Ärzteschaft
Marburger Bund will manipulationsfreie Zeiterfassung für Universitätskliniken
Dienstag, 15. Oktober 2019
Berlin – Für Ärzte in Universitätskliniken muss es künftig eine automatisierte und manipulationsfreie Erfassung der Arbeitszeit geben. Darauf will der Marburger Bund (MB) in den anstehenden Tarifverhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) drängen. „Die Vorgaben des Tarifvertrags müssen dringend verschärft werden, auch um der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Genüge zu tun“, sagte Rudolf Henke, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes, heute vor Journalisten in Berlin.
Mitte Mai hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden, dass die alleinige Dokumentation von Überstunden nicht ausreiche, sondern die vollständige Arbeitszeit der Mitarbeiter erfasst werden müsse. Nur durch eine objektive Dokumentation sei es möglich, verlässlich zu prüfen, ob Höchstgrenzen tatsächlich eingehalten werden.
Eine weitere Forderung des MB ist die Senkung der zulässigen Wochenendarbeit. Zukünftig soll nur noch an zwei Wochenenden im Kalendermonat Arbeitsleistung angeordnet werden können. Als Wochenende zählt dabei nach Vorstellung des MB die Zeit von Freitag 18 Uhr bis Montag 7 Uhr.
„Wir wissen aus zahlreichen Gesprächen mit unseren Mitgliedern und aus vielen Rückmeldungen in jüngster Zeit, dass durch die Dreifachbelastung Krankenversorgung, Forschung und Lehre kaum noch freie Zeit da ist, um mit der Familie etwas zu unternehmen oder einfach nur am normalen gesellschaftlichen Leben teilzuhaben“, sagte Andreas Botzlar, 2. Vorsitzender des Marburger Bundes.
Es brauche deshalb eine verbindliche Regelung, die sicherstelle, dass nur an zwei Wochenenden im Kalendermonat Arbeitsleistung angeordnet werden dürften, sei es regelmäßige Arbeit, Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst.
Dienstpläne sollen sechs Wochen im Voraus vorliegen
Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben soll nach dem Willen des MB auch durch mehr Planungssicherheit gewährleistet werden: Verbindliche Dienstpläne sollen sechs Wochen vor Beginn des jeweiligen Planungszeitraumes vorliegen. Krankenhäuser, die diese Vorgabe nicht einhalten, sollen sanktioniert werden. Gleiches soll für die kurzfristige Verpflichtung eines Arztes zur Arbeitsaufnahme in Abweichung von der Dienstplanung gelten.
Zudem fordert der Marburger Bund eine Beschränkung der Möglichkeit, Bereitschaftsdienste anzuordnen. Demnach soll es künftig im Kalendervierteljahr nicht mehr als durchschnittlich vier Dienste im Monat geben, maximal sechs und in der einzelnen Kalenderwoche maximal zwei.
Tarifverhandlungen beginnen im November
Der Marburger Bund setzt sich zudem für eine bessere Vergütung ein. So fordert er eine Erhöhung der Entgelte um sechs Prozent, eine Erhöhung der Zeitzuschläge, beispielsweise für Nachtarbeit, und auch Teilzeitbeschäftigte sollen zukünftig bei Überschreitung ihrer vertraglich vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit einen Mehrarbeitszuschlag erhalten. Um der Abwanderung erfahrener Ärzte entgegenzuwirken, müssen nach Ansicht des MB zusätzliche Tarifstufen für Fach- und Oberärzte an Universitätskliniken geschaffen werden.
Als Basis für die anstehenden Tarifverhandlungen mit der TdL dient dem Marburger Bund der im Mai 2019 verhandelte Tarifvertrag mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA). Darin wurden bereits eine verlässlichere Dienstplanung, eine Begrenzung der Bereitschafts- und Wochenenddienste, eine elektronische Arbeitszeiterfassung sowie insgesamt 6,5 Prozent mehr Gehalt für die Ärzte an kommunalen Krankenhäusern festgelegt.
Die Verhandlungen mit der TdL beginnen am 6. November in Hannover. Der zur Verhandlung stehende Tarifvertrag betrifft rund 20.000 Ärzte in bundesweit 23 Universitätskliniken. Die Unikliniken in Berlin und Hessen haben bereits eigene Tarifverträge, die von den Landesverbänden des MB ausgehandelt werden. In Hamburg (UKE), Halle an der Saale, Mainz und Mannheim gibt es ebenfalls eigene beziehungsweise andere tarifvertragliche Regelungen. © jh/aerzteblatt.de
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