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Politik

Plastische Chirurgen mahnen stärkere Reglementierung an

Montag, 29. Juli 2019

/xy, stockadobecom

Düsseldorf/Berlin – Nach zwei Todesfällen infolge einer Po-Vergrößerung und staatsan­walt­schaftlichen Ermittlungen gegen einen Arzt in Düsseldorf haben sich 48 Fachärzte für Plastische und Ästhetische Chirurgie mit einem Schreiben an die Bundes- und Lan­des­­politik gewendet, in dem sie Probleme in der ästhetischen Chirurgie beklagen. Die Politik signalisiert, sich damit be­fassen zu wollen.

„Mein Ministerium steht bereits in Kontakt mit der Bezirksregierung Düsseldorf als zu­ständige Approbationsbehörde und der für die Berufsaufsicht zuständigen Ärztekammer Nordrhein“, sagte Karl-Josef Laumann, Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen dem Deutschen Ärzteblatt. Die zuständigen Stellen würden „aktuell mögliche approbations­rechtliche und berufsrechtliche Schritte“ prüfen – und würden Einsicht in die staatsan­waltliche Ermittlungsakte nehmen.

„Aufgrund des laufenden Verfahrens können wir keine abschließende Beurteilung treffen“, sagte Laumann. Er betonte zugleich, dass man das Schreiben der plastischen Chirur­gen „sehr ernst“ nehme. „Hier geht es um die Sicherheit der Patientinnen und Patienten. Des­wegen schauen wir uns diesen Sachverhalt sehr genau an“, so der Minister. Aus dem Bun­desministerium für Gesundheit hieß es auf Nachfrage des Deutschen Ärzte­blattes, man wolle den Brief „prüfen“.

Die zunehmende Nachfrage auch nach immer riskanteren Schönheitsoperationen macht aus Sicht der Ärztekammer Nordrhein (ÄKNO) eine Überprüfung der Rechtslage und damit eine Diskussion über strengere Regulierungen nötig. ÄKNO-Präsident Rudolf Henke kün­digte an, sich an Überlegungen zu Gesetzesänderun­gen sowohl auf Landes-, als auch auf Bundes­ebene zu beteiligen und Vorschläge für mögliche neue Regulierungen zur Dis­kus­sion zu stellen. Die von den plastisch-ästhetischen Chirurgen ausgelöste Debatte be­grüßte er ausdrücklich.

Schreiben frisch bei Ministerien eingegangen

Das Schreiben der 48 plastischen Chirurgen, das Timo Alexander Spanholtz, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie aus Bergisch Gladbach, initiiert hatte, war am ver­gan­genen Freitag bei den Minis­terien eingegangen. Darin mahnen die Experten schärfere Regularien an.

Die Ärzte bemängeln zum Beispiel, dass man die „operative Tätigkeit des betreffenden Kollegen und das Auftreten in der Öffentlichkeit sehr kritisch sehe, da dieser keinerlei chirurgische Facharztausbildung absolviert hat, sondern als Facharzt für Innere Medizin ausgebildet wurde“, heißt es in dem Schreiben an Spahn und Laumann. Dennoch operiere der Arzt im Bereich der ästhetischen Chirurgie. Von der Ärztekammer Nordrhein habe „die­­ser Zustand nicht abgestellt werden“ können.

Lukrativer Markt lockt viele Ärzte an

Die Spezialisten betonten, man bemerke „seit vielen Jahren, dass aus pe­ku­niärer Motiva­tion heraus Heilpraktiker, Hautärzte, Frauenärzte, Zahnärzte und viele andere auch äs­the­tische Verfahren und Operationen anbieten“. Mit dieser Situation sei man „nicht ein­ver­standen“.

„Wie absurd diese Reglung ist, zeigt die Vorstellung, ich als Facharzt für Plastische Chirur­gie würde vor einer Bauchdeckenstraffung in meinem OP-Saal noch rasch eine Geburt oder einen Herzkatheter anbieten, einem Patienten eine Knieprothese implantieren oder eine Spinalkanalpunktion bei einem Kleinkind durch führen“, heißt es in dem Brief weiter. Aus Sicht der Fachärzte sind „ethisch-moralische Grenzen übertreten,  die sich rein aus menschli­cher Logik ergeben. Leider aber nicht aus dem Gesetz und der Berufsordnung“.

