Politik
Bessere Bedingungen für Frauen in ehrenamtlichen Gremien gefordert
Dienstag, 11. Juni 2019
Berlin – Mit der Frage, wie mehr Frauen in die Führungsebenen der Spitzenorganisationen des Gesundheitswesens gelangen können, hat sich der Gesundheitsausschuss des Bundestags befasst. Grundlage war ein Antrag der Grünen aus dem Oktober des vergangenen Jahres. Die Expertinnen und Experten diskutierten im Ausschuss auch über die Gründe für wenig Frauenbeteiligung in Gremien und darüber, ob Quoten eine gesetzgeberische Möglichkeit sein sollte.
Die Vorsitzende der KV Schleswig-Holstein, Monika Schlifke, stellte für den vertragsärztlichen Bereich zwei verschiedene Ebenen dar: So sei die Quote von Führungsjobs in der Verwaltung der Kassenärztlichen Vereinigung auf der Ebene der Abteilungsleiter fast paritätisch. Auch setze die KV als Arbeitgeber auf Förderung von Frauen in verschiedenen Hierarchieebenen.
Anders bei den ehrenamtlichen Gremien der Vertragsärzte: „Hier ist es oft für Frauen schwierig, die Gremienarbeit mit dem Beruf als Ärztin sowie mit der Familie zu verbinden“, erläutert Schlifke. Die Sitzungszeiten der KV-Gremien seien mit den Abendstunden sowie am Mittwochnachmittag nicht immer familienfreundlich. Als beste Möglichkeit, auch jüngere Frauen für das Engagement zu gewinnen, sieht sie die „persönliche Ansprache.“In Gremien der Selbstverwaltung hält Schlifke die Umsetzung einer Quote für eher schwierig, bei der KV-Verwaltung sei dies aber möglich.
Katherine Grabolle von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) geht davon aus, dass sich der Anteil der Ärztinnen weiter erhöhen wird und dies dazu führt, dass sich auch mehr Frauen berufspolitisch engagieren und in den Führungspositionen des Gesundheitswesens vertreten sein werden.
Mehr Ärztinnen in Kammergremien
Im Bereich der Ärztekammern habe es in den vergangenen Jahren eine deutliche Steigerung von Ärztinnen in den Gremien gegeben, berichtet Annette Güntert, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Bundesärztekammer. Und im Vergleich zum Zeitpunkt der parlamentarischen Anfrage der Grünen-Abgeordneten Kristin Kappert-Gonther habe sich die Zahl der Frauen in den ärztlichen Vorständen noch einmal erhöht.
Bei den Kammerwahlen, deren Ergebnisse für 2019 bekannt wurden, seien besonders in Baden-Württemberg die Quoten deutlich erhöht. So seien vor der Wahl neun Prozent Frauen in den Vorständen vertreten gewesen, nach der Wahl 36 Prozent. Vor allem in der Bezirksärztekammer Nordbaden habe man inzwischen Parität erreicht.
Auch nach der Wahl in der Landesärztekammer Berlin sei der Anteil der Frauen deutlich von 20 Prozent auf 45 Prozent im Spitzengremium erhöht. Ähnliches auch bei der Landesärztekammer Thüringen sowie Schleswig-Holstein, die beide nun 43 Prozent Ärztinnen im Vorstand haben.
In den meisten Kammern sei „die Luft nach oben extrem offen“, sagte Güntert. Viele Kammern hätten nach der Anfrage der Grünen begonnen, „effektive Maßnahmen“ zu ergreifen, wie jüngere Ärzten sowie Ärztinnen für die Kammer- und Gremienarbeit gewonnen werden könnten.
Für die haupt- und ehrenamtlichen Gremien der Krankenkassen erklärte die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbands Doris Pfeiffer, dass es im ehrenamtlichen Verwaltungsrat einen Frauenanteil von 15,4 Prozent gebe. „Das ist kein Zufall, da das Ehrenamt oft ein Zeitproblem für viele Beteiligte ist.“
Im Vorstanddes Krankenkassenverbandes gebe es ab dem 1. Juli mit Stefanie Stoff-Ahnis eine zweite Frau, soPfeiffer. In der zweiten Führungsebene unterhalb des Vorstandes seien von 14 Führungskräften drei Frauen, was einem Anteil von 21,3 Prozent entspreche. „Wir sind auf einem guten Weg, aber das kann noch besser werden“, sagte sie.
