen wir aus den Fehlern.

Nicht zuletzt sollten wir bedenken, dass wirtschaftliche Entwicklung in einer globalisierten Wirtschaft nur mit der Einhaltung fairer Regeln und der Gewährung gleichberechtigter Marktzugänge für alle Teilnehmer gelingen kann.

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