Politik
Kaum Jobchancen für Schwerbehinderte und gesundheitlich eingeschränkte Arbeitslose
Mittwoch, 3. Juli 2019
Stuttgart – Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, hat kritisiert, dass Arbeitgeber zu wenige Schwerbehinderte beschäftigen. Unternehmen könnten sich von der Beschäftigungspflicht nicht freikaufen, sagte er heute in Stuttgart bei einem Festakt. Anlass war das Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland vor rund zehn Jahren.
Baden-Württembergs Sozialminister Manne Lucha (Grüne) bemängelte die niedrige Beschäftigungsquote von Schwerbehinderten in der Landesverwaltung. „Es ist für uns kein Ruhmesblatt, dass wir zum dritten Mal in Folge im Land die Quote von fünf Prozent Beschäftigung für Menschen mit Schwerbehinderung nicht schaffen.“
In Deutschland sind Betriebe mit 20 oder mehr Beschäftigten dazu verpflichtet, fünf Prozent der Arbeitsplätze für Menschen mit Schwerbehinderung bereitzustellen. Tun sie dies nicht, müssen sie eine Abgabe zahlen. Dennoch beschäftigen nach Dusels Angaben etwa ein Viertel der verpflichteten Unternehmen in Deutschland gar keine Schwerbehinderten.
Sollten weitere Kampagnen wirkungslos bleiben, könne er sich mindestens eine Verdopplung der Abgabe für diese Unternehmen vorstellen. Auch die Sprecherin des Sozialverbands VdK Baden-Württemberg, Britta Bühler, hatte eine teilweise Erhöhung der Abgabe gefordert.
Probleme für Langzeitarbeitslose
Der Deutsche Gewerkschaftsbunds (DGB) monierte heute, dass Arbeitslose mit gesundheitlichen Einschränkungen schlechtere Chancen auf spezielle Hilfe haben, wenn sie vom Jobcenter betreut werden. „Der DGB sieht seit längerem Probleme beim Zugang zu Reha-Maßnahmen im Hartz-IV-System“, heißt es in einer DGB-Analyse. Zuerst hatte Zeit Online berichtet.
Demnach ist die Quote der Rehafälle, die nach Krankheit oder Unfall umgeschult werden oder anderweitig spezielle Hilfe bekommen, beim Jobcenter viel geringer als bei den Agenturen für Arbeit. Im Jobcenter werden in der Regel Langzeitarbeitslose betreut. Bei den Agenturen für Arbeit kam laut DGB-Auswertung 2018 im Monatsdurchschnitt auf 26 Arbeitslose einer mit Rehamaßnahme. Bei den Jobcentern, die Arbeitsagenturen und Kommunen gemeinsam betreiben, lag die Quote demnach bei einem von 60, bei den rein kommunal betriebenen Jobcentern sogar nur bei einem von 102.
„Dies legt die Vermutung nahe, dass Rehabedarf bei den Jobcentern nicht umfassend erkannt wird“, heißt es in der Analyse. Das sei auch deswegen problematisch, weil bei Langzeitarbeitslosen vermehrt gesundheitliche Probleme aufträten, die durch eine passende Förderung ausgeglichen werden könnten. Einen Grund dafür nennt der DGB auch: In den örtlichen Agenturen für Arbeit gebe es gesetzlich vorgeschrieben flächendeckend spezialisierte Rehateams.
„Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass es bundesweit gleiche und gute Chancen auf eine berufliche Umorientierung gibt, wenn nach einer längeren Krankheit ein Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Der DGB fordert die gesetzliche Verpflichtung, in jedem Jobcenter spezielle Rehavermittler einzusetzen. „Bislang entscheidet darüber jedes einzelne Jobcenter für sich und freiwillig“, sagte Buntenbach. Gerade für kleine Jobcenter brauche es mehr Unterstützung über ein zentrales Reha-Budget.
Bereits im vergangenen Jahr hatte ein interner Bericht der Bundesagentur für Arbeit (BA) kritisiert, dass Arbeitslose mit dauerhafter gesundheitlicher Einschränkung in Jobcentern zu wenig Hilfe bekommen. Bei der Betreuung der in der Regel behinderten Menschen und ihrer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt handelten die Jobcenter „überwiegend nicht zielführend“, hieß es, Betroffene bekämen oft „nicht die individuell erforderliche Hilfe“. Nun schreibt der DGB, die Situation habe sich seitdem nicht verbessert. Der Unterschied zu den Agenturen für Arbeit bleibe „signifikant“. © dpa/aerzteblatt.de

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