Medizin
Studie: BPH-Wirkstoffe könnten Morbus Parkinson verlangsamen
Mittwoch, 18. September 2019
Iowa City – Einige Medikamente, die seit langem zur Behandlung von Miktionsstörungen bei der benignen Prostatahyperplasie (BPH) eingesetzt werden, können möglicherweise die Entwicklung oder das Fortschreiten eines Morbus Parkinson verlangsamen. Darauf deuten tierexperimentelle Befunde und eine Analyse von Versichertendaten im Journal of Clinical Investigation (2019; doi: 10.1172/JCI129987) hin.
Der Nutzen von Terazosin bei der BPH beruht auf einer Hemmung der Alpha1-Adrenozeptoren auf der Oberfläche der Muskelzellen. Es kommt zu einer Entspannung der Gefäßmuskeln und damit zu einer Erweiterung der Harnwege, was den Patienten die Miktion erleichtert.
Neuere Studien zeigen, dass Terazosin darüber hinaus innerhalb der Zellen die Phosphoglycerat-Kinase 1, ein Enzym der Glykolyse, hemmt. Dies verbessert die Energieversorgung in allen Körperzellen, unter anderem auch im Gehirn. In der Substantia nigra könnte dies helfen, einen vorzeitigen Zelltod zu vermeiden, der eine Ursache des Morbus Parkinson ist.
Ein Team um Michael Welsh von der Universität in Iowa City und Lei Liu von der Universität Peking können jetzt an verschiedenen Krankheitsmodellen bei Mäusen zeigen, dass Terazosin tatsächlich den Untergang von Zellen im Gehirn und die Entwicklung eines Morbus Parkinson hinauszögert. Die Behandlung war auch dann noch wirksam, wenn bei den Tieren die ersten Symptome bereits eingesetzt hatten.
Die Alpha-Blocker Doxazosin und Alfuzosin hatten eine ähnliche protektive Wirkung. Der Alpha-Blocker Tamsulosin, der eine andere Molekülstruktur hat, blieb dagegen in den präklinischen Studien wirkungslos.
Die Tierexperimente deuten damit darauf hin, dass bestimmte Alpha-Blocker vor einem Morbus Parkinson schützen könnten. Die Forscher haben hierzu die Verordnungsraten in der Datenbank IBM Watson/Truven ausgewertet, die für Kliniken und Krankenversicherungen Patientendaten verwaltet. Dort wurden zunächst 2.880 Patienten mit Morbus Parkinson, die mit Terazosin, Doxazosin oder Alfuzosin (TZ/DZ/AZ) behandelt wurden, weil sie beispielsweise gleichzeitig unter einer BPH litten, mit 15.409 Parkinson-Patienten verglichen, die mit Tamsulosin (TS) behandelt wurden.
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Ergebnis: Die TZ/DZ/AZ-Gruppe wurde seltener als die TS-Gruppe wegen motorischer Symptome (relatives Risiko RR 0,77; 95-%-Konfidenzintervall 0,70-0,84) oder nichtmotorischer Symptome (RR 0,78; 0,73-0,83) oder wegen Komplikationen des Morbus Parkinson (RR 0,76; 0,71-0,82) im Krankenhaus behandelt. Dies deutet auf eine sekundärpräventive Wirkung von TZ, DZ und AZ hin. Diese Wirkstoffe könnten das Fortschreiten eines bereits bestehenden Morbus Parkinson verlangsamen.
In einer zweiten Analyse kam heraus, dass von 78.444 Patienten mit TZ, DZ oder AZ behandelten Patienten im Verlauf von 284 Tagen 118 neu an einem Morbus Parkinson erkrankten. In einer gleich großen Zahl von Patienten, die mit TS behandelt wurden, gab es in der gleichen Zeit 190 Erkrankungen am Morbus Parkinson. Welsh und Liu ermitteln eine Hazard Ratio von 0,62 (0,49-0,78). TZ, DZ und AZ könnten deshalb eine primärpräventive Wirkung haben, also Menschen vor dem Ausbruch einer Erkrankung schützen.
Die Beweiskraft einer „Big Data-Analyse“ ist allerdings gering. Für eine Empfehlung in den Leitlinien dürfte die Evidenz zu schwach sein. Der nächste Schritt wäre die Durchführung von randomisierten kontrollierten Studien. Am schnellsten könnten solche Studien zur sekundärpräventiven Wirkung organisiert werden.
Studien zur primärpräventiven Wirkung erfordern wesentlich größere Teilnehmerzahlen und eine längere Beobachtungszeit. Hier ist auch die Gefahr größer, dass mehr Patienten durch die Nebenwirkungen von TZ, DZ oder AZ beeinträchtigt würden, als vor einem Morbus Parkinson geschützt würden, wenn sich die präventive Wirkung denn überhaupt bestätigen sollte. © rme/aerzteblatt.de
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