Politik
Ärzte sollen Apps verschreiben können
Mittwoch, 15. Mai 2019
Berlin – Ärztinnen und Ärzte sollen künftig ihren Patienten Apps verschreiben können. Zusätzlich müssen sie mit einem höheren Honorarabzug rechnen, wenn sie sich nicht in den kommenden Monaten an die Telematikinfrastruktur (TI) anschließen. Diese zwei Vorhaben sind Teil des Digitalisierungsgesetzes, das Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) heute vorgelegt hat.
Mit dem geplanten „Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation“ (DVG) soll die digitale Versorgung verbessert werden, heißt es aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG). Im Gesetz enthalten sind höhere Strafzahlungen für Vertragsärzte, die sich nicht bis März 2020 an die TI angeschlossen haben. Der Entwurf sieht vor, dass dann 2,5 Prozent des Honorars abgezogen werden. Diese Überlegung äußerte Spahn bereits in einem Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt.
Auch andere Gesundheitseinrichtungen und -berufe sollen sich künftig an die TI anschließen: Für die etwa 2.000 Krankenhäuser in Deutschland wird dies bis zum März 2021 verpflichtend, für Pflegeheime soll die Anbindung zunächst optional sein und in Modellprojekten getestet werden. Dies gilt auch für weitere Gesundheitsfachberufe wie Hebammen und Physiotherapeuten.
Die Finanzierungsvereinbarungen für die Investitions- und Betriebskosten sollen ähnlich der Vereinbarungen zwischen GKV-Spitzenverband und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) gestaltet werden. Der GKV-Spitzenverband soll die konkreten Pauschalen mit den jeweiligen Berufsgruppen verhandeln.
Die kommenden Anwendungen, die mit der TI möglich sein sollen, spezifiziert das Gesetz nun: So soll die gematik – bei der genau am heutigen Mittwoch die Besitzverhältnisse geändert wurden und nun das BMG 51 Prozent der Anteile hält – bis zum 31. März 2021 die technischen Voraussetzungen schaffen, dass der digitale Impfausweis, den Mutterpass, das Untersuchungsheft für Kinder sowie das Zahn-Bonus-Heft Bestandteil der elektronischen Patientenakte werden. Für Ärzte soll das Anlegen, Verwalten und Speichern der Daten auf der elektronischen Patientenakte (ePa) vergütet werden.
Aus für das Faxgerät
Das Fax als Kommunikationsmittel zwischen Ärzten, aber auch mit Patienten, soll dagegen nur noch sehr gering finanziert werden. Im Gesetz wird der Bewertungsausschuss beauftragt „die Vergütung für die Versendung eines Telefaxes im EBM in zwei Schritten deutlich zu reduzieren, um einen Anreiz für den Einsatz elektronischer Arztbriefe zu setzen“, so der Gesetzesentwurf. Eine von der KBV bereits beschlossene Richtlinie zum elektronischen Arztbrief soll im Zuge dessen umgesetzt werden.
Mit dem Gesetzentwurf will Spahn nun sicherstellen, dass Apps, die als Medizinprodukte deklariert werden, von Ärzten verschrieben und damit von den Krankenkassen erstattet werden. Dazu sollen nach Vorstellungen des BMG Apps gehören, die Patienten bei Diabetes, Bluthochdruck in der Schwangerschaft oder bei psychischen Erkrankungen unterstützen.
Dabei bekommt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Aufgabe zugeteilt, ein „amtliches Verzeichnis erstattungsfähiger digitaler Gesundheitsanwendungen zu führen und auf Antrag der Hersteller über die Aufnahme zu entscheiden“, heißt es in der Gesetzesbegründung. Ähnlich wie bei der Erstattung von neuartigen Arzneimitteln sollen Krankenkassen im ersten Jahr die vom App-Hersteller vorgegebenen Preis erstatten, danach werden Preisverhandlungen aufgenommen. Sofern der „Nachweis positiver Versorgungseffekte“ noch nicht möglich ist, können diese Apps auch befristet in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgenommen werden.
