Seit der Novellierung der Richtlinie Hämotherapie durch die Bundesärztekammer ist eine Anti-D-Prophylaxe bei RhD-negativen Frauen nicht mehr bei allen Schwangerschaften erforderlich. Auf die bisherige ungezielte Injektion eines Blutprodukts kann seit August 2017 verzichtet werden, wenn der Fetus RhD-negativ bestimmt wurde. Ein Test zur Bestimmung des fetalen Rhesusfaktors aus mütterlichem Blut wurde 2011-2012 in den Niederlanden bei mehr als 25.000 Patientinnen validiert und wird inzwischen auch deutschlandweit angeboten.
Die gezielte präpartale Anti-D-Prophylaxe befindet sich im Einklang mit den Mutterschafts-Richtlinien solange die Bestimmung des fetalen RhD-Status nicht zulasten der gesetzlichen Krankenkassen durchgeführt wird. Im Gemeinsamen Bundesausschuss wird derzeit beraten, ob das neue Testverfahren zukünftig durch die Kassen erstattet werden soll. Das IQWiG stellte in seinem Abschlussbericht fest, dass mit der gezielten präpartalen Anti-D-Prophylaxe keine zusätzlichen Sensibilisierungen von Schwangeren zu erwarten sind, damit ist das Verfahren genauso sicher wie die bisher praktizierte ungezielte Anti-D-Prophylaxe.
Der in diesem Artikel zitierten Schlussfolgerung der IQWiG-Gutachter „Ob er (der neue Test) Vor- oder Nachteile für Mutter und Kind bietet, lässt sich wegen fehlender Studien im Augenblick nicht beantworten“ muss ich widersprechen. Bei einer Umsetzung der gezielten Anti-D-Prophylaxe in geänderte Mutterschafts-Richtlinien könnten ca. 50.000 Frauen jährlich in Deutschland unnötige intramuskuläre Injektionen erspart bleiben. Damit geht einher das Vermeiden von Schmerzen und Ängsten, die durch eine Aufklärung über seltene allergische Reaktionen (bis hin zum allergischen Schock) und über nicht auszuschließende Infektionen ausgelöst werden können. Bei einer in der Fachinformation eines Herstellers angegebenen Anaphylaxierate von 1:1000 bis 1:10.000 ergibt sich eine Reduktion um 5 bis 50 anaphylaktische Reaktionen pro Jahr in Deutschland.
Die Plasmaspenderinnen und Plasmaspender für das Anti-D-Hyperimmunglobulin befinden sich im außereuropäischen Ausland. Manche lassen sich zum Schutz der Kinder in Deutschland mit RhD-positiven Erythrozyten immunisieren. Die Verschwendung dieses wertvollen Arzneimittels und die Anwendung bei Schwangeren mit RhD-negativen Feten sind ethisch und ärztlich nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik kaum zu vertreten.
Ein Kommentar zu dem Ergebnis der IQWIG-Stellungnahme „der patientenrelevante Nutzen oder Schaden einer nicht invasiven Bestimmung des fetalen Rhesusfaktors zur Steuerung der präpartalen Anti-D-Prophylaxe ist somit unklar“ : Das indifferente Ergebnis ist für mich kaum nachvollziehbar. Dass keine Schäden durch die gesteuerte Prophylaxe zu erwarten sind, haben sehr große Studien bereits bewiesen, das wird in der Stellungnahme auch nicht abgestritten. Der Nutzen liegt auf der Hand: eine unnötige, risikoarme, aber eben nicht risikolose Medikamenteninjektion bei 50.000 Patientinnen pro Jahr zu vermeiden. Es bedarf eigentlich nur des gesunden Menschenverstandes und keiner Studien, um zu erkennen, daß das gut ist. Tatsächlich werden aber von den Autoren der im Detail sehr sorgfältig erarbeiteten Stellungnahme vergleichende Interventionsstudien als Basis einer zukünftigen Entscheidung verlangt. Was für Studien sollen das sein? Ein Schwangerschafts-Happiness-Score an Probandinnen mit konventioneller versus gesteuerter Prophylaxe? Aus meiner Sicht verweist das IQWIG in seiner formalistischen Argumentation auf Studien, die es nie geben wird.