Die Fachärzte für ästhetische Chirurgie wünschen sich vom Gesetzgeber „eine kompe­ten­te und weise Regelung“. Zentraler und unumstößlicher Gedanke und Motor einer solchen  Regelung sollte „die sichere und kompetente Behandlung von Menschen sein, die sich ver­trauensvoll in die Hände eines Mediziners begeben mit dem sicheren Gefühl, dass der Be­handlung eine entsprechende Aus-­ und Weiterbildung vorausgegangen ist“.

Hintergrund der Probleme ist nicht zuletzt auch, dass die Regelungen für Selbstzahler­leistungen auf einem freien Markt nicht so strikt geregelt sind, wie etwa die Vorgaben in­nerhalb der gesetzlichen Krankenver­sicherung. Nach gegenwärtigem Recht seien opera­tive kos­metische Behandlungsmaßnahmen keiner einzelnen Facharztgruppe vorbehalten, teilte die ÄKNO mit. Ärzte unterschiedlicher Fachdisziplinen und auch solche ohne Fach­arztstatus dürften derartige Eingriffe unter der Voraussetzung vornehmen, dass sie sie be­herrschten und Facharzt­niveau beziehungsweise Facharztstandard gewährleisten könn­ten.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband weist etwa auf seiner Internetseite darauf hin, dass die meisten ästhetischen Operationen durch plastische Chirurgen, Haut- und Frau­en­ärzte erfolgten. Die Bezeichnung „Schönheitschirurg“ sei nicht gesetzlich geschützt, da es dafür keine öffentlich-rechtliche Qualifikation durch die Ärztekammern gebe. Ärzte, die über eine anerkannte Zusatzqualifikation für ästhetische Operationen verfügten, seien an der Be­zeichnung „Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie" zu erkennen. Doch auch Ärzte ohne diese zusätzliche Qualifikation und ohne geschultes medizinisches Personal könnten ästhetische Operationen übernehmen.

Haftpflichtversicherung als Lösungsidee

Spanholtz betonte auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes, die Freibe­ruflichkeit der Ärzte sei „ein hohes Gut“. Man müsse sich allerdings Fragen, ob bei einer sol­chen Ent­wick­lung wie in der Schönheitschirurgie alles „ungeregelt ohne Leitplanken“ er­laubt sein solle. Er sprach davon, dass sich die Situation in der ästhetischen Chirurgie in den ver­gan­genen Jahren „entfesselt“ habe.

Spanholtz schlägt beispielsweise vor, dass die Grundlage für bestimmte Operationen eine bestehende Haftplicht­ver­sicherung bilden sollte. Haftpflichtversicherer würden in der Regel genau prüfen, wie qualifiziert ein Arzt für eine bestimmte Operation sei. Verstöße könnten an den Entzug der Approbation gekoppelt werden, so Spanholtz.

ÄKNO für Werbeeinschränkungen

ÄKNO-Präsident Henke machte auch darauf aufmerksam, dass ihm die Werbung für Schön­­heitsoperationen Kopfzerbrechen bereitet. „Mit Sorge nehmen wir wahr, wie ,soge­nannte' Schönheitsoperationen in den sozialen Medien beworben und häufig sogar mit Rabatten verbunden werden“, sagte Henke. „Da werden Operationen live auf Plattformen gestellt und der Eindruck erweckt, dass es sich dabei um etwas ähnlich Risikoloses han­delt wie um einen Haarschnitt. Dem ist aber nicht so.“

Henke betonte, ein Teil dieser Eingriffe sei „ziemlich riskant“, und natürlich gebe es auch keinerlei Garantie für ein erwünschtes Ergebnis. „Aus diesem Grund ist es ein wichtiges Ziel, die Reklame für medizinisch nicht indizierte Eingriffe so weit als möglich zu be­schrän­­ken. Flatrates oder andere Rabatte auf ästhetische Behandlungen und Operationen sind sicher falsche Signale vor allem für junge Menschen“, so Henke.

Schließlich wünsche er sich im Sinne des Jugendschutzes, rein ästhetisch motivierte und nicht indizierte Operationen und ästhetische Behandlungen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren zwingend an eine vorherige psychologische Aufklärung zu binden. Die meisten se­riösen Fachärzte für ästhetische und plastische Chirurgie lehnten schon heute Operatio­nen und Behandlungen unter 18 Jahren ab. „Aber verboten sind sie nicht“, so Henke, Ope­rationen seien die falsche Antwort auf die Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen während der Pubertät. © may/aerzteblatt.de

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