Medizin
Jeder zweite Geflüchtete ist psychisch belastet
Donnerstag, 19. September 2019
Leipzig – Rund die Hälfte der Flüchtlinge zeigt kurz nach Ankunft in Deutschland deutliche Zeichen einer psychischen Störung oder Belastung. Das ist das Ergebnis einer Studie Universitätsmedizin Leipzig, die gestern vorgestellt wurde und die in Epidemiology and Psychiatric Sciences(DOI: 10.1017/S2045796019000325) erschienen ist. Die Autoren fordern eine professionelle Behandlung der Betroffenen sowie psychosoziale Beratungsangebote vor Ort.
Wissenschaftler um Heide Glaesmer und Yuriy Nesterko von der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie führten die Studie in einer Leipziger Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende von Mai 2017 bis Juni 2018 durch. Insgesamt nahmen 569 erwachsene Geflüchtete aus mehr als dreißig Ländern teil. Etwa die Hälfte wurde innerhalb der ersten Woche nach der Ankunft befragt.
Ein Drittel der Befragten leide demnach unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung, ein Drittel berichtete von psychosomatischen Symptomen wie Herzrasen und Angstzuständen. Viele Betroffene wiesen der Studie zufolge außerdem Symptome einer Depression auf und litten unter mehr als einer psychischen Störung.
„Die Ergebnisse sind für uns grundsätzlich nicht überraschend. Die Geflüchteten hatten zum Zeitpunkt der Befragung fast immer eine lange Flucht hinter sich, viele hatten Krieg und Gewalt erfahren und waren von ihren Familien und Angehörigen getrennt“, sagte Glaesmer.
Durch die traumatischen Erfahrungen und die psychischen Störungen sei die Leistungsfähigkeit der Betroffenen oft in wichtigen Lebensbereichen eingeschränkt und das Risiko für die Entwicklung weiterer psychischer Erkrankungen beziehungsweise deren Chronifizierung steige stark an.
„Die Studienergebnisse weisen zum einen auf die Dringlichkeit einer professionellen Behandlung der Betroffenen hin. Zum anderen sind psychosoziale Entlastungs- und Beratungsangebote vor Ort vonnöten, insbesondere für kürzlich angekommene Geflüchtete, um Symptomverschlechterungen und der Entwicklung von psychischen Störungen vorzubeugen“, erklärte Co-Autor Nesterko.
Die Studie ist den Autoren zufolge eine Momentaufnahme kurz nach der Ankunft in der Erstaufnahmeeinrichtung. Es sei deshalb zu erwarten, dass bei einigen Geflüchteten psychische Belastungen erst noch zum Tragen kommen, während andere möglicherweise in einer sicheren und ruhigen Umgebung diese überwinden könnten.
„Entscheidend ist, dass ohne eine zeitnahe und bedarfsorientierte Versorgung die Gefahr einer stetigen Verschlechterung der psychischen Gesundheit als sehr hoch einzustufen ist“, sagen Glaesmer und Nesterko. © kna/pb/aerzteblatt.de
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