Medizin
Tuberkulose: Spiraldraht im Magen setzt Medikamente über einen Monat frei
Freitag, 15. März 2019
Cambridge/Massachusetts – Ein Spiraldraht, auf dem die Pillen wie auf einer Perlenkette aneinandergereiht sind, könnte nach Einschätzung von US-Bioingenieuren Tuberkulosepatienten die lästige tägliche Einnahme der Medikamente ersparen. Der in Science Translational Medicine (2019; 11: eaau6267) vorgestellte Prototyp ermöglicht über einen Monat eine kontinuierliche Abgabe der Wirkstoffe. Eine Umfrage in Indien ergab, dass die Patienten bereit wären, sich den Spiraldraht über eine Nasensonde im Magen platzieren zu lassen.
Wenn es um neue Formen der Medikamentenapplikation geht, ist das Team um Giovanni Traverso vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge/Massachusetts um Ideen nicht verlegen. Erst im Januar stellten die Forscher eine Kapsel vor, die sich nach dem Herunterschlucken im Magen zu einem sechsarmigen Stern entfaltet und gleichmäßig mehrere Wirkstoffe abgibt. Sie könnte HIV-Patienten über eine Woche mit den notwendigen Medikamenten versorgen.
Jetzt hat das Team eine Lösung für Tuberkulosepatienten entwickelt, die über Monate mehrere Antibiotika in größerer Menge einnehmen müssen, was viele nicht schaffen. Die geringe Therapieadhärenz wird für die zunehmende Zahl der Multiresistenzen verantwortlich gemacht.
Die Lösung könnte ein „gastric resident system“ sein, dessen Kern ein elastischer Draht aus Nitinol ist. Diese Legierung von Nickel und Titan hat ein Formgedächtnis: Nach dem Verbiegen nimmt Nitinol innerhalb kurzer Zeit wieder seine ursprüngliche Gestalt an. Die Spirale, die die US-Forscher entwickelt haben, lässt sich für die Platzierung über eine Nasensonde in die Länge ziehen. Im Magen windet sie sich innerhalb von 50 Sekunden wieder zur ursprünglich Spirale. Dadurch wird verhindert, dass der Draht über den Pylorus in den Dünndarm gelangt.
Auf dem Draht aufgefädelt sind 4 mm dicke Perlen, die ebenfalls durch die Nasenmagensonde passen. Sie bestehen aus einer Matrix aus Vinylpolysiloxan, in die die Wirkstoffe eingebettet sind. Die Pillen wurden so gestaltet, dass eine nach der anderen über einen Tag das Medikament freisetzt. Erste Experimente an Schweinen haben gezeigt, dass dadurch über einen Monat konstante Wirkstoffspiegel erzielt werden. An beiden Enden der Spirale befinden sich Magnete, über die die Kette am Ende des Monats über eine Nasensonde wieder geborgen und durch eine frische Spirale ersetzt werden kann.
Eine Umfrage unter 300 Tuberkulosepatienten und 111 medizinischen Betreuern ergab, dass sich beide eine Behandlung mit dem „gastric resident system“ vorstellen können. Die Patienten würden von der Notwendigkeit der täglichen Einnahme mehrerer Tabletten entlastet. Die Betreuer würden Zeit sparen, da sie derzeit im Rahmen des von der Weltgesundheitsorganisation geforderten DOT-Regimes („Directly observed treatment“) die tägliche Einnahme der Medikamente überwachen müssen.
© rme/aerzteblatt.de
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