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Politik

Bundestag beschließt Organspendegesetz

Donnerstag, 14. Februar 2019

/dpa

Berlin – Das Parlament hat heute das „Zweite Gesetz zur Änderung des Transplan­tations­­gesetzes – Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende (GZSO)“ mehrheitlich und lediglich gegen die Stimmen der AfD-Fraktion beschlossen. Voraussichtlich Anfang April soll es in Kraft treten. Es sei gut, dass sich der Deutsche Bundestag „so schnell entschieden habe, die Bedingungen für Organspenden zu verbessern," sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei der Debatte. Die Geschwindigkeit sei dem Ziel angemessen. „Wir geben den Krankenhäusern mehr Zeit und Geld, geeignete Spender zu finden. Damit kann die Zahl der Organspenden weiter steigen. Das gibt den 10.000 Patienten Hoffnung, die auf ein Spenderorgan warten.“

Mit dem Gesetz werden Maßnahmen ergriffen, die Experten – unter anderem die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) – seit Längerem gefordert hatten. Sie hatten den Rückgang bei den Organspenden in Deutschland in den vergan­genen Jahren nämlich nicht auf nachlassende Spendenbereitschaft der Bevölkerung zurückgeführt, sondern vielmehr auf Defizite bei der Arbeit in den Kliniken sowie anderen Bereiche wie beispielsweise die Überlastung des Personals auf Intensiv­stationen. Diese Schwachstellen sollen nun beseitigt werden.

Mit vier zentralen Aspekten wolle die Bundesregierung die strukturellen und finanziellen Voraussetzungen in den Entnahmekrankenhäusern schaffen, um die Organspendezahlen dauerhaft zu erhöhen, betonte Stephan Pilsinger (CDU/CSU) heute bei der abschließenden zweiten und dritten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag. Erstens seien das die im Gesetz verbindlich festgelegten Vorgaben für die Freistellung der Transplantationsbeauftragten. Diese soll auf der Grundlage der Anzahl der Intensivbehandlungsbetten in den Entnahmekrankenhäusern erfolgen. Wenn ein Entnahmekrankenhaus mehr als eine Intensivstation hat, soll jede Station mindestens einen Transplantationsbeauftragten benennen, dem sämtliche erforderlichen Informationen zur Auswertung des Spenderpotenzials zur Verfügung zu stellen sind. Der Aufwand wird vollständig refinanziert.

Zweitens werden die Entnahmekrankenhäuser insgesamt künftig für den gesamten Prozessablauf einer Organspende besser vergütet. Sie haben Anspruch auf pauschale Finanzierung der Leistungen, die sie im Rahmen des Organspendeprozesses erbringen. Sie erhalten zusätzlich einen Zuschlag für die Inanspruchnahme ihrer Infrastruktur. 

Drittens wird es künftig bundesweit einen neurologischen/neurochirurgischen konsiliarärztlichen Rufbereitschaftsdienst geben. Dieser soll gewährleisten, dass kleineren Entnahmekrankenhäusern jederzeit qualifizierte Ärzte bei der Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls zur Verfügung stehen. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Bundesärztekammer müssen dazu bis Ende 2020 eine geeignete Einrichtung mit der Organisation dieses Bereitschaftsdienstes beauftragen. Neu eingeführt werden zudem klinikinterne Qualitätssicherungssysteme. Sie sollen die Grundlage für ein flächendeckendes Berichtssystem bei der Spendererkennung und Spendermeldung schaffen. So sollen die Gründe für eine nicht erfolgte Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls oder eine nicht erfolgte Meldung an die Koordinierungsstelle (DSO) intern erfasst und bewertet werden. Auswerten soll die Daten die DSO und dann den Entnahmekrankenhäusern und den zuständigen Landesbehörden übermitteln.  

Viertens werde mit dem neuen Gesetz erstmals die Angehörigenbetreuung rechtlich geregelt, betonte CSU-Politiker Pilsinger. Geschaffen werde eine klare rechtliche Grundlage für den Austausch von anonymisierten Schreiben zwischen Organ­empfängern und den nächsten Angehörigen der Organspender. Ein solcher Austausch sei ein Wunsch von vielen Betroffenen gewesen. „Mit dem Gesetz ist viel erreicht“, erklärte er.

„Das Gesetz ist keine Kleinigkeit“, betonte auch Karl Lauterbach (SPD) heute im Parlament. „Die Krankenhäuser konnten bislang mit der Organspende nur Verluste machen. Die Pauschalen waren bisher nicht kostendeckend. Das wird sich jetzt ändern“, sagte er. Anreize für die Kliniken, mehr Organspenden durchzuführen, um Gewinne zu erzielen, werde es aber durch die geplante reine Kosten­erstattung nicht geben.

