ich freue mich sehr, dass Sie sich der Thematik der Hebammen und der Geburtshilfe in Deutschland sogleich auf SEITE EINS (Dtsch Arztebl 2014; 111(19): A-811 / B-699 / C-663) angenommen haben.
Ich gehe mit Ihrer Meinung mit, dass der Herr Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe einen nicht lösungsfähigen Vorschlag kundgetan hat, um nachhaltig die Haftpflichtproblematik für alle Beteiligten in der Geburtshilfe anzugehen. Wie Sie richtig schreiben, sind sowohl die Hebammen und alle anderen Heilberufe als auch die Geburtskliniken (http://www.badische-zeitung.de/wirtschaft-3/viele-kliniken-finden-keine-haftpflichtversicherung) selbst betroffen.
Doch in Ihrer weiteren Darstellung wird es leider nicht deutlich, dass es sich um eine nicht bedeutend kleine Elternschaft handelt, die bei einem Schwund der freien Hebammen betroffen sind (http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/hebammen-haftpflichtversicherung-bedroht-berufsstand-a-966815.html). Ja, es finden wohl etwa 98% der Geburten in Deutschland in den Kliniken statt. Doch in bestimmten Bundesländern Deutschlands begleiten freiberufliche Hebammen bis zu 60% dieser Geburten (http://www.bhlv.de/de/startseite/drohender-zusammenbruch-der-versorgung-der-familien-mit-hebammenhilfe/). Auch steigen die Haftpflichtprämien für Vor- und Nachsorgehebammen, deren Arbeit einen unschätzbaren Wert haben, in einem nicht zumutbaren Maße an. Wer versorgt also all die jungen Familien, wenn Herr Gröhe keine Lösung findet? Die Ärzteschaft in den Kreißsälen? Die Kollegen in ihren Niederlassungen und in den Rettungsstellen?! Ich glaube nicht, dass sie diese enormen Nachfragen stemmen können.
Die „hochemotionale“ Elternschaft, die sich für eine Wahlfreiheit in der Geburtshilfe einsetzen, sind bestens informiert: im sogenannten Ternovsky-Urteil hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits 2010 entschieden, dass die europäischen Mitgliedsstaaten unter Bezug auf Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention dazu verpflichtet sind, das Recht der Frauen auf die freie Wahl des Geburtsortes und der Geburtsbegleitung zu garantieren. Aber bedeutet Wahlfreiheit überhaupt keine freie Hebamme zu finden – weder für die Vor- oder Nachsorge als auch für eine individuelle Geburtsbegleitung? Heißt Wahlfreiheit 50-60 Kilometer zur nächsten Geburtsklinik zu fahren ohne eine Alternative im näheren Umkreis zu haben? Nennt man es Wahlfreiheit, wenn der Kreißsaal überbelegt ist und man keine Hebamme an der Seite zur Geburt hat? Drückt es Wahlfreiheit aus, seinen Wohnort für Wochen zu verlassen um in einem Hostel auf seine ersten Wehen zu warten?
„Etwas weniger Ideologie und etwas mehr Pragmatismus – das würde der Diskussion guttun.“ Liebe Frau Hibbeler, ich denke etwas mehr Informiertheit braucht das Land um entscheidende neue Wege einzuschlagen.
Mit freundlichen Grüßen Christina Baris Ärztin und zweifache Mutter
Ich weiß nicht, ob die Autorin Kinder geboren hat - ich kann mir das jedenfalls nur schlecht vorstellen. "Weniger als zwei Prozent sind außerklinische Entbindungen, davon lediglich 0,5 Prozent Hausgeburten. Etwas weniger Ideologie und etwas mehr Pragmatismus – das würde der Diskussion guttun." Sicher, für viele Frauen ist es genau das richtige, in einer sterilen, unpersönlichen Umgebung, umgeben von Kranken und Medizinern, ein Kind zu gebären und danach eine Tage wie eine Kranke im Krankenhaus zu liegen und sich pflegen zu lassen. Dafür mag es viele verschiedene und individuelle Gründe geben, nicht zuletzt vielleicht die Tatsache, dass Kinderkriegen heute leider nur noch sehr, sehr wenig zählt. Da ist es völlig legitim, wenn man diesen Umstand dann für sich selbst und andere inszenieren möchte.
Aber es gibt auch andere Frauen. Frauen, die an ihre eigene Stärke glauben, die finden, Kinderkriegen ist keine Krankheit und hat deshalb auch nicht primär im Krankenhaus stattzufinden. Kinderkriegen ist etwas natürliches. "98% der Geburten finden in einem Krankenhaus statt"? Angstmache und Informationsdefizit! Viele Frauen, mit denen ich gesprochen habe, wussten überhaupt nicht von der Möglichkeit einer ambulanten Geburt! Sie hatten noch nie von Geburtshäusern gehört. Ihre Mutter, ihre Tante, ihre beste Freundin hatte unter unerträglichen Schmerzen und Unmengen an Schmerzmitteln in einem Krankenhaus entbunden. Etwas anders kannten sie nicht, Geburt sah für sie genau so aus. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass es auch anders vonstatten gehen kann. 80% der Mütter in meinem persönlichen Umfeld haben zu hause oder ambulant in einem Geburtshaus entbunden. Ohne Schmerzmittel. Ohne Krankenhaussuppe. Sie haben wenige Stunden nach der Geburt wieder auf ihren eigenen Füßen gestanden und sind aus der Klinikpforte spaziert, vorbei am immer noch ungläubig schauenden Pförtner.
Ambulante, persönliche und vor allem natürliche Geburt hat mit Ideologie rein gar nichts zu tun, liebe Frau Dr. Hibbeler. Es geht darum, Natürliches natürlich zu belassen, es sei denn, es gibt einen triftigen Grund dazu.