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Politik

Notfallsanitäter sollen ärztliche Aufgaben übernehmen dürfen

Donnerstag, 17. Oktober 2019

/benjaminnolte, stock.adobe.com

Berlin – Notfallsanitäter sollen unter bestimmten Bedingungen bei Patienten in lebens­bedrohlichen Situationen eigenständig ärztliche Aufgaben übernehmen dürfen. Eine ent­sprechende Änderung am Notfallsanitätergesetz strebt die Große Koalition mit einer Er­gänzung für das Gesetz über den Beruf der Anästhesietechnischen Assistenten und Ope­rationstechnischen Assistenten an. Bei der Delegation durch Ärzte bleibt es dennoch. Das Gesetz wird kommende Woche Mittwoch im Ausschuss für Gesundheit angehört.

Den Plänen zufolge sollen Notfallsanitäter eigenständig heilkundlichen Maßnahmen ausführen dür­fen, „die von der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes zu veran­lassen, vom Ärzt­lichen Leiter Rettungsdienst oder entsprechend verantwortlichen Ärz­tinnen oder Ärzten standardmäßig vorzugeben, zu überprüfen und zu verantworten sind und sich auf not­fallmedizinische Zustandsbilder und -situationen einschließlich von solchen Zu­stands­bildern und -situationen erstrecken, in denen ein lebensgefährlicher Zustand vorliegt, wesentliche Folgeschäden zu erwarten sind oder eine Medikamenten­gabe zu veranlassen ist“, heißt es wörtlich in dem Änderungsantrag, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.

Bereits heute würden Notfallsanitäter in ihrer Ausbildung auf das eigenständige Durch­führen von heilkundlichen Maßnahmen im Rahmen von standardisierten Vorgaben (SOP's) quali­fi­ziert, heißt es in der Begründung. Länderbeispiele, in denen bereits SOP´s für den Notfalleinsatz etabliert seien, zeigten, dass diese Vorgaben geeignet seien, „we­sentlich zu Rechtssicherheit bei der Ausübung des Notfallsanitäterberufs beizutragen, wenn sie landeseinheitlich angelegt werden und auch besondere Situationen wie etwa die Gabe von Betäubungsmitteln erfassen“.

Da sowohl die Länder wie Verbände nach wie vor Rechtsunsicherheiten bei der Berufs­aus­übung beklagten, sei es „angemessen“, gesetzliche Maßnahmen zu prüfen, die zu mehr Rechtsklarheit beitragen würden. Allerdings lehnt die Große Koalition es ab, den Notfallsanitätern eine eigenständige Heilkundekompetenz auf Basis des Heilpraktiker­gesetzes zuzugestehen.

Abgrenzungsproblematik bleibt, Delegation auch

Denn am Ende bleibe immer eine Abgrenzungsproblematik. So stelle sich zum Beispiel die Frage, ob der Zustand des Patienten überhaupt lebensbedrohlich gewesen sei, weiter­hin. Das müsse ohnehin „situationsbedingt entschieden werden“. Insofern scheine es an­gemessen und sinnvoll, die Übertragung ärztlicher Aufgaben auf Notfallsanitäter weiter­hin im Wege der Delegation vorzusehen.

Hierbei bietet es sich aus Sicht der Großen Koalition an, die vorhandenen standardisier­ten Prozeduren auszuwei­ten. Sie sollen in Zukunft auf Landesebene getroffen werden. Zudem müssen sie sich ausdrücklich auch auf die Notfallsituationen erstrecken, in denen die sogenannte „Notkompetenz“ greifen kann.

„Durch standardisierte Vorgaben für solche Fälle können die Möglichkeiten, in denen auf den Rechtsfertigungsgrund des rechtfertigenden Notstandes zurückgegriffen werden muss, mit hoher Wahrscheinlichkeit reduziert werden, zumal durch die heutigen moder­nen Kommunikationsmittel die Möglichkeit einer ärztlichen Beteiligung nahezu jederzeit gegeben ist“, so die Bundesregierung. Die vorliegende Neufassung schaffe damit einen „angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz des Lebens oder der Gesundheit“ der Patienten und den Interessen der Be­rufsangehörigen nach mehr Rechtssicherheit bei der Berufsausübung.