Zur Abstimmung standen noch weitere Anträge: Abgelehnt gegen die Stimmen von den Grünen und Linken wurde der Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen (19/7769). Sie hatten gefordert, die private Krankenversicherungswirtschaft an der Finanzierung der Leistungen der Entnahmekrankenhäuser im Rahmen der Organ­entnahme und deren Vorbereitung sowie an der Finanzierung des neurochirurgischen und neurologischen konsiliarärztlichen Rufbereitschaftsdienstes zu beteiligen und dies im Gesetz festzuschreiben. Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) fand es „unverständlich“, dass kaum Änderungsvorschläge in das Gesetz aufgenommen worden seien. „Herr Spahn, Schnelligkeit darf nicht vor Gründlichkeit gehen“, sagte sie. Dieser versicherte jedoch, die PKV werde sich wie zuvor auch verlässlich an den Kosten beteiligen.

Abgelehnt durch das Parlament wurde ferner der Antrag der FDP-Fraktion „Chancen von altruistischen Organlebendspenden nutzen – Spenden erleichtern“ (19/5673). Danach sollten auch „altruistische Organlebendspenden“ (Organspenden unter Nichtverwandten ohne Gegenwert) ermöglicht werden, um die Zahl der verfügbaren Organe zu erhöhen. Katrin Helling-Plahr (FDP) warb vor der Abstimmung nochmals für den Entwurf:  Das derzeit geltende Subsidiaritätsprinzip – demzufolge eine Lebendspende nur möglich ist, wenn kein postmortales Organ zur Verfügung steht –sollte wegfallen, forderte sie. Eine weitere zulässige Variante sollte nach Ansicht der FDP die Überkreuzspende sein, die zwei Paaren wechselseitige Transplantationen ermöglicht, wenn aus medizinischen Gründen eine Spende an den eigenen Partner ausgeschlossen sei. Helling-Plahr warf Bundesgesundheitsminister Spahn „Duckmäusertum“ vor. In die Debatte um eine Liberalisierung der Organspendepraxis durch altruistischen Organlebend­spenden sei er nicht ausreichend eingetreten, kritisierte sie. Dieser konterte: Zu einer Debatte über die Lebendspende sei er bereit, aber sie müsse separat und gründlich geführt werden. „Mit diesem Gesetz dürfen wir das nicht vermengen“, betonte Spahn.

Mit großer Mehrheit abgelehnt wurde auch der Antrag der AfD-Fraktion „Zahl der freiwilligen Organspender in Deutschland erhöhen – Spendenbereitschaft als Ehrenamt anerkennen“ (19/7034). Die Abgeordneten hatten dazu vorgeschlagen, die nachgewiesene Bereitschaft zur Organspende als Ehrenamt anzuerkennen und das Engagement als Zeichen der Anerkennung zu fördern. Denkbar wären aus Sicht der Fraktion öffentliche Ehrungen, Urkunden oder die Ausgabe von Ehrenamtskarten, deren Inhaber beispielsweise Preisnachlässe beim Kauf von Waren, Dienstleistungen oder Eintrittskarten erhalten, gewesen.

Drei weitere Anträge der AfD-Fraktion wurden zur federführenden Beratung in den Gesundheitsausschuss überwiesen werden. Sie zielen auf die Cross-Over-Lebend­spende als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, eine bundeseinheitliche Qualifikation der Transplantationsbeauftragten nach dem Curriculum der Bundesärztekammer sowie einen bundesweit einheitlich festgelegten Verantwortungs­bereich der Transplantationsbeauftragten ab.

Zufrieden mit der Verabschiedung des Gesetzes zeigt sich Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer: „Dieses Gesetz ist ein großer Schritt nach vorn, weil es strukturelle Hürden beseitigt und die Krankenhäuser bei dieser wichtigen Aufgabe nicht länger allein lässt“, sagte er. Gleichzeitig sei es eine kluge Entscheidung gewesen, die Frage der Widerspruchslösung aus dem Gesetz auszuklammern. „Der Gesetzgeber hat damit den Freiraum geschaffen, den die Debatte um eine ethisch und rechtlich so sensible Frage braucht.“

Auch die Patientenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Martina Stamm-Fibich, begrüßte das Gesetz: Der Ansatz, die Zusammenarbeit und die Strukturen bei der Organspende zu verbessern, sei richtig, betonte sie heute. Vielen Kliniken fehle derzeit Zeit und Geld, um Spenderinnen und Spender zu identifizieren. „Deshalb stärken wir mit dem Gesetz die Transplantationsbeauftragten in den Kliniken. Sie bekommen mehr Zeit für ihre wichtigen Aufgaben“, sagte sie. Über die breite Zustimmung aus der Opposition freue sie sich als Patientenbeauftragte besonders: „Sie stärkt das Vertrauen in die Organspende.“ © ER/aerzteblatt.de

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