Politik
Streit um geplante Studie zu psychischen Folgen durch Schwangerschaftsabbrüche
Montag, 11. Februar 2019
Berlin – Eine von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplante Untersuchung zu psychischen Auswirkung für Frauen durch Schwangerschaftsabbrüche ist zu einem Streitthema der Großen Koalition geworden.
Das Vorhaben hatte es nicht in den „Gesetzentwurf zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch“ geschafft. Dennoch hält der Minister daran fest – und soll dafür nun fünf Millionen Euro aus dem Bundeshaushaushalt bekommen. Das bestätigte ein Sprecher des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) dem Deutschen Ärzteblatt auf Nachfrage.
Demnach wurde im Bundeskabinett von Unions- und SPD-Ministern eine Vorlage genehmigt, die für die Durchführung der Studie in den Haushaltsjahren 2020 bis 2023 jeweils 1,25 Millionen Euro zusätzlich vorsieht. Die Bild hatte zuerst darüber berichtet.
Die Pläne aus dem Ministerium sind bei Opposition und der SPD-Bundestagsfraktion auf Widerstand gestoßen. „Ich bin schockiert über diese Entscheidung des Bundeskabinetts“, sagte Hilde Mattheis, Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion für Frauengesundheit. Es sollten fünf Millionen Euro für eine wissenschaftlich unsinnige und ideologisch motivierte Studie vergeudet werden.
Studienlage schon eindeutig
Die Situation von Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen sei bereits „durch eine sehr umfangreiche Studienlage untersucht“. Alle seriösen Studien dazu hätten gezeigt, dass ein Post-Abortion-Syndrom nicht existiere. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post kritisierte die Finanzspritze ebenfalls. Es sei „ein Skandal, für solchen Unsinn Millionen auszugeben“, sagte er der Bild.
Die Linken-Gesundheitsexpertin Kathrin Vogler twitterte, sie verkaufe Spahn diesen „#Servicetweet für einen Euro“. Dann könne er die 4.999.999 Euro zum Beispiel für Familienhebammen, Kinderbetreuung, kostenlose Verhütungsmittel ausgeben – oder das Geld an Pro Familia spenden.
Kritik kommt auch von den Grünen. „Die Forderung von Jens Spahn und der CDU/CSU nach dieser Studie trieft vor Misstrauen gegenüber Frauen und belegt, wie sehr sie Frauen die Eigenmächtigkeit und Selbstbestimmung absprechen“, sagte Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik. Diese Haltung sei ein massiver Rückschritt in einer emanzipierten Gesellschaft.
Auch Schauws zufolge widerlegen bereits „etliche qualifizierte Studien“ die These von erhöhten psychischen Problemen nach einem Schwangerschaftsabbruch. Wäre Spahn wirklich am gesundheitlichen Wohl von Frauen gelegen, müsste er sich für konsequenten Gewaltschutz von Frauen mit entsprechender Bundesfinanzierung einsetzen. Denn unter den Folgen von häuslicher Gewalt litten Frauen gravierend. „Hierzu gibt es echten Erkenntnisbedarf“, sagte sie.
Sie ruft die SPD dazu auf, diesen restriktiven Gesetzentwurf mit Unionshandschrift und dieser millionenschweren Studie im Dienste der Abtreibungsgegner nicht ihre Zustimmung zu geben. „Wir setzen unsere Hoffnung in die Genossinnen und Genossen, mit einer parlamentarischen Mehrheit den Peregrafen 219a zu streichen“, sagte sie.
Die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Nicole Bauer, bezeichnete das Forschungsvorhaben als „Zugeständnis an radikale Lebensschützer“. Ein Erkenntnisgewinn sei nicht zu erwarten, denn die psychischen Auswirkungen von Abtreibungen seien seit Jahren ausführlich und umfassend untersucht. „Dass der Steuerzahler für diesen Unsinn auch noch fünf Millionen Euro bezahlen darf, setzt dem Ganzen die Krone auf“, urteilte Bauer. Angebracht sei stattdessen ein „enttabuisierter und aufgeklärter Umgang mit dem sensiblen Thema“ Abtreibungen. Studien legten nahe, dass „mitunter die Stigmatisierung zu psychischen Problemen" bei den Betroffenen führen könne, erklärte Bauer.
Ministerium weist Kritik der SPD zurück
Das Bundesgesundheitsministerium wies die Kritik zurück. „Die Studie ist Teil des Kompromisses zum Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche“, sagte Sprecher Hanno Kautz. „Die SPD scheint vergessen zu haben, was sie selbst vereinbart hat.“
Die Bundesregierung hatte am vergangenen Mittwoch die Lockerung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche auf den Weg gebracht. Die im Kabinett beschlossene Reform des Strafrechtsparagrafen 219a sieht vor, dass Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen künftig darüber informieren dürfen, dass sie Abtreibungen vornehmen.
Außerdem soll es eine von der Bundesärztekammer geführte Liste mit Ärzten geben, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Der Gesetzesvorschlag ist ein Kompromiss. Während die SPD eigentlich das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüch abschaffen will, hält die Union daran fest. © may/dap/afp/aerzteblatt.de

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