Politik
Jeder Siebte hat laut NAKO-Studie Erfahrung mit Depressionen
Mittwoch, 26. Juni 2019
Berlin – Etwa jeder siebte Bundesbürger, der bei Deutschlands großer Gesundheitsstudie NAKO mitmacht, war schon einmal wegen einer Depression beim Arzt. Das ist eines der ersten Zwischenergebnisse der Langzeitbevölkerungsstudie, die heute in Berlin vorgestellt wurde.
Nach ersten Ergebnissen einer Stichprobe von 100.000 Studienteilnehmern berichteten 15 Prozent darüber, bereits die Diagnose einer Depression erhalten zu haben. Unter ihnen sind 68 Prozent Frauen.
„Die ersten Ergebnisse der NAKO-Studie bestätigen, dass Depressionen eine häufige Erkrankung sind“, sagte Ulrich Hegerl, Vorstandschef der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Das hätten vorher schon andere große deutsche Gesundheitsstudien in einer ähnlichen Größenordnung ergeben.
Das heiße aber nicht, dass die Erkrankungszahlen steigen. Menschen holten sich heute mehr Hilfe und Ärzte würden Depressionen besser. „Die Krankheit ist vielen bewusster geworden“, ergänzte er. Sie sei nur lange versteckter gewesen als andere Beschwerden. Und es bleibe noch viel an Aufklärung zu tun.
Die NAKO-Vorstandsvorsitzende Annette Peters bestätigte, dass diese Häufigkeit bei Depressionen zu erwarten war. „Anhand der Studie sieht man aber, wie groß das Problem ist.“ Von 100.000 Befragten gaben 10.282 Frauen und 4.881 Männer an, in der Vergangenheit schon einmal die Diagnose Depression erhalten zu haben.
Herzkrankheiten keine Männersache
Die Studie zeige auch, dass Herzkrankheiten keine Männersache sind, sondern auch Frauen selbst in jungem und mittlerem Alter betreffen können, sagte Peters. Herzinfarkte wurden der Analyse zufolge bei Männern (3,5 Prozent) häufiger diagnostiziert als bei Frauen (0,8 Prozent). Eine Herzrhythmusstörung wurde dagegen bei Männern (10,1 Prozent) und Frauen (10,4 Prozent) ähnlich häufig diagnostiziert.
Weitere Ergebnisse: 66,6 Prozent der Männer und 46,2 Prozent der Frauen hatten im Jahr vor der Untersuchung keine Kopfschmerzen. 9,4 Prozent der Frauen und 2,2 Prozent der Männer erfüllten die Kriterien für Migräne. Und viele Menschen fühlen sich nachts von Verkehrslärm gestört. Laut Studie nervte dieser Lärm bei geöffnetem Fenster mehr als ein Viertel der Befragten (27 Prozent) ein bisschen, weitere zehn Prozent fühlten sich stark oder sehr stark gestört.
NAKO steht für Nationale Kohorte. Die Gesundheitsstudie mit Erwachsenen zwischen 20 und 69 Jahren ist nach Angaben der Organisatoren die größte Untersuchung ihrer Art in Deutschland. Sie startete 2014 und soll mit 200.000 zufällig ausgewählten Teilnehmern rund 20 bis 30 Jahre laufen. Ergebnisse liegen bisher nur für die ersten 100.000 Teilnehmer vor. Die schon angelaufene Folgeuntersuchung soll Ende 2022 abgeschlossen sein.
Die NAKO-Forscher wollen in der auf 20 bis 30 Jahre angelegten Studie völlig neue Erkenntnisse über Volkskrankheiten wie Krebs, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gewinnen. Auch Vorbeugung und Früherkennung sollen verbessert werden, ebenso Erkenntnisse über das Zusammenspiel von Genen und Umwelt.
Deutschlandweit messen Wissenschaftler an 18 Studienzentren im Rahmen der Studie beispielsweise den Blutdruck, überprüfen die Lungenfunktion und führen Ultraschalluntersuchungen durch. Rund 30.000 Teilnehmet erhalten zusätzlich eine Ganzkörper-Magnetresonanztomographie (MRT)-Untersuchung. Zudem sammeln die Forscher Bioproben wie etwa Blut und Urin und befragen die Teilnehmenden ausführlich zu Lebensumständen, Lebensweise und Gesundheitsverhalten.
Das Bundesforschungsministerium, 13 Bundesländer und die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren finanzieren die NAKO Gesundheitsstudie von 2013 bis 2023 mit 256 Millionen Euro. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) sagte dazu, vom Datenschatz dieser Gesundheitsstudie würden noch viele Generationen profitieren. Der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, Otmar Wiestler, betonte, mit der Studie habe die Gesundheitsforschung in Deutschland eine einzigartige Grundlage für die präventive Medizin geschaffen.
Zum weiteren Vorgehen sagte die NAKO-Vorstandsvorsitzende Peters, man könne weiterhin alle beteiligten Personen untersuchen. Das wäre aber sehr teuer. „Ich denke eher, dass man gewisse Gruppen heraussuchen oder unterschiedliche Schwerpunkt-Cluster bilden wird.“ Die mit großem Aufwand erhobenen Bioproben könnten in der Zukunft durch völlig neue Methoden „zu neuen Erkenntnissen führen, von denen wir noch überhaupt keine Ahnung haben“. © kna/dpa/aerzteblatt.de

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