Medizin
Studie: RSV jährlich für mehr als 100.000 Todesfälle bei Kleinkindern verantwortlich
Freitag, 20. Mai 2022
Edinburgh – Infektionen mit dem respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) sind weltweit für 1 von 28 Todesfällen im Säuglingsalter und für 1 von 50 Todesfällen im Kleinkindalter verantwortlich. Dies geht aus neuen Berechnungen der RESCEU-Initiative im Lancet (2022; DOI: 10.1016/S0140-6736(22)00478-0) hervor.
Das „REspiratory Syncytial virus Consortium in EUrope“ (RESCEU), zu dem sich europäische Forschungsinstitute und Impfstoffhersteller zusammengeschlossen haben, versucht das Bewusstsein für RSV-Infektionen zu fördern.
Die Erkrankungen treten weltweit vor allem bei Kindern in den ersten Lebensjahren auf, wobei frühe Infektionen die größte Gefahr darstellen. Während es in den hochentwickelten Ländern in der Regel gelingt, die Kinder zu retten – ein erhöhtes Sterberisiko besteht allerdings für Frühgeborene und Kinder mit angeborenem Herzfehler – sterben in ärmeren Ländern viele Kinder, weil sie keine Chance auf eine Behandlung in einer Klinik haben. Da auch die Erfassung der Erkrankungen in den ärmeren Ländern schwierig ist, lässt sich das Ausmaß der globalen Krankheitslast nur schwer ermitteln.
Das Team um Harish Nair von der Universität Edinburgh hatte bereits vor 5 Jahren im Lancet (2017; DOI: 10.1016/S0140-6736(17)30938-8) Schätzungen vorgelegt. Sie berechneten damals, dass im Jahr 2015 33,1 Mio. Kinder in den ersten 5 Lebensjahren an schweren RSV-assoziierten akuten Infektionen der unteren Atemwege erkrankten, an denen insgesamt 118.200 Kinder starben. Inzwischen wurden 113 weitere Studien publiziert plus 51 noch nicht publizierte Studien, so dass die Forscher ihren Berechnungen insgesamt 481 Studien zugrunde legen konnten.
Die neuen Zahlen bestätigen weitgehend die Ergebnisse der früheren Studie: Danach gab es 2019 weltweit 33 Mio. RSV-assoziierte akute Infektionen der unteren Atemwege bei Kindern unter 5 Jahren, die zu 101.400 RSV-assoziierten Todesfällen führten (davon starben 26.300 Kinder in der Klinik). Weltweit wären damit 2 % aller Todesfälle in dieser Altersgruppe auf RSV-Infektionen zurückzuführen. Das entspricht 1 von 50 Todesfällen.
Bei Säuglingen unter 6 Monaten gab es den Berechnungen von Nair zufolge 2019 weltweit 6,6 Mio. RSV-assoziierte akute Infektionen mit 1,4 Mio. Krankenhauseinweisungen und 45.700 Todesfällen (davon 13.300 in den Kliniken), was einem Anteil von 3,6 % der jährlichen Todesfälle in dieser Altersgruppe (die ersten 28 Tage ausgenommen) entspricht oder 1 von 28 Todesfällen.
Mehr als 97 % der Todesfälle treten in Ländern mit geringem und mittleren Einkommen auf. Hier fehlt es vor allem an Kliniken, in denen die Kinder während der akuten Phase der Hypoxämie mit Sauerstoff versorgt oder beatmet werden können.
zum Thema
- Abstract der Studie im Lancet
- Abstract der Studie im Lancet (2017)
- Pressemitteilung des Lancet
- RESCEU-Initiative
aerzteblatt.de
So ist die Hospitalisierungsrate in den reicheren Ländern vor allem in den ersten Lebensmonaten, in denen es die meisten Todesfälle gibt, 2- bis 3-fach höher, und da die Ausstattung besser ist, können dort mehr Kinder gerettet werden. Die Case-Fatality-Rate liegt in den reicheren Ländern in den ersten Monaten bei unter 0,05 %. In den ärmsten Ländern liegt sie bei weit über 2 %.
Die apparative Ausstattung der Kliniken dürfte sich in den ärmeren Ländern in absehbarer Zeit nicht verbessern. Für eine passive Immunisierung, die mit dem Antikörper Palivizumab möglich ist, fehlen die finanziellem Ressourcen. Das Mittel muss zudem monatlich intramuskulär injiziert werden, weshalb es auch in reicheren Ländern nur bei Risikopatienten eingesetzt wird.
Die Hoffnungen beruhen deshalb auf der Entwicklung von Impfstoffen. Derzeit befinden sich mit „RSV MAT“ von GlaxoSmithKline (NCT04605159) und RSVpreF von Pfizer (NCT04424316) 2 Vakzine für Schwangere in der klinischen Entwicklung. Die Säuglinge sollen dabei durch die transplanzentar übertragenen Antikörper in den ersten Monaten nach der Geburt geschützt werden.
Die passive Immunisierung dürfte demnächst durch den Langzeit-Antikörper Nirsevimab erleichtert werden, der nur einmal gegeben werden muss. Mit MK-1654 von MSD (NCT04767373) ist ein weiterer Antikörper in der klinischen Prüfung. © rme/aerzteblatt.de
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