Politik
G-BA soll verbindliche Personalmindestvorgaben für psychiatrische Krankenhäuser vorlegen
Dienstag, 10. September 2019
Berlin – Am 19. September will der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) über die künftigen Vorgaben für die Personalausstattung in Psychiatrien entscheiden. Die Befürchtungen, dass das Ergebnis nicht im Sinne von Patienten, Ärzten, Psychotherapeuten und Pflegern sein könnte, werden lauter.
Landespsychotherapeutenkammern, Landespflegekammern, die Gewerkschaft ver.di ebenso wie zuvor schon die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) zusammen mit einer Vielzahl von Berufs- und Fachverbänden sehen die Versorgung in psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern gefährdet, sollten keine verbindlichen Personalmindestvorgaben für Pflege und Psychotherapie vorgelegt werden.
Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG) von 2016 wurde der G-BA beauftragt, bis zum 30. September 2019 eine Richtlinie für Mindestvorgaben zur Personalausstattung in psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern zu erstellen, die zu einer „qualitativ hochstehenden und leitliniengerechten Versorgung beitragen sollen“.
Notwendig ist dies, weil die noch geltende Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) von 1991 die aktuellen medizinischen, rechtlichen und ethischen Standards nicht mehr berücksichtigt. Die Psych-PV soll zum 1. Januar 2020 durch die Personalmindestvorgaben des G-BA abgelöst werden.
Krankenkassen wollen Personaluntergrenze
Bereits im Juni hat die DGPPN gemeinsam mit medizinisch-wissenschaftlichen Fachverbänden, Klinik- und Berufsverbänden sowie Verbänden der Selbsthilfe und der Angehörigen die Position des GKV-Spitzenverbandes kritisiert, die dieser im laufenden G-BA-Stellungnahmeverfahren veröffentlicht hatte.
Die Verbände interpretieren das Positionspapier so, dass die Psych-PV quantitativ und strukturell unverändert in eine Personaluntergrenze überführt werden solle, bei deren Unterschreitung ein rigides Sanktionssystem greifen werde. Die Krankenhäuser sollen danach die Einhaltung der Untergrenzen pro Berufsgruppe, Station und Woche nachweisen, sonst würden bereits erbrachte Leistungen nicht bezahlt.
„Sollten diese Vorschläge Realität werden, wäre die flächendeckende Krankenhausversorgung in Psychiatrie und Psychosomatik ernsthaft bedroht“, schreiben DGPPN und die Verbände. Sie fordern, dass die Richtlinie des G-BA eine leitliniengerechte Versorgung in den betroffenen Kliniken garantieren kann.
Statt „Personaluntergrenzen“ soll die Richtlinie „Personalmindestvorgaben“, die sich an der Versorgungsqualität und an einer Gewährleistung der Patientensicherheit ausrichten, vorgeben. Die Psych-PV könne zwar übergangsweise als Grundlage der neuen Personalmindestvorgaben dienen, die Personalausstattung müsse aber sofort strukturell angepasst und quantitativ erhöht werden.
Übergriffe und Zwangsmaßnahmen wegen zu wenig Zeit
Die Gewerkschaft ver.di spricht sich für eine deutliche Personalaufstockung in psychiatrischen Kliniken beziehungsweise eine Verbesserung der Psych-PV in eine „Psych-PVplus“ aus.
Die Ergebnisse des „Versorgungsbarometer Psychiatrie“, für das ver.di im Juli und August 2.330 Psychiatrie-Beschäftige aus 168 Krankenhäusern befragen konnte, zeigen, dass Pfleger, Ärzte und Therapeuten zu wenig Zeit für ihre Patienten haben. In der Folge komme es regelmäßig zu Übergriffen auf Beschäftigte und zu Zwangsmaßnahmen gegen Patienten, die bei mehr Personal vermeidbar gewesen wären, so die Befragten.
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Der Präsident der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer (OPK), Gregor Peikert, wendet sich in einem Appell an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), für eine ausreichende psychotherapeutische Versorgung in psychiatrischen Kliniken einzutreten. Sollte der G-BA die 30 Jahre alte Psychiatrie-Personalverordnung kaum verändert fortschreiben, so sei dies aus fachlicher Sicht „ein skandalöser Rückschritt“.
Nach der Psych-PV werde auf mehr als 80 Patienten der Regelbehandlung in der allgemeinen Psychiatrie nur eine Stelle für einen „Diplom-Psychologen“ von der GKV finanziert. Dies seien 29 Minuten pro Patient pro Woche. Ärzte könnten die notwendigen Psychotherapien oftmals aus Zeitmangel nicht selbst durchführen. „Manche Kliniken behelfen sich, indem sie Praktikanten oder Psychotherapeuten in Ausbildung einsetzen“, schreibt der OPK-Präsident.
Heike Winter, Präsidentin der Psychotherapeutenkammer Hessen, ergänzt: „Medizin und Psychotherapie haben in den letzten 30 Jahren enorme Fortschritte gemacht. Bei den meisten psychischen Störungen empfehlen wissenschaftlich fundierte Behandlungsleitlinien Psychotherapie als wesentliches Element. Dem müsse die G-BA-Richtlinie für Personalmindestvorgaben in psychiatrischen Kliniken unbedingt Rechnung tragen.“ © PB/aerzteblatt.de

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