Politik
Betroffene enttäuscht über G-BA-Entscheidung zur Liposuktion
Dienstag, 24. September 2019
Berlin/Zwingenberg – Enttäuscht über die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), die Liposuktion bei Lipödem nur unterhalb eines bestimmten Body Mass Index (BMI) zur Kassenleistung zu machen, ist der Verband Organisierte Selbsthilfe von Frauen mit Lipödem. Der Verband wirft insbesondere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor, er habe ein Versprechen nicht eingehalten, Betroffenen „schnell und unbürokratisch“ zu helfen.
Laut der S1-Leitlinie „Lipödem“ der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie ist das Lipödem „eine chronische und progrediente Erkrankung, die nahezu ausschließlich bei Frauen auftritt und durch eine Fettverteilungsstörung mit deutlicher Disproportion zwischen Stamm und Extremitäten gekennzeichnet ist. Diese entsteht aufgrund einer umschriebenen, symmetrisch lokalisierten Unterhautfettgewebsvermehrung der unteren und/oder oberen Extremitäten“, heißt es darin.
Der G-BA hat klare Regeln festgelegt, welche Patientengruppen für die Liposuktion zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung infrage kommen. Dazu zählen Patientinnen, bei denen sechs Monate vor der Indikationsstellung die Beschwerden mit einer ärztlich verordneten konservativen Therapie nicht gelindert werden konnten. Liegt der BMI unter 35, darf eine Liposuktion bei Lipödem im Stadium 3 durchführt werden.
Bei Patientinnen mit einem BMI ab 35 soll zusätzlich zur Liposuktion eine Behandlung der Adipositas stattfinden. Bei einem BMI ab 40 soll keine Liposuktion erfolgen sondern zunächst die Adipositas behandelt werden. Die hier eingeführte Grenze resultiert laut dem Bundesausschuss vor allem aus der Anhörung von Fachgesellschaften, die argumentiert hätten, dass bei Frauen mit einem BMI über 40 zunächst die Adipositas behandelt werden sollte.
Der Selbsthilfeverband bezeichnet diese Entscheidung jetzt als „Farce“: „Im Stadium III der Erkrankung hat sich bereits so viel krankes Fettgewebe angesammelt und ist meist das Lymphsystem bereits derart überlastet, dass eine Gewichtsreduktion auf einen BMI von unter 35 faktisch nicht mehr möglich ist“, so die Haltung der Selbsthilfe.
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Liposuktion beim Lipödem sei daher „die einzige nachhaltige und wirksame Methode, den Körper vom durch andere Maßnahmen nicht zu reduzierenden kranken Fettgewebe zu befreien, die erheblichen Komorbiditäten zu verringern, Erwerbsfähigkeit und Mobilität zu erhalten oder überhaupt wieder Bewegung zu ermöglichen, Schmerzen zu verringern, ein menschenwürdiges Leben zu leben“, hieß es.
Phlebologen widersprechen Betroffenenverband
Die Deutsche Gesellschaft für Phlebologie verweist gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt hingegen auf die Regelungen in der Leitlinie: „In der Liposuktion erfahrene Operateure raten zu einer kritischen Indikationsstellung bei einem Körpergewicht > 120kg oder einem BMI > 32 kg/m2. Eine begleitend zum Lipödem bestehende morbide Adipositas sollte vor einer Liposuktion therapeutisch angegangen werden“, heißt es darin.
„Bislang fehlen hochwertige randomisierte Studien zu dem Verfahren bei Lipödem“, erläuterte der Präsident der Fachgesellschaft, Markus Stücker, gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. Die Deutsche Gesellschaft für Phlebologie begrüße daher, dass der G-BA eine entsprechende Studie aufsetze. Er betonte, eine Liposuktion komme nur infrage, wenn eine Adipositas auszugrenzen sei.
Der G-BA hat seinen Beschluss zur Liposuktion zunächst bis zum 31. Dezember 2024 befristet. Bis dahin sollen auch Ergebnisse einer Erprobung der Behandlung bei Lipödem in die Stadien 1 und 2 vorliegen. Aufgrund der Erkenntnisse aus den drei Stadien will der G-BA dann weiter entscheiden. © hil/aerzteblatt.de

Liposuktion bei Lipödem
Gründe, die gegen eine Liposuktion des Lipödems sprechen (Kontraindikationen). Siehe http://www.lipoedemportal.de/liposuktion-methoden.htm
Die Grenze von 120 kg Körpergewicht gilt für die Liposuktion in Tumeszenz-Lokalanästhesie (TLA). Denn hier wären sehr große Mengen Tumeszenzflüssigkeit notwendig, um die abzusaugenden Areale prall und schmerzfrei zu machen. Das könnte zu einer gefährlich hohen toxischen Belastung des Organismus führen. Für die Wasserstrahl-assistierte Liposuktion (WAL) gilt das nicht, weil hier ist zur Schmerzausschaltung eine Vollnarkose notwendig (Ausnahme: modifizierte WAL nach Dr. Stutz).

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