Politik
Ministerium will Vorteile für ausländische Versandapotheken kippen
Dienstag, 19. März 2019
Berlin – Ausländische Versandapotheken sollen beim Verkauf rezeptpflichtiger Arzneimittel in Deutschland künftig im Vergleich zu deutschen Apotheken keine Rabatte und Boni mehr anbieten dürfen. Das geht aus einem Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) hervor, das dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) vorliegt.
Hintergrund der geplanten Neuregelung ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dieser hatte entschieden, dass die ausländischen Händler Rabatte und Boni gewähren dürfen. Die Große Koalition streitet seitdem über eine Lösung dafür, dass deutsche Apotheken im Wettbewerb benachteiligt sind. Die Apotheker forderten ein Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel. Die CDU sprach sich lange Zeit für ein solches Verbot aus, die SPD lehnte das aber ab.
Die Sozialdemokraten kündigten nun auch an, die Eckpunkte aus dem Ministerium genau zu prüfen. Die Apotheken vor Ort seien ein unverzichtbarer Baustein für die verlässliche Versorgung der Patienten, aber auch der Versandhandel leiste einen wichtigen ergänzenden Beitrag zur flächendeckenden Arzneimittelversorgung, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagfraktion, Sabine Dittmar, heute.
Spahn versucht EU-Recht auszuhöhlen
Man begrüße, dass sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vom Versandhandelsverbot mit verschreibungspflichtigen Medikamenten verabschiede. „Für uns ist es wichtig, dass wir eine rechtssichere Regelung bekommen, bei der für alle Marktteilnehmer die gleichen Wettbewerbsbedingungen und somit ,gleich lange Spieße' gelten“, sagte Dittmar.
Ihr Parteikollege, der SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach, sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, Spahn versuche mit dem Vorschlag die europäische Rechtsprechung „auszuhöhlen“, indem er das Boniverbot nun „vom Arzneimittelgesetz ins Sozialgesetzbuch übertragen will“. Die SPD werde nun genau prüfen, ob das Vorgehen rechtssicher sei. „Wir wollen nicht mit Zitronen handeln und eine Scheinlösung, die schon bald wieder vom Europäischen Gerichtshof kassiert wird“, sagte Lauterbach.
Den Eckpunkten zufolge sieht Spahn eine Reihe von weiteren Schritten vor, um Offizinapotheken in Deutschland zu stärken. So sollen zum Beispiel die Honorare für Notdienste von rund 280 auf rund 350 Euro angehoben und die Dienstleistungen der Pharmazeuten ausgeweitet werden. Zu den neuen Aufgaben zählen die Medikationsanalyse, die Überwachung der Arzneimitteleinnahme und die Betreuung spezifischer Patientengruppen, etwa Diabetiker.
Honoriert werden soll dies in Form eines neuen Festzuschlags von 14 Cent je abgegebener Packung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels. „Durch die Einführung der neuen Dienstleistungen werden gezielt die Apotheken vor Ort unterstützt und die professionelle Weiterentwicklung des Heilberufs Apotheker/in gefördert“, heißt es in den Eckpunkten.
Um Vor-Ort-Apotheken konkurrenzfähig zu halten, soll es ihnen auch erleichtert werden, selbst Medikamente an Kunden auszuliefern. Dafür ist eine Lockerung der Auflagen für Botendienste geplant. Zudem will Spahn ausländischen Versandhändlern einen weiteren Vorteil streichen: Sie waren bisher teilweise von der Pflicht zur Temperaturkontrolle der Arzneimittel während des Versandes ausgenommen. Künftig soll die Temperaturkontrolle für jede Versandart vorgeschrieben werden, heißt es in den Eckpunkten.
Dem Deutschen Apothekerverband (DAV) gehen die Pläne nicht weit genug. Er sei zwar froh, dass der Erhalt einheitlicher Abgabepreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel jetzt auch vom Bundesgesundheitsministerium als klares Ziel definiert sei, sagte DAV-Chef Fritz Becker. Wichtig sei aber, dass dies „gesetzgeberisch auch wasserdicht umgesetzt wird und die Regelungen dauerhaft Bestand haben“.
Die für Dienstleistungen vorgesehenen Mittel sind nach Ansicht von Becker darüber hinaus zu knapp bemessen – und auch die Anpassungen für den Nacht- und Notdienstfonds reichten nicht aus, um dauerhaft eine gute Versorgung der Patienten garantieren zu können.
„Das BMG bleibt an diesen Punkten weit hinter seinen eigenen Ankündigungen zurück. Da muss nachgebessert werden“, so Becker. Das gilt seiner Meinung nach auch im Hinblick auf die Mitentscheidungsmöglichkeiten, die die Apothekerschaft bei der Ausgestaltung digitaler Strukturen im Gesundheitswesen einfordert. Sonst werde das System etwa beim elektronischen Rezept weit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleiben. © may/afp/aerzteblatt.de

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