Ärzteschaft
Lungenspezialisten stellen Feinstaub- und Stickoxidgrenzwerte infrage
Mittwoch, 23. Januar 2019
Berlin – Lungenspezialisten haben eine kritische Überprüfung der Auswirkungen von Feinstaub und Stickoxiden auf die Gesundheit gefordert. In einer heute veröffentlichten Stellungnahme äußerte eine Gruppe von mehr als 100 Medizinern erhebliche Zweifel an der wissenschaftlichen Methodik bei der Festlegung der Grenzwerte.
Zugleich drängen die Ärzte auf eine Neubewertung der Studienlage. Es gebe derzeit „keine wissenschaftliche Begründung für die aktuellen Grenzwerte“, hieß es in der Stellungnahme. Die Ärztegruppe kritisierte, die Daten zur Gefährdung von Luftverschmutzung seien „extrem einseitig“ interpretiert worden. Andere Faktoren wie Lebensstil, Rauchen, Alkoholkonsum oder Bewegung hätten weitaus stärkere Auswirkungen auf Krankheitshäufigkeit und Lebenserwartung.
Der ehemalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), Dieter Köhler, der die Stellungsnahme initiierte, sprach von einer „Ideologisierung“ der Debatte über die Gesundheitsgefährdung durch Feinstaub. Diese werde noch zunehmen, weil vielen Städten weitere Fahrverbote drohten.
Die Kritik der Ärzte bezieht sich auf Studien, in denen Wissenschaftler – unter anderem des Helmholtz-Instituts in München und der Berliner Charité – Krankheiten und Lebenserwartung von Regionen mit unterschiedlicher Feinstaub- oder Stickoxidbelastung verglichen. Demnach besteht für staubbelastete Gebiete ein erhöhtes Erkrankungs- und Sterberisiko. Luftschadstoffe werden mit Lungenerkrankungen, aber auch mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sowie Diabetes in Zusammenhang gebracht.
Pro und Contra: Schützen die EU-Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub vor Krankheit und Tod?
Berlin – Vor Kurzem verklagte die EU-Kommission Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Ungarn und Rumänien in Luxemburg vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen zu hoher Stickstoffdioxid-(NO2-)Werte. Um die Grenzwerte für NOx und Feinstaub einzuhalten, waren die durchgeführten Maßnahmen nicht ausreichend. Zum Schutz der menschlichen Gesundheit gibt die EU-Richtlinie 2008/50/EG vor [...]
Die Fachleute stellen sich damit auch gegen ein Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), das Ende 2018 veröffentlicht worden war. Darin hieß es: „Studien zeigen, dass die Feinstaub-Belastung durch Landwirtschaft, Industrie und Verkehr gesundheitsschädlich ist.“ Außerdem werden Regularien und Anreize zur Schadstoffvermeidung gefordert.
Nun heißt es von der DGP, der Deutschen Lungenstiftung und dem Verband Pneumologischer Kliniken (VPK), die aktuell veröffentlichte Gegenposition werde „als Anstoß für notwendige Forschungsaktivitäten und eine kritische Überprüfung der Auswirkungen von Stickoxiden und Feinstaub“ betrachtet.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hält die Zweifel der Lungenärzte für gerechtfertigt. „Der wissenschaftliche Ansatz hat das Gewicht, den Ansatz des Verbietens, Einschränkens und Verärgerns zu überwinden“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Initiative der 107 Fachmediziner sei ein wichtiger und überfälliger Schritt. Er helfe mit, „Sachlichkeit und Fakten in die Dieseldebatte zu bringen“.
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Der ADAC hat nach der Kritik eine Überprüfung der Kriterien gefordert. „Wenn Bürger von Fahrverboten betroffen sind, müssen sie sich darauf verlassen können, dass die geltenden Grenzwerte wissenschaftlich begründet sind“, sagte der Vizepräsident des Autoclubs, Ulrich Klaus Becker, in München. Die EU-Kommission müsse die wissenschaftliche Grundlage ihrer Grenzwerte rasch unter die Lupe nehmen. „Dies muss Gegenstand des Prüfauftrags für die Luftqualitätsrichtlinie sein, der im Arbeitsprogramm 2019 der EU-Kommission enthalten ist“, sagte Becker.
Da aber die Grenzwerte bis auf Weiteres rechtlich bindend blieben, dürften Bund und Kommunen auf keinen Fall in ihren Bemühungen nachlassen, Fahrverbote zu vermeiden. „Die begonnenen Maßnahmen zur Erneuerung der Fahrzeugflotte, zur Stärkung des öffentlichen Verkehrs und zur intelligenten Verkehrssteuerung müssen fortgesetzt werden“, forderte der ADAC-Vizepräsident.
Grüne sprechen von Ablenkungsmanöver
Die Grünen halten die neuerliche Debatte für unangebracht. „Es geht hier im Kern um die Frage: Wie schützen wir vorsorgend die Gesundheit aller Bürgerinnen und Bürger?“, fragte Bettina Hoffmann, Sprecherin für Umweltpolitik im Bundestag. Grenzwerte seien dazu da, um insbesondere auch empfindliche Menschen wie Kranke, Kinder und Schwangere zu schützen. „Es ist richtig, dass diese Werte streng sind und an der Gesundheit der Schwächsten ausgerichtet sind“, sagte sie.
Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, bezeichnete die Debatte als „Ablenkungsmanöver“, das die ohnehin schon unübersichtliche Lage bei den Fahrverboten „chaotisiert“. „In der Forschung gibt es einen breiten Konsens, dass Stickoxide auch schon im geringen Ausmaß schädlich sind und der Grenzwert eigentlich verschärft werden sollte“, sagte er. Der Verband der Lungenärzte halte die Grenzwerte für absolut geboten zum Schutz der Gesundheit. In der Schweiz gebe es schon längst einen schärferen Grenzwert für Stickoxide.
Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums betonte, die Grenzwerte fußten „auf solider wissenschaftlicher Basis“. Es sei „unbestritten“, dass Feinstaub und Stickoxide den Körper belasteten und die Lebenszeit verkürzen können.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat die Kritik als „politische Effekthascherei“ zurückgewiesen. Die Forderung der Experten, den europaweit geltenden Grenzwert für Stickstoffdioxid auszusetzen, sei unverantwortlich gegenüber der betroffenen Bevölkerung, sagte Hamburgs BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. Hamburg hatte im vergangenen Jahr als erstes Bundesland wegen hoher Stickoxidbelastung auf zwei Straßenabschnitten Diesel-Fahrverbote verhängt.
40 Mikrogramm pro Kubikmeter
Die Grenzwerte für Stickstoffdioxid – der Jahresmittelwert darf 40 Mikrogramm pro Kubikmeter in der Außenluft nicht überschreiten – gelten in der EU seit 2010. Sie beruhen auf einer Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO. Auch für Feinstaub gibt es je nach Partikelgröße Grenzwerte. An Orten, wo Grenzwerte über längere Zeit deutlich überschritten werden, drohen zum Beispiel Fahrverbote für Autos mit besonders hohem Schadstoffausstoß.
Experten haben berechnet, dass Tausende Menschen vorzeitig an Folgen von Luftverschmutzung sterben – laut Umweltbundesamt im Jahr 2014 etwa 6.000 an Herz-Kreislauf-Krankheiten, die auf die Langzeitbelastung mit Stickstoffdioxid zurückzuführen seien. Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur EEA aus dem Jahr 2017 gibt es in Deutschland zudem rund 66.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr durch die Folgen von Feinstaub in der Luft. © afp/dpa/may/aerzteblatt.de

