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Vom Arztdasein in Amerika

Vom Arztdasein in Amerika

Das Staatsexamen wurde 2007 abgelegt, und nicht nur die Frage der Fachrichtung, sondern auch die des Arbeitsortes musste beantwortet werden. Nachdem das Assistenzarztdasein in Frankreich und Deutschland ausprobiert wurde, ging es nach Minneapolis im Jahr 2009. Es schreibt Dr. Peter Niemann über seine Ausbildung zum Internisten (sowie der Zeit danach) und über die Alltäglichkeiten, aber auch Skurrilität eines Arztlebens in USA.

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Ethnische Diskriminierung durch ein Examen

Mittwoch, 23. Januar 2019

Wer in den USA Medizin studieren möchte, der muss vor Aufnahme in eine medizinische Fakultät ein vierjähriges Studium mit einem Bachelor-Diplom abschließen und eine Medizinerprüfung ablegen, die sogenannte „Aufnahmeprüfung für die medizinische Fakultät“, auf englisch als MCAT abgekürzt. Diese Prüfung wurde 1928 als Maßnahme gegen hohe Studienabbruchquoten eingeführt, damit eben geeignete Kandidaten aus der Flut an Bewerbern gefunden werden konnten. Sie prüfte schon damals eine Reihe an Wissenschaften ab, wurde aber natürlich im Laufe der Jahre immer wieder angepasst. Sie fragt aber selbst heutzutage noch viele Dinge ab, die aus Sicht vieler Professoren und Ärzte wichtig für ein Medizinstudium sind: Biochemie, Biologie, anorganische und organische Chemie, Physik, Psychologie und Statistik. Die Prüfung ist digitalisiert, wird also in einem Prüfungszentrum an einem Rechner abgelegt, und dauert knapp acht Stunden. Eine dreistellige Punktzahl wird als Ergebnis vergeben, wobei der Mittelwert um 500 herum im Regelfall liegt.

Doch wir wären nicht im 21. Jahrhundert, einem Jahrhundert der Dekonstruktion und dauernden Relativierung, wenn nicht auch diese Prüfung hinterfragt würde. Jüngst wurde der Verdacht der Diskriminierung in immer stärkerem Tonfall erhoben und die Abschaffung des MCAT gefordert, wie zuletzt in einem zentralen Artikel von der Ärztin Inginia Genao und dem Rechtsanwalt Jacob Gelman in den Annals of Internal Medicine.

Kurz zusammengefasst sieht man im MCAT das Produkt eines von weißen Männern dominierten Gesundheitssystemes, welches Wissen abfragt, das unter den verschiedenen Ethnien aufgrund diverser struktureller Benachteiligungen ungleich verteilt ist. Man bestreitet nicht den Wert einer solchen Prüfung, sieht aber Diskriminierung am Werk weil bestimmte Ethnien – gemeint sind Latinos und Afroamerikaner– aufgrund ihres niedrigeren sozioökonomischen Hintergrundes Nachteile bei der Medizinaufnahmeprüfung MCAT haben. Es wird gefordert, eine „ganzheitliche“ Einschätzung des Bewerbers auf einen Medizinstudiumplatz zu ermöglichen und weniger stark sich auf ein Prüfungsergebnis zu konzentrieren.

Es ist nicht Aufgabe dieses Textes, konkret Stellung zu beziehen und Argumente für oder wider den MCAT zu geben. Vielmehr möchte ich einfach auf diese Diskussion verweisen, wie auch darauf, dass es seit Jahren immer stärkere Diskussionen über ethnische Disparitäten gibt. Das Ziel ist klar: Der Anteil der Schwarzen und Latinos soll in bestimmten Berufsgruppen wie die der Ärzte, Professoren oder Politiker erhöht und der Anteil der Weißen (und Asiaten, doch das spricht man selten aus) verringert werden.

Ich wage die Voraussage, dass viele Länder Westeuropas ähnliche Diskussionen führen werden und auch die deutschsprachige Ärzteschaft sich bald solchen Diskussionen ausgesetzt sehen wird. Daher lohnt sich der Blick in die US-Medien – er ist wohl ein Blick in die Zukunft.

Kommentare

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Avatar #111935
Hans Peter Boden
am Samstag, 26. Januar 2019, 12:20

Ethnische Diskriminierung....

Die Gleichmacherei schreitet fleißig voran. Siehe Inklusion auf Biegen oder Brechen bei derselben LehrerInnenzahl, möglichst ALLE Schüler auf das Gymnasium (s. Leitartikel 'DIE ZEIT' 24.01.2019), geschlechtsneutrale Benennungen (ganz aktuell Stadtverwaltung Hannover), usw.usw. Wir gehen schönen Zeiten entgegen.
LNS

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