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Politik

Bundesregierung will alle Kräfte gegen Krebs mobilisieren

Freitag, 1. Februar 2019

/Mopic, stock.adobe.com

Berlin – Die Bundesregierung will innerhalb von zehn Jahren enorme Fortschritte gegen Krebserkrankungen erreichen. „Zehn Jahre lang mobilisieren wir alle Kräfte“, sagte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) heute im Bundestag. „Wir wollen Krebs besser verstehen, wir wollen Krebs verhindern, wir wollen Krebs heilen.“

Das Parlament debattierte heute die Hightechstrategie der Regierung, die Deutschland mit Milliardeninvestitionen im internationalen Wettbewerb um Technologie nach vorne bringen soll. Karliczek bekräftigte unter anderem, dass neben den Nationalen Centren für Tumorerkrankungen in Heidelberg und Dresden weitere entsprechende Standorte aufgebaut werden sollten.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach erläuterte, 60 Prozent der Krebsfälle könne man nicht vermeiden, „selbst wenn wir alles umsetzen würden, was wir wissen“. In Deutschland müsse Grundlagenforschung an Universitäten massiv unterstützt werden. Er bemängelte, dass die Forschung zudem zu selten in Produkten für Patienten mündet.

Es gebe etwa zu wenig Vernetzung – etwa für eine einheitliche Kartierung der rund 150 Gene, die bei Krebs eine Rolle spielten. In den USA gebe es ein nationales Krebsinstitut, in England den National Health Service (NHS), in Frankreich zentrale Planung. „Wir haben die Köpfe, wir haben das Geld, wir haben die Möglichkeiten – das muss zusammengebracht werden“, forderte Lauterbach. Sonst werde Deutschland abgehängt.

Spahn glaubt daran, Krebs zu besiegen

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn glaubt unterdessen daran, dass Krebsleiden in absehbarer Zeit besiegbar seien. „Es gibt gute Chancen, dass wir in zehn bis 20 Jahren den Krebs besiegt haben“, sagte er der Rheinischen Post. Der medizinische Fortschritt sei immens, die Forschung vielversprechend. „Und wir wissen deutlich mehr. Es gibt Fortschritte bei der Krebserkennung, bei der Prävention.“

Immerhin ein Fünftel der Krebserkrankungen ließen sich aufs Rauchen zurückführen. Eine weitere Ursache seien schlechte Ess- und Lebensgewohnheiten, die man durch Aufklärung stärker in den Griff bekommen könne.

Spahn sieht auch bei der Vorsorge erhebliche Fortschritte. „Das Darmkrebsscreening wird ausgeweitet. Und wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass wir einen Impfstoff gegen das HP-Virus entwickeln werden und dieses Virus theoretisch ausrotten könnten, wenn sich die jungen Menschen vor dem ersten Sexualverkehr impfen lassen.“

Der Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), Johannes Bruns, reagierte zurückhaltend. Es werde sich sicher viel tun in den nächsten zehn bis 20 Jahren, gänzlich besiegt werde Krebs aber wohl nicht sein. „Das ist eine sehr heroische Aussage, da muss man vorsichtig sein.“ Bei zwei Säulen der Krebsbehandlung – Chirurgie und Bestrahlung – tue sich derzeit nicht so viel, anders sehe das im Bereich der Chemotherapien aus. Arzneimittelhersteller und Start-ups investierten derzeit viel Geld in mögliche Mittel gegen Krebs.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisiert Spahn für seine Aussagen. Die Zahl der Neuerkrankungen an Krebs habe sich seit den 1970er-Jahren in Deutschland fast verdoppelt. Grund dafür sei auch die älter werdende Gesellschaft. Es sei unverant­wortlich, angesichts dieser Entwicklung zu behaupten, es gebe gute Chancen, den Krebs in zehn bis 20 Jahren besiegt zu haben. „Ein Gesundheitsminister sollte nicht für eine Schlagzeile das Vertrauen der Patienten verspielen“, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch.

Krebs ist nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. 90 Prozent der jährlich rund 230.000 Krebstodesfälle gehen inzwischen nicht auf den Primärtumor, sondern auf Metastasen zurück. Ansätze dagegen zu finden, sei die große Herausforderung für die Wissenschaft derzeit, hatte Andreas Fischer vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) kürzlich erklärt.

