Politik
Pro und Contra: Muss ein Plakatwerbeverbot für Zigaretten auch für E-Zigaretten und Tabakerhitzer gelten?
Freitag, 23. August 2019
Berlin – Nach der Sommerpause könnten sich die Koalitionspartner über ein Verbot von Zigaretten-Außenwerbung einigen und ein verbindliches Kompromisspapier vorlegen. Das berichtete kürzlich das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Bisher ging es im Wesentlichen um das Verbot von Plakatwerbung und eine Einschränkung der Kinowerbung für Tabakprodukte. Ein erster Entwurf, meldete das RND, sehe allerdings Ausnahmen für Produkte abseits der klassischen Zigarette vor. Unklar bleibt, ob und wenn ja, welche Art von E-Zigaretten und Tabakerhitzern von den geplanten Werbeverboten ausgenommen werden könnten.
Ute Mons: E-Zigaretten nur an erwachsene Raucher zu vermarkten, kann für die Hersteller keine zukunftsorientierte Strategie sein.
Das Rauchen konventioneller Zigaretten fordert jährlich rund 120.000 Todesfälle, weshalb Tabakwerbeverbote so umfassend wie möglich sein sollten. Die zwar weniger schädlichen, aber keineswegs harmlosen E-Zigaretten müssen hingegen differenzierter betrachtet und reguliert werden. Einerseits ist ein Außenwerbeverbot ein wichtiger Beitrag zum Jugendschutz. Andererseits sind E-Zigaretten für erwachsene Raucher eine weniger schädliche Alternative zum Zigarettenrauchen und ein möglicher Ausweg aus dem Tabakkonsum. Hierauf fußt auch die Argumentation derjenigen, die sich gegen ein Werbeverbot für E-Zigaretten aussprechen: Plakatwerbung informiere Raucher und Raucherinnen über die im Vergleich zur Tabakzigarette geringeren Gesundheitsrisiken der Produkte.
Ja, es muss eine ausgewogene evidenzbasierte Risikokommunikation zur E-Zigarette geben. Aber kann dies mittels kommerzieller Werbung erfolgen, die naturgemäß eine Vermarktungs- und keine Aufklärungsfunktion hat? Erst kürzlich prangten riesige Werbeplakate für die vom Tabakhersteller Reemtsma vertriebene E-Zigarettenmarke MyBlu im Hamburger Hauptbahnhof – das war keine Aufklärungsaktion, sondern eine reine Lifestylekampagne.
Kein Wunder – E-Zigaretten nur an erwachsene Raucher zu vermarkten, kann für die Hersteller keine zukunftsorientierte Strategie sein; langfristig müssen auch junge Nichtraucher als Neukunden gewonnen werden. Gerade deshalb ist ein Außenwerbeverbot für E-Zigaretten gesundheitspolitisch sinnvoll. Eine ausgewogene, evidenzbasierte Aufklärung für Raucher durch Gesundheitsbehörden allerdings auch. Ein gutes Beispiel hierfür ist Neuseeland. Dort informiert das Gesundheitsministerium im Rahmen seiner Strategie, das Land bis 2025 rauchfrei zu machen, evidenzbasiert über die E-Zigarette.
Dietmar Jazbinsek: Werbung für E-Zigaretten kann beim Rauchstopp helfen.
Wir haben immer noch 16 Millionen Raucher in Deutschland. Würden sie alle auf E-Zigaretten umsteigen, könnten wir die Zahl der Tabaktoten drastisch senken. Doch viele Raucher versuchen es erst gar nicht mit dem Dampfen. So wie die Mehrzahl der übrigen Bundesbürger sind sie der irrigen Ansicht, E-Zigaretten seien genauso schädlich wie Tabak oder sogar schädlicher. Das belegen die Daten des Epidemiologischen Suchtsurveys.
Werbung für E-Zigaretten kann beim Rauchstopp helfen. Das führt gerade der viel gescholtene Hersteller Juul Labs mit einer Plakataktion in deutschen Städten vor: „Raucher? Testen Sie Juul. Kein Teer. Kein Rauch. Keine Asche.“ Daneben das schlichte Foto des Dampfgeräts. In den USA hat die Switchingkampagne von Juul Labs 2018 zu einem spektakulären Einbruch bei den Zigarettenverkäufen geführt.
Selbstverständlich muss man verhindern, dass Werbung Jugendliche zum Nikotinkonsum animiert, so wie das die Be-Marlboro-Kampagne von Philip Morris getan hat. Die beiden Verbände der E-Zigaretten-Branche (Bündnis für tabakfreien Genuss & Verband des E-Zigarettenhandels) haben sich deshalb darauf verständigt, eine unabhängige Prüfstelle einzurichten.
Ihr sollen die Werbemotive vor Veröffentlichung vorgelegt werden, um Verstöße gegen den Jugendschutz auszuschließen. Die Tabakkonzerne lehnen eine solche Prüfstelle ab, darum sollte sie gesetzlich vorgeschrieben werden. Warum das nötig ist, zeigt das Beispiel Reemtsma. Für seine E-Zigaretten-Marke MyBlu wirbt der Konzern gerade mit einem Auftritt des Youtubers Simon Desue. Das Video ist ein Skandal, es richtet sich eindeutig an ein jugendliches Publikum.
Sollten wir E-Zigaretten-Werbung deshalb ganz verbieten? Auf keinen Fall. Denn dann käme der Wettbewerb um die Entwicklung eines möglichst risikoarmen Nikotinprodukts zum Erliegen – und das nutzen nur Zigarettenhersteller wie Reemtsma.
© gie/aerzteblatt.de

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