Politik
Auch die Krankenkassen wollen Reformen bei der Notfallversorgung
Mittwoch, 28. August 2019
Berlin – Für eine Reform der Notfallversorgung hat sich heute in Berlin der GKV-Spitzenverband ausgesprochen. Dessen Pläne stimmen in großen Teilen mit den Eckpunkten für eine Notfallreform überein, die das Bundesgesundheitsministerium (BMG) – allerdings noch unabgestimmt mit der Hausleitung – Mitte Juli vorgelegt hatte. Große Überschneidungen gibt es auch mit den Vorstellungen des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) und mit denen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
Gemeinsam ist allen Reformmodellen eine bessere Patientensteuerung. Denn, so die Argumentation, zurzeit verstopfen zu viele Patienten mit Bagatellerkrankungen die Notaufnahmen der Krankenhäuser. Gefordert wird deshalb, künftig integrierte Leitstellen zu schaffen, die rund um die Uhr erreichbar sind.
Dabei arbeiten der Rettungsdienst (Rufnummer 112) und der kassenärztliche Bereitschaftsdienst (Rufnummer 116117) zusammen. Medizinisch geschultes Personal schätzt mithilfe eines standardisierten Ersteinschätzungssystems die Dringlichkeit der medizinischen Versorgung des Anrufers ein und verweist ihn an die angemessene Versorgungsebene.
Das kann eine Arztpraxis zu den regulären Öffnungszeiten, eine Bereitschaftsdienstpraxis, die Notaufnahme eines Krankenhauses sein – oder es wird ein Rettungswagen alarmiert. Im Fall eines Rettungseinsatzes sollen künftig nach dem Willen des GKV-Spitzenverbandes nur noch solche Krankenhäuser angesteuert werden, die für eine Notfallversorgung personell und technisch angemessen ausgestattet sind.
Rettungswesen soll ins Gesundheitssystem eingegliedert werden
Wie das BMG – und im Übrigen auch der SVR – fordern auch die Kassen, das Rettungswesen in das Gesundheitssystem zu integrieren. Noch sind die Innenministerien der Länder zuständig, weil es unter die Gefahrenabwehr fällt.
Zurzeit gebe es bundesweit rund 250 Rettungsleitstellen in unterschiedlicher Trägerstruktur, erklärte Wulf-Dietrich Leber, Abteilungsleiter Krankenhäuser des GKV-Spitzenverbandes. Bundesweite Standards wie eine einheitliche Software, über die Rettungsdienste und Krankenhäuser kommunizieren könnten, fehlten.
Die Eingliederung des Rettungswesens in den Regelungsbereich des Sozialgesetzbuches V (SGB V) habe zudem den Vorteil, dass dessen Leistungen auch vergütet werden könnten. Zurzeit seien Rettungsfahrten nur dann abrechenbar, wenn sich medizinische Leistungen anschließen. Das setze Fehlanreize.
Die Kassen unterstützten deshalb den Vorstoß aus dem BMG, in diesem Punkt das Grundgesetz zu ändern. „Künftig besteht dann kein Anlass mehr, Patienten mit leichten Problemen ins Krankenhaus zu bringen, nur damit der Einsatz des Rettungsdienstes bezahlt wird“, bekräftigte Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes. Zudem würde der Rettungsdienst dann in den Zuständigkeitsbereich des Gemeinsamen Bundesausschusses fallen und müsste sich an dessen Vorgaben zur Notfallversorgung halten.
KVen sollen weiterhin die ambulante Notfallversorgung sicherstellen
Zwar befürworten auch die Krankenkassen einen gemeinsamen Tresen an zur Notfallversorgung zugelassenen Krankenhäusern, von wo aus die Patienten – wie am Telefon – nach einer standardisierten Ersteinschätzung in die angemessene Versorgungsebene geleitet werden. Anders als das BMG wollen sie aber keine separate Einrichtung schaffen, die von Krankenhäusern und Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) gemeinsam getragen wird.
Ein dritter Sektor mit eigenen Abrechnungsregeln und Strukturen sei nicht praktikabel, meinte Torsten Fürstenberg, Abteilungsleiter Ambulante Versorgung beim GKV-Spitzenverband. Besser sei es, einen gemeinsamen Tresen einzurichten, der von Personal aus dem niedergelassenen und dem stationären Sektor gemeinsam besetzt werde. Das könnten KVen und Krankenhäuser vertraglich regeln. Behandelt würden die Patienten nach der Ersteinschätzung dann entweder ambulant in der Bereitschaftsdienstpraxis oder stationär im Krankenhaus.
Fürstenberg sprach sich in dem Zusammenhang dafür aus, den Sicherstellungsauftrag für die ambulante Notfallversorgung bei den KVen zu belassen. „Da gehört er hin. Das sind ambulante Behandlungsfälle“, sagte der Abteilungsleiter. Das BMG hatte dagegen vorgeschlagen, die Sicherstellung für die Notfallversorgung den Ländern zu übertragen.
BÄK und KBV kritisieren Überlegungen zum Sicherstellungsauftrag in der Notfallversorgung
Berlin – Der im Juli vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorgestellte Diskussionsentwurf für eine Reform der Notfallversorgung muss aus Sicht von Bundesärztekammer (BÄK) und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) in einigen Punkten nachgebessert werden. Das gilt vor allem für den Sicherstellungsauftrag, wie BÄK-Präsident Klaus Reinhardt und der stellvertretende Vorsitzende der KBV, Stephan Hofmeister [...]
Gegen diese Pläne hatten sich gestern bereits der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, und KBV-Vorstand Stephan Hofmeister ausgesprochen. „Wir sind der festen Überzeugung, dass ein eigentlicher dritter Sektor, der über das Wesen einer gesonderten Finanzierung hinausgeht, weder erforderlich noch zweckmäßig ist“, sagte Hofmeister.
Reinhardt hatte davor gewarnt, den Sicherstellungauftrag für die Notfallversorgung auf die Bundesländer zu übertragen. „Eine solche Abkehr von den bislang klar geregelten Verantwortlichkeiten bringt für die Patienten keinerlei Vorteile, birgt aber unkalkulierbare Risiken für die Versorgung“, sagte der BÄK-Präsident.
Krankenhäuser wollen ambulante Notfallversorgung organisieren
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht dagegen die Verantwortung für die ambulante Notfallversorgung in erster Linie bei den Krankenhäusern. Diese tragen nach Ansicht von deren Hauptgeschäftsführer Georg Baum die Hauptlast der Versorgung. „Für die Steuerung der im Krankenhaus ankommenden Patienten reicht ein Tresen in der Verantwortung des Krankenhauses vollkommen aus“, sagte er. „Die Krankenhäuser stehen bereit, um gemeinsam mit den Ländern die Notfallversorgung zu organisieren.“
Dabei sei die Mitwirkung von niedergelassenen Ärzten auf Vertragsbasis ausdrücklich gewünscht. Die KVen brauche man dafür hingegen nicht. Der vom BMG vorgesehene gemeinsame Betrieb von Integrierten Notfallzentren schaffe nur unproduktive neue Schnittstellen. Baum erklärte, die DKG vermisse im Reformkonzept der Krankenkassen eine deutliche Aufstockung der Mittel für die ambulante Notfallversorgung. Den Krankenhäusern entstehe dadurch zurzeit ein Defizit von mehr als einer Milliarde Euro jährlich. © HK/aerzteblatt.de

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