Frau Doktor
Ein neuer Plan
Dienstag, 18. September 2018
„Tell me, what is it you plan to do with your one wild and precious life?“ (Mary Oliver)
Oder: Ein neuer Plan
Lange war es hier etwas stiller.
Bereits vor Monaten beschlich mich Gedanke, mit dem bisher absolvierten, doch recht speziellen, Fachgebiet nicht für die nächsten Jahrzehnte glücklich zu werden. Ein legitimer und sicher nicht seltener Gedanke, die Facharztausbildung binnen der ersten zwei Jahre noch einmal zu wechseln. Soweit so gut?
Statt eines schnellen Wechsels folgte einer Spirale aus Bewerbungen und zehrenden Gedanken, wie und wann es denn weiterzugehen habe, der Chef muss eingeweiht werden, wie und wo mache ich das und überhaupt: Ist das alles wohlüberlegt?
Schlaflose Nächte und ein angespanntes Nervenkostüm während dieser Zeit zeigten mir erneut, dass diese, meine, berufliche Entscheidung mir offenbar noch wichtiger war, als ich es bisher vielleicht angenommen hatte. Nun ist es als Dreißigjährige sicherlich illusionär, am Masterplan für die nächsten 20 Jahre zu feilen. Zu viel und zu schnell ändern sich die Dinge – das Leben schreibt oft genug seine eigenen Pläne.
Wozu dann noch planen?
In den letzten zwei Jahren haben wir einen Großteil unserer Zeit im Krankenhaus verbracht, das ist für Ärzte nichts Ungewöhnliches und auch kein Hilfeschrei. Dennoch: Die langen Dienste, die durchwachten Nächte, die Priorisierung der einzelnen Fälle, die Notfallentscheidungen, die Dankbarkeit der Angehörigen und das Aushalten des Frusts – eigen oder fremd –, wenn unsere Hilfe nicht mehr ausreicht, wenn wir zu spät kommen – all das lässt sich und möchte ich auch nicht wegdiskutieren. Es gibt müde Kaffeepausen morgens um 5.30 Uhr nach einem langen Dienst, es gibt Tage gänzlich ohne Pausen, es gibt Tage, da läuft es im Team rund und solche, an denen gefühlt jeder rückwärts läuft. Das Leben eben.
Keinem, am wenigsten sich selbst, nützt dort jemand, der mit sich im Groben hadert. Der sich zunehmend fragt, ob das der Ort ist, an dem man sich selbst in ein paar Jahren sehen kann. Die eigene Widerstandskraft hat genau hier ihre Berechtigung, weil sie uns alle sagen lässt: Der Tag war lag, die Grenze meiner Belastbarkeit wurde angekratzt oder überschritten. Aber ich habe ein Ziel und einen Plan. Und denen komme ich näher.
Unsere Pläne – bei aller Akribie Konstrukte, an denen gerüttelt werden wird – tragen uns so ein Stück weit über all die Durststrecken oder gerne erlebten und trotzdem teils schlauchenden Adrenalinschübe, die unser Alltag in beständiger Regelmäßigkeit auf uns wirft. Unsere Pläne – so unbequem das Nachdenken über sie sein kann – helfen uns, Dinge in den Kontext zu setzen und sie zu wichten. Sie lassen uns durchhalten und fordern uns auf, uns von Zeit zu Zeit wieder einzunorden, auch wenn wir dazu gefühlt gar keine Zeit haben.
Im Herbst freue ich mich auf den Beginn meiner Weiterbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin – weiter geht es erstmal in der Klinik.
Versucht bis dahin, mal gar keine Pläne zu schmieden und sendet lediglich die liebsten Grüße
Frau Doktor
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