Ärzteschaft
Kritik an gravierender Fehl- und Mangelernährung in Kliniken und Pflegeheimen
Donnerstag, 10. Oktober 2019
Bonn – Deutliche Verbesserungen bei der Ernährung in Krankenhäusern und Pflegeheimen fordert die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Der Grund: In deutschen Kliniken seien bis 30 Prozent der Patienten und in Pflegeheimen bis zu 25 Prozent der Bewohner mangelernährt.
Die Zahlen stammen von einer Auswertung der DGE und der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) für den im nächsten Jahr erscheinenden 14. DGE-Ernährungsbericht. Dieser Bericht erscheint alle vier Jahre im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Die Fachgesellschaften haben die Auswertung zur Ernährungssituation in Kliniken und Pflegeheimen jetzt vorab veröffentlicht.
Laut der Untersuchung schneiden deutsche Einrichtungen hinsichtlich standardmäßig vorhandener Ernährungsstrukturen im europäischen Vergleich schlecht ab: 2018 verfügten nur zehn Prozent der deutschen Kliniken und 30 Prozent der Pflegeheime über eine Diätassistenz, in den anderen teilnehmenden Ländern Europas waren es 63 Prozent und 86 Prozent.
Ein Ernährungsteam oder eine Ansprechperson für Ernährung gab es in 58 Prozent der Kliniken und in 45 Prozent der teilnehmenden Wohnbereiche in Pflegeheimen in Deutschland, in Europa waren es 82 Prozent beziehungsweise 71 Prozent.
Laut DGE zeigte sich, dass Ernährungsmaßnahmen wie die Gabe von angereicherter Kost oder Trinknahrung deutlich häufiger ergriffen wurden, wenn Ernährungsfachkräfte verfügbar und ein routinemäßiges Screening auf Mangelernährung etabliert waren.
Ernährungsmaßnahmen wurden zwar mit zunehmender Schwere der Mangelernährung auch in Deutschland häufiger eingesetzt, dennoch erhielt selbst bei schwerer Mangelernährung nur ein Teil der Betroffenen eine Intervention.
Mit abnehmender Essmenge und mit schlechter werdendem Ernährungszustand nahmen die Mortalität und im Krankenhaus auch die weitere Aufenthaltsdauer zu. Ein Viertel der teilnehmenden Stationen führte klinische Ernährung ohne Richtlinien oder Standards durch.
„Die Ergebnisse zeigen deutlich Handlungsbedarf auf. Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungsversorgung in deutschen Kliniken und Pflegeheimen sind dringend erforderlich, um der Entwicklung von Mangelernährung vorzubeugen und bestehende Ernährungsprobleme angemessen zu behandeln“, sagte Dorothee Volkert vom Institut für Biomedizin des Alterns der Universität Erlangen-Nürnberg.
Die DGE empfiehlt, ernährungsmedizinische Leitlinien und Standards flächendeckend zu implementieren und umzusetzen. Die routinemäßige Erfassung der Ernährungssituation bei Klinikaufnahme sollte flächendeckend erfolgen, um Mangelernährung und das Risiko dafür zu identifizieren.
„Um eine gute ernährungsmedizinische Versorgung sicherzustellen, ist qualifiziertes Personal – von ernährungsmedizinisch ausgebildeten Ärzten über Pflegekräfte bis zur Diätassistenz und interdisziplinären Ernährungsteams – in jeder Einrichtung in ausreichendem Umfang zwingend notwendig“, so die Fachgesellschaft.
Die Zahlen zur Ernährungssituation in Kliniken und Heimen stammen aus Nutrition-Day-Daten. Dies ist ein weltweit durchgeführtes Projekt zur Sensibilisierung für das Thema Mangelernährung in Kliniken und Pflegeheimen. Seit mehr als zehn Jahren findet jährlich eine Fragebogenerhebung statt, die einen Überblick über die Ernährungsversorgung in den teilnehmenden Einrichtungen gibt und einen nationalen und internationalen Vergleich ermöglicht. © hil/aerzteblatt.de

Stellungnahme DGE
vielen Dank für Ihre Mail und Ihre Anregungen.
Sie haben Anmerkungen zu unserem Referenzwert für die Vitamin-D-Zufuhr gemacht. Zunächst geben Sie an, dass unsere Referenzwerte falsch seien, da sie nicht in der Lage sind, damit einen Nährstoffmangel auszugleichen. Diese Aussage ist so allerdings nicht richtig. Im Einführungskapitel zu unseren Referenzwerten erläutern wir, dass „Die vorliegenden Referenzwerte […] sich nicht auf die Versorgung von Kranken und Rekonvaleszenten [beziehen]. Sie sind auch […] nicht ausreichend, um bei Personen mit einem Nährstoffmangel entleerte Speicher wieder aufzufüllen. Sie gelten auch nicht für durch Genussmittel (z. B. chronisch erhöhter Alkoholkonsum) oder eine regelmäßige Medikamenteneinnahme belastete Personen. Diese Personenkreise bedürfen der individuellen ernährungsmedizinischen Beratung und Betreuung.“
Damit haben die Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr gar nicht den Anspruch, ausreichende Mengen eines Nährstoffs anzugeben, um bei Menschen mit einem Nährstoffmangel diesen auszugleichen.
Die tolerierbare Gesamtzufuhrmenge leitet die DGE nicht selbst ab, sondern gibt die Werte der EFSA, der WHO oder des IOM an.
Auch bei den B-Vitaminen verfahren wir wie bei den übrigen essenziellen Nährstoffen. Wir prüfen, ob es belastbare Daten zum Bedarf gibt und leiten daraus die Referenzwerte für Gesunde ab.
Für Menschen mit verschiedenen Krankheiten ist es die Aufgabe der jeweiligen Fachgesellschaften, kritische Nährstoffe zu benennen.
Weitere Informationen zu unseren Referenzwerten finden Sie unter anderem in der Rubrik Häufige Fragen und Antworten.
Im Auftrag
Referat Wissenschaft

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