Medizin
Gonarthrose: Sprifermin stimuliert Knorpelwachstum, ohne Beschwerden zu lindern
Mittwoch, 9. Oktober 2019
Baltimore – Intraartikuläre Injektionen von Sprifermin, einem Wachstumsfaktor für Fibroblasten, zu denen auch die Chondrozyten gehören, haben in einer Phase-2-Studie die Ausdehnung des Gelenkknorpels in der Magnetresonanztomografie vergrößert. Nach den jetzt im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2019; 322: 1360-1370) veröffentlichten Ergebnissen war eine klinische Verbesserung bei den Patienten jedoch nicht nachweisbar.
Die Kniegelenk- oder Gonarthrose gehört zu den häufigsten Gesundheitsstörungen. Im Alter von 60 Jahren leidet jeder 10. Erwachsene unter Schmerzen und Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk, die Mobilität und Lebensqualität mindern.
Schmerzmittel und entzündungshemmende Medikamente können die Beschwerden zwar lindern. Einen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung haben sie jedoch nicht. Ursache der Arthrose ist ein altersbedingter Abbau des Gelenkknorpels, der sich nicht selbst erneuern kann.
Der Wirkstoff Sprifermin zählte in den vergangenen Jahren zu den Hoffnungsträgern. Die rekombinante Version des humanen Fibroblasten-Wachstumsfaktors 18 hat in Zellkulturen die Bildung von Knorpel stimuliert. Nachdem sich die intraartikuläre Injektion in einer Phase-1-Studie als sicher erwiesen hat, begann der Hersteller im Juli 2013 mit einer Phase-2-Studie.
An der FORWARD-Studie nahmen an 10 Zentren in 7 Ländern (keine deutsche Beteiligung) 549 Patienten im mittleren Alter von 65 Jahren teil, die seit durchschnittlich 6 Jahren an einer Gonarthrose litten und deren radiologischer Befund mit einem Kellgren-Lawrence-Score von 2 oder höher bewertet wurde.
Die Patienten wurden in der Dosisfindungsstudie auf 5 Gruppen randomisiert. In den ersten 4 Gruppen erhielten sie entweder 1- oder 2-mal im Jahr eine intraartikuläre Injektion mit Sprifermin in der Dosis von 30 µg oder 100 µg. In der 5. Gruppe erhielten die Patienten Placebos.
Primärer Endpunkt war die Veränderung der Knorpeldicke im gesamten Femorotibialgelenk in der Magnetresonanztomografie, die vor Beginn der Studie und nach 2 Jahren durchgeführt wurde. Wie Marc Hochberg von der University of Maryland School of Medicine in Baltimore und Mitarbeiter berichten, erzielte Sprifermin in der höheren Dosis von 100 µg die erhoffte Wirkung.
Nach den Injektionen im Abstand von 6 Monaten nahm die Knorpeldicke um 0,05 mm zu. Bei einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,03 bis 0,07 mm war die Wirkung signifikant. Eine fast genauso gute Wirkung erzielten die jährlichen Injektionen von 100 µg Sprifermin. Die Knorpeldicke nahm um 0,04 mm (0,02 bis 0,06 mm) zu. In den beiden Gruppen mit der niedrigen Dosierung wurde keine signifikante Zunahme der Knorpeldicke erzielt.
zum Thema
- Studie in Jama
- Pressemitteilung der University of Maryland School of Medicine
- Pressemitteilung des Herstellers
- Registrierung der Studie
Deutsches Ärzteblatt print
aerzteblatt.de
Die Studie hat damit den primären Endpunkt erfüllt. Die klinische Bedeutung der Ergebnisse bleibt jedoch unklar. Denn das Knorpelwachstum hat sich bisher nicht günstig auf die Beschwerden der Patienten ausgewirkt.
Der Endpunkt war hier der „Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis Index“ (WOMAC). Dieser verbesserte sich unter der Behandlung mit Sprifermin zwar. Aber auch die Placebo-Injektionen zeigten eine Wirkung. Auch nach 3 Jahren war kein signifikanter Vorteil für Sprifermin erkennbar, weder im Gesamt-WOMAC, noch in den 3 Unterskalen zu Schmerz, Funktion und Steifigkeit.
Damit ist die klinische Signifikanz der Behandlung unklar. Die Zunahme der Knorpeldicke sei zwar ein positives Zeichen, meint Studienleiter Marc Hochberg. Ob die Behandlung den Patienten jedoch helfen werde, eine Kniegelenkersatzoperation hinauszuzögern oder gar zu vermeiden, lasse sich derzeit nicht abschätzen.
Für eine Zulassung sind die Ergebnisse einer Phase-2-Studie nicht ausreichend. Es bleibt jetzt abzuwarten, ob der Hersteller das Wagnis einer Phase-3-Studie eingeht. Als nächstes sollen auf der bevorstehenden Jahrestagung des American College of Rheumatology im November Ergebnisse zu einer Untergruppe der FORWARD-Studie mit Patienten vorgestellt werden, die aufgrund eines sehr starken Rückgangs der Knorpelschicht unter den stärksten Beschwerden litten. In dieser Risikogruppe seien nach 3 Jahren signifikante Vorteile im WOMAC-Score erkennbar, heißt es in der Pressemitteilung. © rme/aerzteblatt.de
Liebe Leserinnen und Leser,
diesen Artikel können Sie mit dem kostenfreien „Mein-DÄ-Zugang“ lesen.
Sind Sie schon registriert, geben Sie einfach Ihre Zugangsdaten ein.
Oder registrieren Sie sich kostenfrei, um exklusiv diesen Beitrag aufzurufen.
Login
Loggen Sie sich auf Mein DÄ ein
Passwort vergessen? Registrieren

Nachrichten zum Thema


Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.