Vermischtes
Mädchen und junge Frauen mit Fluchterfahrungen benötigen mehr Unterstützung
Freitag, 12. Juli 2019
Berlin – In Deutschland existieren zu wenige Schutzstrukturen zur Erholung und Aufarbeitung von Belastungssituationen für Mädchen und junge Frauen, die aus Krisengebieten flüchten mussten. Das zeigt eine neue Untersuchung des Hilfswerkes Save the Children gemeinsam mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
„Viele der Mädchen leben isoliert und haben wenig Zugang zu unterstützenden Angeboten und sozialer Teilhabe“, berichten die Autoren. Die Studie stützt sich auf eine Ressourcen- und Bedarfsanalyse in vier Erstaufnahmeeinrichtungen in Deutschland, zwei in Nordrhein-Westfalen und zwei in Brandenburg. Die Datenerhebung fand zwischen Oktober und Dezember 2018 in allen vier Einrichtungen statt.
Dabei wurden 43 Mädchen, 33 Elternteile und 17 Mitarbeiter über Interviews, Fokusgruppen und Workshops erreicht. Die muttersprachliche Erhebung, Aufbereitung und Analyse der Interviewdaten wurde von einem multikulturellen, psychosozial geschulten Team der Charité durchgeführt.
„Mütter und Kinder auf der Flucht sind unglaublichem Leid ausgesetzt. Zwangsprostitution, Hunger und Tod naher Verwandter müssen aufgearbeitet werden, damit eine Traumafolgestörung verhindert werden und die Integration gelingen kann“, erläuterte Meryam Schouler-Ocak, Professorin für Interkulturelle Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité.
Erste Indikatoren für bestimmte Maßnahmen
Die Ergebnisse der qualitativen Erhebung liefern den Wissenschaftlern zufolge erste Indikatoren dafür, in welchen Bereichen politische Handlungsbedarfe bestehen und wo ein Ausbau psychosozialer – und gendersensibler – Maßnahmen erforderlich ist.
Zentral ist dabei das Thema Bildung: „Das deutliche Defizit bei den Bildungsmöglichkeiten, das sich auch im Mangel an Gendersensibilität sowohl in Bezug auf Inhalte als auch auf die Durchführung von Bildungsangeboten zeigt, ist auch hinsichtlich späterer beruflicher Perspektiven von Mädchen mit Fluchthintergrund äußerst besorgniserregend“, schreiben die Wissenschaftler.
Zweitens sei die Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen aus der Perspektive des Schutzes vor Gewalt und Ausbeutung besonders für Mädchen „sehr bedenklich“. In allen Unterkünften schilderten die Mitarbeiter, dass Kinder nicht ausreichend vor der Konfrontation mit Gewalt und Konflikten geschützt werden könnten.
zum Thema
Beim Thema „körperliches und psychisches Wohlbefinden“ stuften Eltern und Mädchen die medizinische Versorgung häufig als stark verbesserungswürdig ein. Sowohl die zeitnahe Vermittlung an zuständige Stellen als auch zuverlässige Sprachmittlung wurden als Wünsche genannt.
Die junge Mädchen und Frauen verfügen den Autoren zufolge über individuelle Ressourcen, die es zu unterstützen und zu stärken gelte: Kreativität, soziale Einbindung, Selbstwertgefühl und das Erleben von Selbstwirksamkeit förderten die Verarbeitung belastender Erlebnisse und ein generelles Wohlbefinden. In der Analyse benannten die Mädchen selbst kreative, musische, handwerkliche und naturpädagogisch ausgerichtete Angebote als unterstützend und wichtig. © hil/aerzteblatt.de

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