Politik
Experten warnen vor automatischem Austausch von Biosimilars durch Apotheker
Dienstag, 10. September 2019
Berlin – Arzneimittelexperten haben vor den Risiken gewarnt, wenn Apotheker künftig automatisch biotechnologisch hergestellte Medikamente durch Nachahmerprodukte austauschen können. Das sieht das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) ab 2022 vor, um die Verordnung preiswerterer Biosimilars zu fördern. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) soll bis dahin Hinweise zur Austauschbarkeit erarbeiten.
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) habe sich bereits im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich gegen eine automatische Substitution von Biosimilars ausgesprochen, erklärte deren Vorsitzender Wolf-Dieter Ludwig heute bei einer Veranstaltung des Pharmaverbandes Pro Biosimilars in Berlin. Patienten müssten bei der Ersteinstellung oder Umstellung auf ein Biosimilar von ihren Ärzten ausführlich aufgeklärt werden. Das sei eine wesentliche Voraussetzung für den Therapieerfolg.
Andernfalls könnten sachlich unbegründete Ängste zur Verminderung der Therapietreue führen, warnte Ludwig. Studien wiesen darauf hin, dass es bei einer Umstellung auf ein Biosimilar zu Noceboeffekten kommen könne, wenn Patienten nicht richtig informiert worden seien. Für eine erfolgreiche Therapieumstellung durch Apotheker gebe es zudem keine wissenschaftlichen Belege. Alle verfügbaren Umstellungsstudien seien mit Ärzten durchgeführt worden. Auch das Beispiel Europa spreche gegen die automatische Substitution durch Apotheker. Sie sei in keinem EU-Staat explizit erlaubt.
Fehler in der Generika-Branche dürfen sich nicht wiederholen
Die AkdÄ hatte gemeinsam mit der Bundesärztekammer in einer Stellungnahme zum GSAV davor gewarnt, dass eine automatische Substitution für Originalpräparate und Biosimilars zu einer ähnlichen Situation führe, wie sie bei den Generika existiere. Über Rabattverträge und die damit verbundene Substitutionspflicht für die Apotheker würden künftig die Krankenkassen und nicht mehr die Ärzte die Entscheidung treffen, welches Biosimilar die Patienten erhielten.
Durch die zum Teil jährliche Änderung der Rabattvereinbarungen würden Patienten immer wieder aufs Neue umgestellt. Das gefährde die Arzneimitteltherapiesicherheit und sei eine Quelle für potenzielle Medikationsfehler. Vor diesem Hintergrund empfahl der AkdÄ-Vorsitzende Ludwig den Beteiligten einen „Rückzug in die Denkstube“.
Die Rheumatologin Silke Zinke argumentierte ähnlich wie der Arzneimittelexperte. Viele ihrer Patienten hätten einen langen Leidensweg hinter sich. Da stellten sich Ängste ein, wenn eine einmal erfolgreiche Therapie umgestellt werden solle. „Ich treffe meine Therapieentscheidungen gemeinsam mit meinen Patienten“, sagte Zinke. Das sei nicht mehr gegeben, wenn künftig der Apotheker über einen Präparatewechsel entscheiden dürfe.
Plädoyer für natürlichen Wettbewerb
Das Beispiel Adalimumab zeige, dass der natürliche Wettbewerb auch ohne weitere Eingriffe des Staates funktioniere, erklärte Christoph Stoller vom Pharmaunternehmen Teva. Nach Ablauf des Patentes vor neun Monaten verfügten Biosimilars bereits über einen Marktanteil von fast 50 Prozent. Der Preis liege im Durchschnitt gut 40 Prozent unter dem des Originals. Mit Biosimilars ließen sich insgesamt Einsparungen von rund 600 Millionen Euro jährlich erzielen, so der Pharmamanager.
Man dürfe jetzt nur nicht dieselben Fehler machen wie im Generikabereich, warnte er. Dort zeige sich, was passiere, wenn man die Preisspirale überdrehe, erklärte Morris Hosseini von der Unternehmensberatung Roland Berger. So würden inzwischen 80 Prozent der Antibiotika-Wirkstoffe in Indien und China produziert und zwar nur noch von wenigen Herstellern. Falle einer von diesen aus, komme es zu spürbaren Lieferengpässen auch in Deutschland. „Es ist ein Problem, wenn die Produktion nur noch in Niedriglohnländern attraktiv ist“, sagte Hosseini.
Verträge zwischen Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) sind nach Ansicht von Larissa Weichenberger von der KV Bayerns ein erfolgreiches Mittel, um die Verordnung von Biosimilars zu fördern. Das Engagement der KVen sei allerdings bundesweit sehr unterschiedlich ausgeprägt, was sich auch in den Verordnungsquoten niederschlage.
Mit Stand 1. September 2019 waren in Deutschland 54 Biosimilars zugelassen. „Bei jeder Verordnung eines Biosimilars spart das Gesundheitswesen einen vierstelligen Betrag“, erklärte Bork Bretthauer von Pro Biosimilars. 13 Jahre nach Einführung der ersten Nachahmerprodukte sei das Vertrauen in die Produkte stärker als je zuvor, sowohl bei Ärzten als auch bei Patienten. Damit das so bleibe, müsse allerdings die Diversität der Wettbewerber erhalten bleiben, betonte Christiane Hanke-Harloff vom Pharmaunternehmen Gedeon Richter. © HK/aerzteblatt.de

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