Förderung der Videosprechstunde und von S3-Leitlinien
Auch die Videosprechstunde will das BMG weiter fördern: Ein Jahr nach dem Beschluss des 121. Deutschen Ärztetages zur ausschließlichen Fernbehandlung in Erfurt heißt es im künftigen Gesetz, dass Ärztinnen und Ärzte auch auf ihrer Internetseite informieren dürfen, dass sie Videosprechstunden anbieten. Dem steht bislang das Heilmittelwerbegesetz entgegen. Auch der Austausch zwischen Ärzten per Telekonsil soll gefördert und in den ersten zwei Jahren auch für Krankenhäuser extrabudgetär vergütet werden.
Damit auch Krankenkassen Einfluss auf den Markt der digitalen Angebote bekommen, sollen sie künftig in Start-ups und kleinere Unternehmen investieren dürfen. Damit verspricht sich das BMG, dass „möglichst versorgungsnahe und bedarfsrechte Entwicklungen von Innovationen gewährleistet werden.“ Die Förderhöchstgrenze liegt bei zwei Prozent der Finanzreserven der jeweiligen Krankenkasse.
Teil des Gesetzes ist auch die Fortführung des Innovationsfonds bis zum Jahr 2024. Wie bereits im Koalitionsvertrag vorgesehen, sollen hier weitere 200 Millionen Euro in die Erforschung neuer Versorgungsformen und in die Versorgungsforschung fließen. Neu ist, dass mit fünf Millionen Euro künftig auch die Erarbeitung von S3-Leitlinien gefördert werden kann.
Lob und Warnungen
Die Vorlage des Gesetzesentwurf stieß bei Krankenkassen auf Zustimmung. So erklärte die Techniker Krankenkasse (TK), dass mit dem Gesetz die „entscheidenden „Weichen“ gestellt werden, dass „die elektronische Patientenakte in Zukunft ein zentrales Tool für das Gesundheitsmanagement der Patienten“ sein wird. TK-Chef Jens Baas erklärte weiter: „Das Gesetz ist ein Schritt nach vorn, dass zukünftig auch alle anderen Leistungserbringer wie Krankenhäuser, Apotheken, Therapeuten, Pflegeeinrichtungen oder Hebammen neben den Ärzten an die Telematikinfrastruktur angeschlossen werden.“
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Auch die DAK sieht das Gesetz positiv: „Der Entwurf setzt hier richtige Akzente, da er gesetzlichen Krankenkassen mehr Möglichkeiten für die Neu- und Weiterentwicklung von digitalen Versorgungsangeboten für ihre Versicherten einräumt“, erklärte der DAK-Vorstandsvorsitzende Andreas Storm.
Die KBV äußerte sich in einer ersten Stellungnahme zwar „grundsätzlich offen und positiv“. Der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen warnte aber: „Die Digitalisierung muss die Arbeit der Praxen erleichtern und darf weder für zusätzliche Verunsicherung noch für ein Mehr an Arbeitsaufwand sorgen.“ Auch forderte er klare Regeln für die Verschreibung von Apps. „Der einzelne Arzt darf sich nicht mit einer Flut verschiedener App-Produkte beschäftigen und genau wissen müssen, welche Krankenkasse welche Anwendung erstattet.“
Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause in das Bundeskabinett eingebracht werden. Ab Herbst kann es dann wahrscheinlich im Bundestag beraten werden. Die Oppositionspolitikerin Maria Klein-Schmeink (Grüne) sieht das Gesetz nicht so überschwänglich: „Jens Spahn gleicht bei der Digitalisierung einem schlechten Koch.“ Sie bemängelt in einer Pressemitteilung, dass es weiterhin an einer Strategie für die Digitalisierung im Gesundheitswesen fehle.
Für den CDU-Digitalexperten Tino Sorge ist das Gesetz eine „Erfrischungskur“. Seiner Meinung nach könne das BMG aber „noch einen Gang hochschalten“ und weitere fortschrittliche Regelungen im Gesetz aufführen. „Sonst werden wir in wenigen Jahren auf andere Länder schauen, die uns in der datengestützten Medizin abgehängt haben.“
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Skandal digital
Wo fängt eigentlich staatliche Erpressung nach StGB § 253 an?
Zählt dazu der angedrohte Honorarabzug?
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