Selbsthilfegruppen können unstrittig eine wichtige Stütze für Menschen mit alkoholbezogenen Störungen darstellen und der Besuch sollte Patienten mit diesem Störungsbild nahegelegt werden. Allerdings ist die Aussage, AA sei wirksamer als Psychotherapie methodisch unzulässig, wie wir in einer kritischen Analyse der Arbeit von Kelly et al nachweisen (Bischof et al., "Anonyme Alkoholiker wirksamer als Psychotherapie? Eine kritische Analyse des Cochrane-Reviews von Kelly, Humphreys & Ferri 2020", Suchttherapie, in press). Ersichtlich werden die methodischen Probleme, die bei Meta-Analysen mit heterogenen Interventions- und Kontrollbedingungen sowie bei selektiv berichteten outcome-Paremetern bestehen. So wurden in den von Kelly et al. inkludierten Studien weder Selbsthilfegruppen mit evidenzbasierter Psychotherapie verglichen, noch wurden klinisch bedeutsame outcome-Maße vollständig dargestellt. Die als 12-Schritte-Interventionen inkludierten Studien wurden mehrheitlich von erfahrenen Therapeuten durchgeführt und beinhalteten fast durchgängig Kombinationen mit anderen psychotherapeutischen Verfahren, teilweise wurden passive Kontrollbedingungen und andere therapeutische Interventionen zusammengefasst. Hinweise auf schlechtere Behandlungsergebnisse bei klinisch bedeutsamen kombinierten Outcome-Maßen, die sich in verschiedenen Studien ergaben, wurden ebenso wenig berichtet wie HInweise auf höhere Kosteneffektivität für motivationale Interventionen bei bestimmten Patientengruppen. Zu befürchten ist, dass eine einseitige Rezeption der Cochrane-Analyse die Weitervermittlung von Patienten in von den aktualisierten S-3 Leitlinien "alkoholbezogene Störungen" empfohlene Behandlungsansätze untergraben könnte.