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Politik

Zwei Modelle könnten Potenzial des Belegarztwesens heben

Dienstag, 21. Mai 2019

/Gorodenkoff, stockadobecom

Berlin – Zwei Modelle zur Verbesserung der belegärztlichen Versorgung hat der Ge­sundheitsökonom Jürgen Wasem heute beim Sicherstellungskongress der Kassen­ärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Berlin vorgestellt. „Das Belegarztwesen hat Potenzial“, sagte Wasem vor Teilnehmern. Es lohne sich, diese Versorgungsform weiterzuentwickeln.

Die belegärztliche Versorgung sei eine der ältesten sektorenübergreifenden Versor­gungsformen mit den klassischen Vorteilen der Vermeidung von Informationsverlusten und von unnötigen Doppeluntersuchungen, erklärte Wasem. Dennoch sinke die Zahl der Belegärzte seit Jahren stetig.

Waren Wasem zufolge im Jahr 2007 noch 5.982 Mediziner als Belegärzte tätig, seien es 2016 nur noch 4.906 gewesen. Die Zahl der belegärztlichen Behandlungen von ge­setzlich kranken­ver­sicherten Patienten habe sich in den vergangenen zehn Jahren nahezu halbiert.

Vor diesem Hintergrund hatte die KBV den Lehrstuhl für Medizinmanagement der Uni­versität Duisburg-Essen, den Wasem leitet, und das Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement beauftragt, eine Bestandsaufnahme des Belegarztwesens zu erstellen und dessen Entwicklungspotenzial aufzuzeigen.

Immer mehr Erkrankungen werden ambulant behandelt

Als Gründe für den Rückgang der belegärztlichen Versorgung nennen die Wissen­schaft­ler in ihrem Gutachten insbesondere den zunehmenden Trend zur ambulanten Behandlung sowie die Konkurrenz durch andere Versorgungsformen wie beispiels­weise die Beschäftigung von Honorarärzten in den Krankenhäusern.

Außerdem sei das Tätigkeitsspektrum der Belegärzte eingeschränkt. Sie dürften neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, wie im ambulanten Versorgungsbereich üblich, nur dann erbringen und abrechnen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss dies ausdrücklich genehmigt habe (Erlaubnisvorbehalt).

Die Krankenhäuser hingegen könnten neue Methoden stets dann anwenden, wenn der G-BA dies nicht ausdrücklich verboten habe (Verbotsvorbehalt). Viele Belegärzte kritisierten zudem ihr Honorar als zu gering.

Wasem führte als Grund für die sinkende Zahl der Belegärzte aber auch veränderte Vorstellungen der jungen Generation von einer ausgewogenen Work-Life-Balance an. So müssten die Belegärzte zusätzlich zur Arbeit in der Praxis am Krankenhaus prä­sent sein und für ihre dort behandelten Patienten im Notfall bereitstehen.

Doch auch für die Krankenhäuser berge das derzeitige Vergütungssystem Nachteile, erklärte Wasem. Sie erhielten für ihre Belegabteilungen um rund 20 bis 30 Prozent niedrigere Fallpauschalen im System der diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG) als für ihre Hauptabteilungen. Das schaffe einen Anreiz, auf andere Kooperationsformen auszuweichen, wie zum Beispiel auf Honorarärzte oder eine Teilanstellung von nieder­gelassenen Ärzten.

Mehr Geld für die Krankenhäuser

Vor dem Hintergrund dieser Analyse haben die Wissenschaftler zwei Modelle ausge­arbeitet, die Wasem zufolge beide das Potenzial haben, das Belegarztwesen weiter­zu­­ent­wickeln.

Ein liberales Modell sehe keine Zulassungsbeschränkungen zur belegärztlichen Ver­sorgung vor. Der Facharztstatus sei ausreichend. Zudem solle nach Ansicht der Wissenschaftler der Erlaubnis- durch einen Verbotsvorhalt für Belegärzte ersetzt wer­den. Das mache die ärztliche Tätigkeit attraktiver, weil moderne Behandlungsmetho­den unverzüglich angewendet werden könnten.

Insbesondere für die Krankenhäuser müsse sich auch die Vergütungssituation ver­bessern. Künftig solle es einheitlich kalkulierte Fallpauschalen für Haupt- und Beleg­ab­teilungen geben. Die Vergütung der belegärztlichen Leistungen sollten die Kran­kenhäuser direkt mit den Belegärzten vereinbaren.

Ein reguliertes Modell sieht dagegen größere Steuerungsmöglichkeiten vor. Danach soll der erweiterte Landesausschuss künftig über die Zulassung zur belegärztlichen Versorgung entscheiden. Außerdem sollen regelhaft nur Kooperationen von drei Ärzten gleicher Fachrichtung zulässig sein, um die Patientenversorgung rund um die Uhr sicherzustellen. Auch im regulierten Modell sollen der Verbotsvorbehalt eingeführt und einheitliche Fallpauschalen kalkuliert werden. Allerdings bestimmt hier das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus die Höhe der belegärztlichen Vergütung.

„Beide Modelle setzen Anreize für eine Steigerung der Versorgungsqualität und eine Weiterentwicklung des Belegarztwesens“, sagte Wasem. Sie schlössen sich nicht ge­genseitig aus, sondern zeigten das Spektrum möglicher Reformansätze auf. Denn eine bessere sektorenübergreifende Versorgung verspreche mehr Wirtschaftlichkeit für das Gesundheitssystem und eine bessere Arbeitszufriedenheit der Ärzte.

Gutachten darf nicht in der Schublade verschwinden

Das habe auch die Politik erkannt, sagte Andreas Schneider, Vorsitzender des Bun­des­verbandes der Belegärzte. Doch passiert sei bisher nichts. Über den Innovations­fonds würden Modellprojekte für innovative Versorgungsformen mit 300 Millionen Euro jährlich gefördert. Doch statt zu einer besseren Integration der Sektoren führten sie zu „additiven dritten Versorgungssystemen“, kritisierte Schneider.

Dabei gebe es mit dem Belegarztwesen die gewünschte idealtypische Versorgung aus einer Hand. Es sei nur schwer nachvollziehbar, dass die belegärztliche Versorgung vielen als überholt gelte.

Wie Schneider betonte, entsprechen die von den Wissenschaftlern um Wasem ent­wi­ckelten Modelle in vielen Punkten den Forderungen des Berufsverbandes. So verlangt auch er, dass die Rahmenbedingungen des Belegarztwesens denen von Hauptabtei­lungen in den Krankenhäusern angeglichen werden samt einer leistungsgerechten Honorierung für Belegärzte und Kliniken. „Das Wasem-Gutachten darf nicht in der Schublade verschwinden“, forderte Schneider. © HK/aerzteblatt.de

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