Vermischtes
Barmer erwartet mehr schwere Verläufe bei Kinderkrankheiten
Dienstag, 14. März 2023
Berlin – Kita- und Schulschließungen sowie allgemeine Kontaktbeschränkungen und Hygienemaßnahmen haben während der Coronapandemie für eine deutliche Abnahme klassischer Kinderkrankheiten gesorgt. Das zeigt der Barmer Arztreport 2023, der heute in Berlin vorgestellt wurde.
Untersucht wurden unter anderem Scharlach, Windpocken, Mundfäule, Pfeiffersches Drüsenfieber, Masern, Röteln, Grindflechte, Dreitage-Fieber und Ringelröteln. Jetzt deute sich ein „intensiver Nachholeffekt“ an, erklärte Barmer-Vorstand Christoph Straub.
„Dieser Effekt muss wissenschaftlich aufgearbeitet werden.“ Denn von anderen Krankheiten, wie etwa Mumps und Windpocken sei bekannt, dass diese zu deutlich mehr Komplikationen und schwereren Verläufen führen könnten, wenn sie nicht in der frühen Kindheit auftreten.
Die Autoren des Reports warnen ausdrücklich vor den Folgen einer Scharlachwelle. Denn trete diese nicht mehr in der Kita, sondern in der Schule bei etwas älteren Kindern auf, würden schlimmere Verläufe drohen.
Ein überwiegender Teil der gelisteten Krankheiten wird durch virale Erreger verursacht. Ausnahmen bilden Diphtherie, Keuchhusten, Scharlach und die nur gelegentlich als Kinderkrankheit bezeichnete bakterielle Impetigo contagiosa (Grindflechte).
Hand-Fuß-Mund-Krankheit trotzt Kontaktbeschränkungen
Einzige Ausnahme bei den ausgebliebenen Infektionen: Die vesikuläre Stomatitis mit Exanthem, auch als Hand-Fuß-Mund-Krankheit (HFMK) bekannt.
Im 4. Quartal des Jahres 2021 erkrankten sogar mehr Kinder daran als während des gesamten Betrachtungszeitraums seit dem Jahr 2005. Nach einem Rückgang im ersten Pandemiejahr 2020, stiegen die Diagnosen im Folgejahr trotz Kontaktbeschränkungen auf 1.684 Betroffene je 100.000 wieder erheblich an.
Diese Erkrankung sei insofern tückisch, als sich eine Person mehrfach anstecken könne, und das auch im Erwachsenenalter, heißt es im Report und weiter: Es müsse sich noch zeigen, wie sich die Fallzahlen ohne Kontaktbeschränkungen entwickeln werden. Einen Nachholeffekt trotz ohnehin schon hoher Fallzahlen wollen die Autorinnen und Autoren für die vesikuläre Stomatitis mit Exanthem aber nicht ausschließen.
Joachim Szecsenyi, Autor des Arztreports und Geschäftsführer des aQua-Instituts in Göttingen, hat keine eindeutige Erklärung für den Anstieg der Hand-Fuß-Mund-Krankheit. Eventuell könnte die Übertragungsweg der Schmierinfektion eine Rolle spielen, so seine vage Vermutung. Straub spricht die höhere Mobilität und Fernreisen als Ursache an, da das Virus in Asien endemisch sei.
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Scharlach-Infektionszahlen sanken am deutlichsten
Die deutlichsten Rückgänge von 2019 auf 2021 verzeichneten im Barmer-Report Scharlach, Ringelröteln und Windpocken. Sie nahmen um 90, 81 und 64 Prozent ab.
Die durch β-hämolysierende Streptokokken verursachten Scharlach-Infektionen sanken von 2019 auf 2021 von 2.083 je 100.000 (entsprechend einem Anteil von 2,083 Prozent) auf nur noch 217 je 100.000 (entsprechend 0,217 Prozent).
Bei einem Großteil der von der Barmer untersuchten Kinderkrankheiten zeichnete sich bereits von 2006 bis 2019 ein rückläufiger Trend ab: Scharlach, Mundfäule, Windpocken, das Dreitagefieber, die Grindflechte und eingeschränkt auch Ringelröteln. Dabei sind die Windpocken die einzige Krankheit, zu der es in Deutschland seit 2004 eine allgemeine Impfempfehlung der STIKO gibt, die den Rückgang maßgeblich verursacht hat.
Nachholeffekt zeigt sich in 2022
Daten aus 2022 liegen noch nicht vor. Über einen Nachholeffekt und einen daraus folgenden Anstieg diverser Infektionskrankheiten, wurde aber bereits mehrfach berichtet, beispielsweise im Fall des Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV).
Lockdown hat zu Immunitätslücke bei RSV geführt
Bilthoven/Dresden – Lockdown, Maskenschutz und die Maßnahmen zur sozialen Distanzierung haben zu einem Rückgang der Immunität gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) geführt. Das geht aus der Analyse einer repräsentativen Stichprobe aus den Niederlanden hervor. Der Bericht in Lancet Infectious Diseases (2022; DOI: 10.1016/S1473-3099(22)00763-0) zeigt zudem, dass die reduzierte Immunität in [...]
Auch das Nationale Referenzzentrum für Streptokokken (NRZ) berichtete über wieder steigende Fallzahlen, nach einem Rückgang der invasiven Infektionen durch Gruppe A-Streptokokken (iGAS).
NRZ-Leiter Mark van der Linden sagte dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) heute: Die Anzahl der iGAS Einsendungen sei immer noch sehr hoch. Bis dato meldeten Diagnostiklabore in diesem Kalenderjahr schon 168 Fälle. Im Januar/Februar 2022 waren es hingegen nur 26. In 2022 kam die Gesamtzahl an iGAS auf 339; in den Jahren vor der Pandemie (2018 und 2019) waren es mit etwa 300 invasiven GAS-Fällen etwas weniger.
Scharlachfälle, die ebenfalls von Gruppe-A-Streptokokken verursacht werden, erfasst das NRZ allerdings nicht – das machen aktuell nur drei Bundesländer. Auch die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) hat aufgrund der steigenden Zahlen ihren COVID-19-Survey im Dezember 2022 in einen compARI-Survey umgestellt.
Das freiwillige klinische Meldesystem erfasst invasive GAS-Infektionen, Influenza-, Staphylococcus-aureus- und SARS-CoV-2-Infektionen. Die Meldezahlen liegen aktuell bei iGAS mit 45 Fällen am höchsten (Stand 13.3.2023). © gie/aerzteblatt.de

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