Peinlich

Sinnlosen Wettbewerb
Die Statistik lässt viel Platz, um einige 1000 Todesfälle pro Jahr unbeweisbar UND unwiderlegbar beliebigen Umständen zuschreiben zu können: Röntgenuntersuchungen, Feinstaub, NOx, Lärm, rotem Fleisch, Milch, tierischem Fett, pflanzlichem Trans-Fett, Acrylamid...
Und wir Ärzte machen es unseren Patienten auch nicht einfacher, Korrelation und Kausalität in einem multifaktoriellen Geschehen richtig wahrzunehmen!
An verkehrsreichen Straßen unserer Städte leben Menschen mit niedrigerem sozioökonomischen Status, die mehr Alkohol und Tabak konsumieren, häufiger übergewichtig sind, sich oft einseitig ernähren, seltener Sport treiben und überdies mehr Lärm, Feinstaub, Asbest, aromatische Kohlenwasserstoffe und NOx - drinnen wie draussen - ausgesetzt sind...
Deren (gering) verkürzte Lebenserwartung jetzt eindeutig einem bestimmten dieser Risiken zuzuschreiben, ist auch für gewiefte Statistiker eine knifflige Herausforderung mit äußerst wackeligen Ergebnissen.
Und da haben die unterzeichnenden Kollegen sicher recht: Es ist vollständig ungeeignet, Menschen damit Angst einzujagen!
Es hat schon seinen Grund, warum der Hybrid-Pionier Toyota die DUH so großzügig unterstützt hat - und der ist sicher nicht die Gesundheit der deutschen Bevölkerung, sondern die finanzielle Gesundheit von Toyota!

Fragwürdig.
Den NO2- Grenzwert hätte man sicherlich schon früher auf die wissenschaftliche Evidenz überprüfen und ggf. anpassen können. Es handelte sich bei den 40ug/m³ nur um eine Empfehlung der WHO, die nicht unbedingt für die Außenluft gedacht war. Das hat in der EU, wie es scheint, kaum jemand ernst genommen. Nun hat die Politik das Problem, dass sie sich unglaubwürdig macht, wenn sie jetzt am Grenzwert rumdreht. Die genannten Lungenspezialisten wirken jetzt tasächlich wie eine Lobbyistenfachgruppe der Autoindustrie. Laut Handelsblatt haben von 3800 angeschriebenen Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin bisher nur 113 die Stellungnahme unterschrieben.
Für die Partikelbelastung durch Feinstaub gelten eigene Grenzwerte, die meines Wissens z. Zt. gar nicht zur Diskussion stehen.

Honi soit qui mal y pense
Irgendwann wird rauskommen, was die Kollegen, angeführt von Dieter Köhler, da geritten hat.
Hoffentlich war es im Sinne und zum Schutz ihrer Patienten...

Eine starke Behauptung ist wirksamer als 10 schwache Beweise
Übrigens gibt es auch keine Beweise, dass CO2 schuldig ist am Klimawandel. Ohne CO2 haben Pflanzen keine Grundlage, Sauerstoff zu produzieren. Also eine gewisse Menge CO2 braucht es schon.
Aber wieviel Zuviel ist zuviel ???

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