Bundesrat hat weitergehenden Ansatz

Erst am vergangenen Freitag hatte der Bundesrat Nachbesserungsbedarf beim Einsatz­gebiet von Notfallsani­tätern angemeldet. Die Länderkammer sprach sich daür aus, dass rechtliche Klarheit geschaffen werden müsse, wenn Notfallsanitäter im Einsatz lebens­rettende Maßnahmen durchführen. Sie regte allerdings im Gegensatz zur Großen Koalition ein eigenständiges Handeln der Notfallsanitäter – und damit einen Wegfall der Delegation an.

Kritik kam daraufhin von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) in Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), dem Be­rufsverband Deutscher Chirurgen (BDC) und dem Berufsverband für Orthopädie und Un­fallchirurgie (BVOU). „Wir sprechen uns gegen die eigenständige Durchführung von inva­siven Maßnahmen durch Notfallsanitäter aus“, sagte DGU-Generalsekretär und stellver­tretender DGOU-Generalsekretär Dietmar Pennig.

Eine Substitution ärztlicher Leistung gerade im Kontext einer Notfallsituation werde „zum Wohle und zum Schutz der erkrankten und verletzten Patienten abgelehnt“. Die Be­deutung gut ausgebildeter Notfallsanitäter bejahnten die Fachgesellschaften und Be­rufsverbände zwar ausdrücklich. Sie sorgen sich aber darum, dass eine Substitution ärztlicher Leistung im Schadensfall zur Frage der Übernahme juristischer Konsequenzen führt.

Ruf nach Versicherung

Im März dieses Jahres hatten Notfallsanitäter und Deutsches Rotes Kreuz darauf hinge­wie­sen, dass die Abgren­zung für das Handeln des Notfallsanitäters auch nach der Reform des Notfallsanitätergesetz 2013 im Einsatz problema­tisch ist. Je nach Fall und Einschät­zung seien Notfallsanitäter demzufolge nicht einmal über eine Versi­che­­rung abge­sichert und müssten im Zweifelsfall mit ihrem Privatvermö­gen haften. Han­delten sie hingegen im Einsatz nicht, könnten sie auch wegen unterlasse­ner Hilfe­leis­tung angeklagt werden.

2013 hatte der Bundestag ein neues Notfallsanitätergesetz beschlossen. Der bis­heri­ge Beruf des Rettungsassistenten wurde damit in die Berufsbezeichnung „Notfallsani­täter“ überführt. Die Ausbildung wurde von zwei auf drei Jahre verlängert. Zudem wur­den dem Notfallsanitäter weitere Aufgaben übertragen.

Bundes­ärzte­kammer (BÄK) und andere Ärzteverbände hatten bereits damals die Über­nah­me heil­kund­licher Tätigkeiten durch Notfallsanitäter kritisiert. Für Kritik von Ärzten hatte damals vor allem gesorgt, dass Notfallsanitäter in der Erst­versorgung „in besonderen Fällen“ seit den Änderungen auch invasive Maßnah­men durchführen dürfen.

„Eine solche Situation ist gegeben, wenn das Leben des Patien­ten in Gefahr ist oder es wesentlichen Folgeschäden vorzubeugen gilt, die durch Ver­zögerungen von Hilfeleistun­gen drohen“, heißt es in der Begründung des Gesetzes­textes. „Es muss sich um eine kon­krete Gefähr­dungssituation handeln, die insbeson­dere voraussetzt, dass eine Ärztin oder ein Arzt nicht rechtzeitig anwesend sein kann.“

In diesem Fall diene die Übernahme von Tätigkeiten, die normalerweise der ärztlichen Behandlung vorbehalten sind, dem Schutz des Lebens oder der Gesundheit des Pa­tienten als besonders hohem Schutzgut. „Die Übernahme heilkundlicher Tätig­keiten ist zeitlich befristet“, heißt es weiter. „Sie besteht nur bis zum Eintreffen einer notärztli­chen oder sonstigen ärztlichen Versorgung.“

Frist verlängert

Mit der Reform will die Bundesregierung auch die Übergangszeit verlängern, innerhalb der Rettungsassistenten die Möglichkeit zur Weiterqualifizierung gegeben wurde, die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Notfallsanitäter“ zu erwerben. Diese soll von bisher sieben auf nun zehn Jahre verlängert werden. Das soll Personalsorgen im Rettungsdienst beheben und weitere Nachqualifizierungen ermöglichen.

© may/aerzteblatt.de

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