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Medizin

Studie: Paracetamol in der Schwangerschaft könnte das spätere Verhalten der Kinder beeinflussen

Montag, 16. September 2019

/nd3000, stockadobecom

Bristol – Die Einnahme von Paracetamol in der mittleren bis späten Schwangerschaft, die allgemein als sicher eingestuft wird, war in einer prospektiven Beobachtungsstudie in Paediatric and Perinatal Epidemiology (2019; doi: 10.1111/ppe.12582) mit späteren Ver­haltensstörungen der Kinder assoziiert, nicht aber mit kognitiven und Gedächtnisstörun­gen.

Obwohl Paracetamol die Plazentaschranke passiert und deshalb auf den Feten und sein Gehirn einwirkt, wird es als sicher eingestuft. Vermehrte Fehlbildungen wurden nicht beobachtet. Bei Schwangeren ist es ein beliebtes Schmerzmittel. Von den etwa 14.000 Schwangeren, die an der „Avon Longitudinal Study of Parents and Children“ (ALSPAC) teilnahmen, gaben bei einer Befragung in der 32. Woche 44 % an, Paracetamol einge­nommen zu haben.

Frühere Untersuchungen, darunter eine Analyse der ALSPAC-Daten, hatten die Einnahme von Paracetamol mit verschiedenen Verhaltensstörungen, darunter Autismus und der
Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung ADHS in Verbindung gebracht.

Jean Golding von der Universität Bristol, die die ALSPAC-Studie Anfang der 1990er Jahre mit begründet hatte, und Mitarbeiter haben jetzt eine weitere gründliche Analyse durchgeführt. Die Forscher bedienten sich dabei der „Exposom“-Technik. In einem ersten Schritt wurde nach Faktoren gesucht, die die Einnahme von Paracetamol beeinflussen.

Dazu gehörten beispielsweise verschiedene Erkrankungen (Erkältung, grippale Infekte, aber auch Kopfschmerzen), die den Einsatz des Mittels ausgelöst hatten. Aber auch Vorerkran­kungen (Asthma, Migräne), der Lebensstil (Alkohol, ungesunde Ernährung) und „soziale“ Faktoren (häufiger Einsatz von Chemie im Haushalt, frühere Schwangerschaften) gingen mit einer häufigeren Einnahme von Paracetamol einher.

Diese Faktoren wurden dann in der 2. Phase der Studie als potenzielle Störfaktoren („Confounder“) gewertet. In dieser 2. Phase wurde nach den Auswirkungen der Paracetamol-Einnahme auf die Entwicklung der Kinder gesucht. Das Verhalten der Kinder war im Verlauf der ALSPAC-Studie sorgfältig untersucht worden: Die Kinder nahmen mehrfach an Intelli­genz­tests teil, die Eltern und später die Lehrer füllten Fragebögen zum Temperament, dem Verhalten und möglichen psychischen Auffälligkeiten aus.

Von 135 Einzelaspekten von Kognition, Temperament und Verhalten waren zunächst 56 mit der Einnahme von Paracetamol assoziiert. Nach der Berücksichtigung der „Confounder“ blieben noch 12 Endpunkte übrig. Nicht dazu gehörten Kognition und Gedächtnis. Die Einnahme von Paracetamol war also nicht mit einem niedrigen Intelli­genzquotienten der Kinder verbunden.

Die Assoziationen beschränkten sich auf die Ebene von Temperament und Verhalten. So zeigten Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft Paracetamol eingenommen hatten, später ein hyperaktives oder weniger aufmerksames Verhalten. Sie waren im Alter von 6 Monaten weniger flexibel („adaptability“), zeigten im Alter von 24 Monaten ein geringeres Durchhaltevermögen („persistence“) und sie wirkten im Alter von 42 und 47 Monaten auf die Mütter hyperaktiver und auf die Lehrer weniger aufmerksam. Im IQ-Test im Alter von 8 Jahren fiel eine erhöhte „Ablenkbarkeit“ auf.

Dass diese Merkmale, die sich im höheren Alter zu verlieren scheinen, tatsächlich auf die Einnahme von Paracetamol durch die Mütter zurückzuführen sind, kann die Studie nicht abschließend beweisen, wie einige Kommentatoren gegenüber dem Science Media Center in London einwendeten und Golding in der Studie selbst eingesteht. Es bleibt möglich, dass die Erkrankungen, zu deren Behandlung die Frauen Paracetamol einnahmen, für die Störungen verantwortlich sind.

Die Experten wiesen auf die Stärken (prospektives Design der Studie, ausführliche Untersuchungen), aber auch auf die Schwächen der Publikation (kein sicherer Ausschluss aller „Confounder“, fehlender Hinweis auf einen Mechanismus) hin.

Auffällig ist, wie viele Frauen in der Schwangerschaft zu Paracetamol greifen. Dies scheint keine englische Besonderheit zu sein, da frühere Untersuchungen ähnlich hohe Einnahme­frequenzen für Spanien, Dänemark und Frankreich ermittelt hatten. Allgemein wird Schwangeren geraten, Medikamente in der Schwangerschaft nur bei ernsthaften Beschwerden einzunehmen und Toxine wie Rauchen und Alkohol ganz zu vermeiden. © rme/aerzteblatt.de

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