Medizin
Neurodermitis: Salz und Wasserverlust beeinflussen Risiko für Nahrungsmittelallergie
Donnerstag, 21. Februar 2019
Denver/München – Kinder mit Neurodermitis, die zusätzlich an einer Nahrungsmittelallergie leiden, weisen auch in der nicht befallenen Haut Störungen auf, die das erhöhte Allergierisiko erklären könnten. Das zeigt eine Studie mit 62 Probanden in Science Translational Medicine (STM) (2019; doi: 10.1126/scitranslmed.aav2685). Eine Ursache dafür könnte die Salzkonzentration in der Haut sein, wie eine zweite Publikation in STM anhand von Zellkulturstudien berichtet (doi: 10.1126/scitranslmed.aau0683). Die Studien ermöglichen neue Einblicke in das komplizierte Verhältnis zwischen den beiden Erkrankungen.
Neurodermitis, auch als atopische Dermatitis (AD) bezeichnet, und Nahrungsmittelallergien sind verwandt. Nicht selten erkranken Kinder, die in den ersten Lebensjahren unter einer AD litten, später an einer Nahrungsmittelallergie. Allergologen bezeichnen dies auch als Etagenwechsel, der sich im weiteren Leben mit Heuschnupfen und Asthma fortsetzen kann.
Die genauen Zusammenhänge sind nicht erforscht, doch einige Allergologen wie Donald Leung von National Jewish Health, einem akademischen Krankenhaus in Denver, Colorado, vermuten, dass die Probleme gleich nach der Geburt beginnen. Das Kind hat dann die wässerige Umgebung der Gebärmutter verlassen und seine Haut ist fortan der trockenen Außenluft ausgesetzt. Die Epidermis muss jetzt sicherstellen, dass es zu keinem beständigen Flüssigkeitsverlust über die Haut kommt. Ein erhöhter transepidermaler Wasserverlust (TEWL) ist ein bekanntes Kennzeichen der AD. Er kann dazu führen, dass die Haut brüchig wird. Substanzen dringen in die Haut ein und veranlassen das Immunsystem zu einer allergischen Reaktion. Als Allergene kommen Nahrungsmittel in Betracht, die der Säugling mit der Haut berührt. Dies führt nach der Denkungsart dann zu Lebensmittelallergien.
Filaggrinmangel in nicht-läsionaler Haut
Bislang ging die Forschung davon aus, dass die Störung der TEWL bei Kindern mit AD auf die Ekzeme beschränkt ist. Leung kann jetzt in einer Studie zeigen, dass bei einigen Kindern auch die „gesunde“ Haut Störungen aufweist. Es handelt sich häufig um die Kinder, die auch an einer Nahrungsmittelallergie erkrankt sind.
Der Grund könnte in einem Mangel des Proteins Filaggrin liegen, den Leung in der nicht-läsionalen Haut der Kinder mit AD und Nahrungsmittelallergie nachweisen konnte. Filaggrin wird von den Keratinozyten gebildet. Es unterstützt die Bildung von Disulfidbrücken zwischen Keratin-Filamenten und verhindert dadurch einen übermäßigen TEWL.
Erhöhte Entzündungsbereitschaft in nicht-läsionaler Haut
Die Keratinozyten reagieren auf die gestörte TEWL offenbar mit einer vermehrten Verhornung, die Leung anhand einer vermehrten Expression der Keratine 5, 14 und 16 nachweisen kann. Auch die Entzündungsbereitschaft war in der nicht-läsionalen Haut der Kinder mit Nahrungsmittelallergie erhöht: Eine Transkriptom-Analyse ergab, dass die dendritischen Zellen (sie sind für die Erkennung von Allergenen zuständig) und eine TH2-Antwort der T-Zellen (die die allergische Reaktion ausführen) in der nicht-läsionalen Haut vermehrt aktiviert waren.
zum Thema
- Studie in Science Translational Medicine 2019 (Leung)
- Pressemitteilung des National Jewish Health in Denver
- Pressemitteilung des National Institute of Allergy and Infectious Diseases
- Pressemitteilung der American Association for the Advancement of Science
- Abstract in Science Translational Medicine 2019 (Zielinski)
- Pressemitteilung der Technischen Universität München
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aerzteblatt.de
Die nicht-läsionale Haut der Kinder mit AD und Nahrungsmittelallergie enthielt auch eine höhere Anzahl von Staphylococcus aureus, einem normalen Bestandteil der Hautflora. Die Studie lässt allerdings offen, ob sich das Bakterium infolge der TEWL leichter auf der Haut ansiedeln kann oder ob es Auslöser der Reaktion ist.
Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass einige Kinder möglicherweise eine genetische Veranlagung auf eine AD mit nachfolgender Nahrungsmittelallergie haben. Es könnte aber auch sein, dass die Ernährung die Entwicklung der AD begünstigt. Christina Zielinski von der Technischen Universität München hat eine vermehrte Kochsalzzufuhr in Verdacht. Der Kochsalzkonsum der Bevölkerung ist in den entwickelten Ländern, in denen die Zahl der Allergien in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat, deutlich erhöht.
Erhöhter Kochsalzgehalt in läsionaler Haut von Kindern mit AD
Zielinski konnte zunächst an Zellkulturen nachweisen, dass eine erhöhte Kochsalzkonzentration die TH2-Antwort der T-Zellen steigert. Diese TH2-Antwort ist durch die vermehrte Produktion der Interleukine 4 und 13 gekennzeichnet, die eine allergische Entzündungsreaktion auslösen. Die Münchner Forscherin konnte weiter zeigen, dass die läsionale Haut von Kindern mit AD einen erhöhten Kochsalzgehalt hat. Dieser erhöhte Salzgehalt könnte ihrer Ansicht nach erklären, warum AD-Patienten eine starke Anreicherung des Bakteriums Staphylococcus aureus auf ihrer Haut haben. Dieses Bakterium vermehre sich unter salzigen Bedingungen besonders gut, während Salz anderen Bakterien der Hautflora schade, erklärt Zielinski.
Unklar ist noch, wie die hohen Salzmengen in die Haut gelangen. Ob dies genetische Ursachen hat oder ob eine salzreiche Ernährung dafür verantwortlich ist, kann die Studie nicht klären. Es wurde bisher auch nicht untersucht, ob eine salzarme Ernährung vor einer Allergie schützen könnte. © rme/aerzteblatt.de
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