Vielleicht beherrschen, aber nicht besiegen

Der Medizinische Leiter der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO), Bernhard Wörmann, sagte, es gebe vielversprechende neue Therapieansätze bei sehr unterschiedlichen Krebsarten, wahrscheinlicher als ein „Besiegen“ von Krebs sei aber ein „Beherrschen“. Als ein Beispiel nannte er die chronische myeloische Leukämie (CML), bei der Betroffene nach bisherigen Daten inzwischen wohl eine normale Lebenserwartung haben.

Auch bei anderen Krebsarten werde es nicht um Heilung gehen, sondern darum, die Krankheit mit lebenslang einzunehmenden Medikamenten in Schach zu halten. Beim Thema Vorsorge sei zu bedenken, dass zwar viele Tumoren auf veränderbare Lebensstilfaktoren wie Rauchen und Übergewicht zurückgehen, ein Teil aber auch genetisch bedingt sei oder durch Infektionen entstehe, erklärte Wörmann, Krebsmediziner an der Charité in Berlin. „Nicht jeder Krebs ist vermeidbar.“

Gentherapien gegen Krebs seien in der Entwicklung, aber ein großflächiger Einsatz in so kurzem Zeitraum sei nicht zu erwarten. Wörmanns Fazit lautet daher: „Wir werden aus vielen akuten Krebserkrankungen chronische machen können, aber ,besiegen’ im Sinne von gar keinen Krebs mehr haben, das halte ich für unrealistisch.“

Die Bundesregierung hatte am vergangenen Dienstag angekündigt, Krebs mit mehr Forschung und Vorbeugung eindämmen und die Umstände für Betroffene erleichtern zu wollen. Zum Start einer Initiative „Nationale Dekade gegen den Krebs“ kündigte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) die Förderung von Studien zu Prävention, Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen an. Bis zu 62 Millionen Euro könnten hierfür fließen.

Nationale Dekade gegen Krebs: Mindestens vier neue Tumorzentren geplant

Berlin – Oftmals dauert es mehrere Jahre bis vielversprechende Therapien bei Patienten ankommen. Die heute vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) und dem Bundesforschungsministerium (BMBF) gestartete „Nationale Dekade gegen Krebs“ soll diesen Prozess beschleunigen. Ein Baustein der Initiative: Neben Heidelberg und Dresden seien in den kommenden zehn Jahren zunächst (...)

Die Initiative sei zu begrüßen, sagte DKG-Generalsekretär Bruns. Wichtig sei dabei allerdings, den Weg von der Wissenschaft in die Versorgung zu bahnen. Derzeit gebe es vielfach große Hürden für den Schritt vielversprechender Ansätze aus der Forschung in die Praxis. Spahns markanter Aussage müssten nun auch Taten folgen, betonte Bruns. „Forschung dient der Versorgung, daran misst sich der Erfolg“, ist er überzeugt. „Tolle Studien reichen nicht, der Patient muss auch profitieren, sonst sind das Fehl­investitionen.“

Die Barmer wies heute darauf hin, dass Früherkennungsuntersuchungen gegen Krebs zu selten genutzt werden. 2017 hätten nur jede zweite Frau und jeder zehnte Mann die Krebsfrüherkennung in Anspruch genommen, teilte die Kasse mit. Das sei deutlich zu wenig angesichts der Tatsache, dass ein früh erkannter Krebs umso besser behandelt werden könne.

Die Barmer-Daten zeigen demnach deutliche regionale Unterschiede bei der Krebsfrüherkennung. Bei Frauen wiesen das Saarland (36,4 Prozent) und Bayern (38,8 Prozent) die niedrigsten Untersuchungsraten auf. In den neuen Bundesländern lagen die Raten durchgängig höher. Spitzenreiter war demnach Sachsen mit 44,4 Prozent. Bei den Männern hatten 2017 ebenfalls das Saarland (9,3 Prozent) und Bayern (9,8 Prozent) die geringsten Raten. Am häufigsten genutzt wurde die Krebsfrüherkennung von den Männern in Mecklenburg-Vorpommern (13,5 Prozent).

Etwa 500.000 Menschen erkranken in Deutschland jedes Jahr an Krebs, rund 220.000 sterben. Etwa die Hälfte der Erkrankungen könnte Experten zufolge durch einen gesunden Lebensstil ohne Rauchen, mit viel Bewegung und wenig Alkohol sowie durch regelmäßige Früherkennungsuntersuchungen vermieden werden. © dpa/afp/kna/may/aerzteblatt.de

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