Politik
Arbeitgeberverband will bundeseinheitliche Tarifverträge in der Pflege verhindern
Mittwoch, 27. März 2019
Berlin – Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) wehrt sich gegen politische Vorhaben, die bestehenden Pflegetarifverträge als allgemeinverbindlich zu erklären. Dafür haben sich die Arbeitgeber ein Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit von Allgemeinverbindlichkeitserklärungen in der Pflege erstellen lassen.
„Die Instrumente der Allgemeinverbindlichkeitserklärung und die Erstreckung von Tarifverträgen sind ungeeignet und zur Erreichung sozial- und gesundheitspolitisch erstrebter Ziele verfassungswidrig“, erklärte Gutachter Udo Di Fabio, ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht (BVerfG), heute Journalisten in Berlin.
Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung, mit der die bislang wenigen existierenden Tarifverträge bundesweit gelten würden, ist eine der zentralen Ideen bei der „Konzertierten Aktion Pflege“ von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD).
Die drei Minister hatten angekündigt, dass diese Allgemeinverbindlichkeitserklärung für Tariflöhne per Gesetz möglich wäre und demnächst gesetzgeberisch umgesetzt werden solle. Damit sollen höhere Löhne in der Pflegebranche bezahlt und damit die Arbeitsplätze attraktiver gemacht werden. Die Bundesregierung geht beispielsweise davon aus, dass etwa 80 Prozent der Pflegekräfte ohne Tarifvertrag arbeiten. Die Caritas dementierte die Zahlen heute.
Zu wenig Gewerkschaftsmitglieder
Jurist Di Fabio kommt nun zu dem Schluss, dass besonders in der Pflege solche Erklärungen „auf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken“ stoßen. Sein Argument: Besonders in der Pflegebranche seien zu wenige Menschen in Gewerkschaften organisiert. „Somit besteht eine repräsentative Bindung an einen für allgemeinverbindlich zu erklärenden Tarifvertrag in der Pflege nicht“, erklärte Di Fabio.
Er sieht die Eingriffe in der Pflege als „besonders gravierend“ an, da es durch die Pflege- und Sozialgesetzte sowie Vorgaben durch Pflegequalität und Personalbemessung bereits eine „sehr stark regulierte“ Branche sei. Mit diesem Instrument sei ein „marktwirtschaftlicher Wettbewerb de facto ausgeschlossen.“
Di Fabio bezieht sich dabei vor allem auf Bestimmungen aus dem Tarifvertragsgesetz (§ 5) und auf das Arbeitnehmerentsendegesetz (§7a), die besonders mit dem Grundgesetz in Artikel 9 Absatz 3 in Konflikt stehen. Darin wird die Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer, aber auch die der Arbeitgeber geregelt. Di Fabio forderte von der Bundesregierung, dass die Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht per Rechtsverordnung geregelt werden dürfe, sondern als Gesetz, das im Bundestag sowie im Bundesrat verabschiedet werde.
Das Gutachten, das der bpa allerdings bis zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu der geplanten gesetzlichen Vorlage unter Verschluss halten will, sei ein „deutliches Signal an die Politik, den Weg der Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht weiter zu beschreiten“, erklärte bpa-Präsident Rainer Brüderle. Die „Übergriffigkeit in die ordnungspolitischen Strukturen“ müsse gestoppt werden.
Der Verband wehrt sich dagegen, dass nach den Plänen aus der Konzertierten Aktion Pflege nun kleinere Tarifverträge oder Verabredungen für alle Betriebe gelten könnten. Der Verband habe in allen Bundesländern Arbeitsvertragsrichtlinien mit länderspezifischen Entgelttabellen erarbeitet, hieß es vom bpa. Damit würden Mindestbedingungen für Löhne sowie Arbeitsbedingungen definiert, gleichzeitig könnten regionale Unterschiede bei Pflegesetzen und Lebenshaltungskosten abgebildet werden. © bee/aerzteblatt.de