Im Verband würden Stellenbesetzungen nach dem Bundesgleichstellungsplan behandelt, erklärte Pfeifer. Außerdem habe der Verband ein Eltern-Kind-Arbeitszimmer für Betretungsnotfälle eingerichtet. Pfeifer machte deutlich, dass das Thema Vereinbarkeit auch bei jungen Männer ein wichtiges Thema werde.
Strukturkorrekturen notwendig
Für strukturelle Änderungen für Frauen in der ehrenamtlichen Gremienarbeit plädierte Barbara König von der Gewerkschaft Verdi. Frauen stellten sich für ehrenamtliche Tätigkeiten in vielen berufsbezogenen Gremien nicht zur Verfügung, da oft das Zeitbudget dafür fehle. Daher forderte sie eine Pflicht zur Freistellung durch den Arbeitgeber. Sie zeigte sich überzeugt, dass dadurch mehr Frauen für die Tätigkeit gewonnen werden könnten.
Dem schloss sich auch Anke Lesinski-Schiedat, ärztliche Leiterin am Deutschen Hörzentrum in Hannover an der Medizinsichen Hochschule, an. Die Freistellung könne auch in anderen Berufen an beispielsweisedas Schöffenrecht angepasst werden. Die ehrenamtlichen Richter müssten ebenfalls von ihren Arbeitgebern für die Mitwirkung am Gericht freigestellt werden. „Wir brauchen diesen nächsten Schritt der Ärztinnen in die nächste Ebene. Und dafür braucht es eine frühe Karriereplanung, mehr Mentoringprogramme und Vorbilder“, so Lesinski-Schiedat, die auch die erste Landesvorsitzende des Hartmannbundes Niedersachsen ist.
Diese Rahmenbedingungen sollten verstärkt in den Blick genommen werden, dafür plädierte auch der Einzelsachverständige Winfried Kluth, Professor für Öffentliches Recht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er forderte aber auch dazu auf, die thematischen Zusammenhänge und Notwendigkeiten, warum mehr Frauen in den Gremien vorhanden sein sollten, deutlicher herauszustellen.
Dazu müsse es mehr empirische Untersuchungen geben, „welche Themen dann wirklich spezifisch Frauen interessieren“. Dies müsse vor allem bei der Diskussion um Quoten besser definiert werden, hier sieht Kluth eine argumentatorische Lücke: „Ist der weibliche Blick auf Sachverhalte ein sachlicher Grund, ein Quorum anzulegen?“, fragte der Rechtswissenschaftler und beantwortete seine Frage mit: „Diese Art der Ausgestaltung ist nicht tragfähig.“
Eine Ergebnisfrage
Demgegenüber erklärte die Einzelsachverständige Antje Kapinsky von dem Bündnis Spitzenfrauen Gesundheit, es bestehe dringender Handlungsbedarf, mehr Frauen in die Gremien zu entsenden. In Krankenhäusern und Arztpraxen, bei Krankenkassen und Institutionenseien Frauen zahlenmäßig stark vertreten, jedoch würden Führungspositionen in den Organisationen und Gremien des Gesundheitswesens überwiegend von Männern besetzt.
In wissenschaftlichen Studien werde der Zusammenhang zwischen dem Frauenanteil in entscheidenden Positionen und den medizinischen Entscheidungen klar belegt. Eine stärkere Beteiligung von Frauen führe zu signifikant besseren Ergebnissen.
Zu den besseren Ergebnissen gehörten auch die Erkenntnisse aus der Gendermedizin, erklärte Christiane Groß, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, in der Anhörung. „Frauen und Männer werden anders behandelt, und Frauen undMänner sind anders in der Versorgung.“
Kritisch merkte die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag, an, dass die Deutsche Krankenhausgesellschaft ihre Teilnahme an der Anhörung abgesagt habe. Sie verstehe die Anwesenheit der anderen Organisationen als Wertschätzung für das Thema.
Inwieweit die Anhörung der Grünenfraktion in die weitere Gesetzgebung aufgenommen wird, blieb nach der Anhörung unklar. Im Referentenentwurf zum Faire-Kassenwahl-Gesetz ist ein Passus zu einer paritätischen Besetzung des GKV-Verwaltungsrates enthalten. © bee/aerzteblatt.de

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