Medizin
Französische Transplantationszentren nutzen eher Nieren von älteren Spendern als die USA
Donnerstag, 29. August 2019
Philadelphia – In den Vereinigten Staaten wurden zwischen 2004 und 2014 fast 28.000 Nieren verstorbener Spender entsorgt. Französische Transplantationszentren hätten hingegen mehr als 60 % (etwa 17.500)dieser Nieren transplantiert. Das berichten Forscher der Penn Medicine und der Paris Transplant Group inJAMAInternal Medicine (2019; doi: 10.1001/jamainternmed.2019.2322).
Im analysierten Zeitrahmen von 10 Jahren transplantierten Ärzte in den USA 128.102 von 156.089 NierenverstorbenerOrganspender. Fast 18 % wurden aussortiert. In Frankreich liegt diese Quote mit 9,1 % weit darunter. Denn hier werden Organspenden von älteren Menschen eher akzeptiert als in den USA. Das durchschnittliche Alter von Nierenspendern lag in den USA bei 36,5und in Frankreich bei fast 60 Jahren.
In Deutschland lag das Alter der Nierenspender in den vergangenen 10 Jahren mit im Schnitt 52 und 53 Jahren dazwischen. Der Altersmedian stieg im gleichen Zeitraum leicht an und erreichte im Jahr 2018 erstmals 56 Jahre, teilt die DeutscheStiftung Organtransplantation (DSO) dem Deutschen Ärzteblatt mit(siehe Grafik).
Spanien hat weltweit die höchste Spenderrate pro Million Einwohner (pmp) und transplantiert die meisten Organe (100 pmp). 50 % der Spender in Spanien sind älter als 60 Jahre und mehr als 30 % sind älter als 70 Jahre.
Obwohl das Spenderalter ein Risikofaktor für Organversagen ist, haben Studien gezeigt, dass Nieren von Spendern, die älter als 50 oder 60 Jahre sind, die Lebensdauer von Transplantatkandidaten verlängern können. Insbesondere ältere Empfänger profitieren, deren Anteil in den Vereinigten Staaten weiterhin steigt: Die Zahl der Transplantatempfänger, die älter als 60 Jahre sind, ist von 22 % im Jahr 2004 auf 32 % im Jahr 2017 gestiegen.
„DieErgebnisse verdeutlichen die markanten Unterschiede in der Organakzeptanz zwischen Frankreich und den USA“, sagte Koautor Peter Reese von der Perelman School of Medicine an der University of Pennsylvania. Er ordnet Organe von älteren verstorbenen Spendern als „eine wertvolle, ungenutzte Ressource ein – insbesondere für Menschen auf der Warteliste, die möglicherweise überhaupt keine Transplantation erhalten“.
Die Studienautoren haben ausgerechnet, dass, hätte man die 17.500 Nieren in den USA transplantiert, statt sie auszusortieren, mehr als 130.000 Transplantatlebensjahre daraus resultiert wären. Das wären durchschnittlich 7,4 Lebensjahre pro Patient mit dem transplantierten Organ.
In den Vereinigten Staaten werden jährlich etwa 3.500 gespendete Nieren entsorgt. Jedes Jahr sterben 5.000 Amerikaner, während sie auf eine Nierentransplantation warten.
Ältere Spender für ältere Empfänger
Der Mangel an Organen, die für die Nierentransplantation zur Verfügung stehen, ist ein großes globales Gesundheitsproblem.„In den USA sind die Transplantationszentren tatsächlich sehr zurückhaltend, was die Nutzung älterer Spenderorgane betrifft“, erklärte auch Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der DSO.
Darüber hinaus besteht nach den Richtlinien derBundesärztekammerdie Möglichkeit eines beschleunigten Vermittlungsverfahrens.Axel Rahmel, DSO
Eurotransplant verfolgt hingegenbereits seit fast 20 Jahren den Ansatz „old for old“, um eine effektive Organnutzung zu gewährleisten, die nicht nur das Abgleichen der Daten eines Empfängers beinhaltet. Innerhalb des Eurotransplantverbundes (Frankreich gehört nicht dazu) werden Nieren älterer Spender in erster Linie über das Eurotransplant Senior Program (ESP) an Empfänger vermittelt, die ebenfalls älter als 65 Jahre sind.
„In Deutschland gab es in den vergangenen10 Jahren keine größeren Veränderungen bei der Altersverteilung“, sagte Rahmel. In 2018 habe der Anteil der über 64-jährigen Nierenspender weiter etwas zugenommen und schwanke in dem Beobachtungszeitraum zwischen 26 und 30 % (siehe Grafik).
„Darüber hinaus besteht nach den Richtlinien derBundesärztekammerdie Möglichkeit eines beschleunigten Vermittlungsverfahrens, um den Verlust schwer zu vermittelnder Organe mit erweiterten Spenderkriterien zu verhindern“, so Rahmel.
Auch die USA hat nun nach diesem Modell ein Programm verabschiedet. Im Juli unterzeichnete die Trump-Administration eine Anordnung, um die Nierenversorgung zu verbessern – die Executive Order on Advancing American Kidney Health. Die Implementierung eines beschleunigten Vermittlungsverfahrens (Kidney Accelerated Placement Project – KAPP) sei dabei ein erster Schritt in der Umsetzung, sagte Rahmel.
Unterschiedliche Auswahlkriterien für Spenderorgane
In welchem Ausmaß Länder Spenderorgane aussortieren und entsorgen, variiert stark. Das liegt vor allem an den Auswahlkriterien.In den Vereinigten Staaten orientieren sich Ärzte seit 2012am KDP-Index (kidney donor profile index). Dieser misst die Wahrscheinlichkeit von Transplantatversagen. Organe älterer Spender werden unter anderem auf Grundlage von Biopsien und Strömungsparametern bewertet. Diese Kriterien sind jedoch umstritten.
In Europa orientiert man sich daher eher an Komorbiditäten, die die Gesundheit der Nieren beeinträchtigen, einschließlich Diabetes und Bluthochdruck, heißt es im begleitenden Kommentar zur Studie. Diesen haben 3 Autoren von der Harvard Medical School in Boston und vom Osaka Medical College in Japan verfasst haben.
Die Auswirkung vom ESP wurden 2008 aber in einer Studie in Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Belgien analysiert. Das Ergebnis: ESP sorgt dafür, dass ältere Menschen über 65 Jahre bevorzugt Spendernieren von älteren Spendern erhalten. Das Programm konnte die Wartezeit auf die Transplantation um 5 Monate verkürzten. Die ESP-Patienten überlebten nach der Transplantation ungefähr so lang, wie sie auch an der Dialyse überlebt hätten.
Auch in Spanien erzielte man Erfolge mit Spendern im Alter über 75 Jahren. Das Risiko, zu sterben, halbierte sich nach einem Jahr in allen Altersgruppen im Vergleich zur Dialyse (Hazard Ratio 0,51; 95% Konfidenzintervall: 0,34-0,77) (American Journal of Transplantation 2016).
Vom Transplantationsregister erhofft sich DSO-Vorstand Rahmel weitere Erkenntnisse zur Nutzung von Organen älterer Spender. Dennderzeit gebe es nur wenig verlässliche Daten im Eurotransplant-Verbund zu den Ergebnissen der Transplantation älterer Spender und von Organen mit erweiterten Spenderkriterien.
© gie/aerzteblatt.de
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