Medizin
Antibiotikaresistenzen haben global in der Viehwirtschaft zugenommen
Dienstag, 24. September 2019
Zürich – Auch in Schwellen- und Entwicklungsländern werden vermehrt Antibiotika in der Viehzucht eingesetzt. Die Folge ist eine Zunahme von Antibiotikaresistenzen, die laut einer Studie in Science (2019; doi: 10.1126/science.aaw1944) ein bedrohliches Ausmaß angenommen hat.
Mit dem Wirtschaftswachstum nimmt in vielen Ländern auch der Fleischkonsum zu. Während der Verzehr in einkommensstarken Ländern ein Plateau erreicht hat, ist er in Asien, Afrika und Südamerika seit 2000 um 68 %, 64 % und 40 % angestiegen.
Um die Fleischproduktion zu erhöhen und die Tiere vor Infektionen zu schützen, werden häufig Antibiotika benutzt. Weltweit werden drei Viertel aller Antibiotika in der Viehzucht eingesetzt. Dies geschieht in vielen Ländern mehr oder weniger unkontrolliert. Die Folge ist ein zunehmender Anteil der Bakterien, die gegen Antibiotika resistent sind.
Laut der Analyse von 901 Punkt-Prävalenz-Studien, deren Ergebnisse ein Team um Thomas van Boeckel von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich jetzt vorstellt, ist es seit Anfang der 2000er-Jahre zu einer deutlichen Zunahme der Resistenzen gekommen. Die Forscher haben zur Bewertung den Index „p50“ entwickelt. Er beziffert für jede Region den Anteil der Bakterien, die gegen mehr als die Hälfte der Antibiotika resistent sind.
In den Entwicklungs- und Schwellenländern stieg der „p50“-Index bei Hühnern von 0,15 auf 0,41 und bei Schweinen von 0,13 auf 0,34, während er sich bei Rindern zwischen 0,12 und 0,23 eingependelt hat. Demnach hat sich der Index „p50“ bei Hühnern und Schweinen innerhalb von weniger als 20 Jahren nahezu verdreifacht.
Die höchsten Resistenzraten wurden gegen Antibiotika festgestellt, die üblicherweise in der Lebensmittelherstellung eingesetzt werden, darunter Tetrazykline, Sulfonamide und Penicilline. Unter den humanmedizinisch wichtigen Antibiotika schwanken die Resistenzraten der Studie zufolge zwischen 20% und 60 % auf Ciprofloxacin und Erythromycin sowie zwischen 10 % und 40 % für Cephalosporine der 3. und 4. Generation.
Die Forscher orten „Hotspots“ von multiresistenten Bakterien im Nordosten Indiens, im Nordosten Chinas, im Norden Pakistans, im Iran, in der Osttürkei, an der Südküste Brasiliens, im Nil-Delta, im Delta des Roten Flusses in Vietnam und in den Regionen um Mexiko und Johannesburg. Dort sei es in den letzten beiden Jahrzehnten zu der größten Zunahme der Resistenzen gekommen.
Die Entwicklung lasse sich jedoch nicht auf diese Länder begrenzen. Antibiotikaresistenzen seien heute ein globales Problem, meint van Boeckel. Es ergebe keinen Sinn, mit beträchtichem Aufwand auf der einen Seite der Erde Antibiotikaresistenzen einzudämmen, während sie auf der anderen Seite massiv zunehmen, so der Forscher.
Die Ausbreitung von resistenten Keimen gefährdet nach Ansicht des Forschers nicht nur die Nachhaltigkeit der Fleischindustrie, sondern möglicherweise auch die Gesundheit der Verbraucher. © rme/aerzteblatt.de
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