Politik
Spahn dämpft Erwartungen der App-Unternehmer
Montag, 21. Oktober 2019
Berlin – Führende Digital-Unternehmer im Gesundheitswesen wollen mit einem neugegründeten Verband besser ins Gespräch in der Gesundheitspolitik und vor allem mit Ärzteverbänden und Krankenkassen kommen. In einem Manifest, dass 48 Gründer unterschrieben haben, fordert der neue Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung, dass künftig nicht nur Pilotprojekte gefördert werden sollen, sondern digitale Anwendungen generell Einzug in die Versorgung erhalten müssen.
„Die Beharrungskräfte des Systems haben zu lange verhindert, dass digitale Lösungen, die wirklich allen helfen können, breiten Eingang in den ersten Gesundheitsmarkt finden“, heißt es. Ebenso brauche es „Kassen, die aktive, schnelle und konsequente Partner bei der Digitalisierung sind. Dafür brauchen wir klare Kriterien für die Empfehlung durch gesetzliche Krankenkassen und Verlässlichkeit beim Zugang zur Finanzierung im Rahmen der Regelversorgung“, heißt es in einer anderen Forderung.
Der Datenschutz solle nicht mehr als „Totschlagargument missbraucht“ werden. Von der Politik fordern die Unternehmer eine „verbindliche Roadmap“ und einen „transparenten und nachvollziehbaren Austausch auf Augenhöhe.“ Eine der Mit-Initiatorinnen, Diana Heinrichs, erklärte: „Wir stoßen ständig an die gläserne Decke.“
Die Forderungen und das Manifest übergaben die Initiatoren – Mitunterzeichner sind auch die Gründer von Ada Health, Vivy, MySugr, Magnosco, Lindera, selfapy oder Doctena – in den Räumen eines Unternehmens in Berlin-Kreuzberg an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
Der Minister lobte das Engagement der Initiatoren, dämpfte aber auch zu hochfliegende Erwartungen: „Sie haben sich mit dem Gesundheitswesen eins der höchstregulierten Geschäftsumfelder ausgesucht. Das ist nicht vergleichbar mit dem Verkauf von Schuhen.“
Er warb für Verständnis, dass im Gesundheitswesen einige Strukturen „noch von Bismarcks Zeiten“ kommen und es daher länger dauern könne, bis „das Mindset“ bei einigen Beteiligten sich verändert hätte. Die digitalen Anbieter müssten „vom zweiten Hinterhof, fünftes Obergeschoss“ weiter ins Vorderhaus ziehen, so Spahn in Anspielung auf den Veranstaltungsort. Er warb auch dafür, dass jetzt bald die Anwendungen für Ärzte, aber auch Patienten erlebbar sein müssten, derzeit werde nur davon gesprochen.
„Wenn die elektronische Patientenakte (ePA) 2021 kommt, dann wird sie zu Beginn nicht perfekt sein. Aber der Datenschutz muss perfekt sein“, so Spahn. Mit dem Digitale Versorgungsgesetz (DVG) sei weltweit erstmals die Chance geschaffen worden, dass Start-ups den Zugang zu 70 Millionen Versicherten bekommen werden. Sein Plan sei, in der kommenden Sitzungswoche Anfang November den Bundestag über das DVG abstimmen zu lassen.
Die Rechtsverordnung, wie genau künftig Apps vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bewertet werden, um von den Krankenkassen erstattet werden zu können, soll laut Spahn in den ersten drei Monaten des Jahres 2020 vorliegen. Die Verordnung für Medizinprodukte der Klasse IIb dann im zweiten Quartal 2020. Diese würden dann vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bewertet.
Der Datenschutz dürfe nicht unterschätzt werden, aber es müsse auch dafür geworben werden, dass „Datenschutz und Datensicherheit nicht vermischt werden“, so Spahn. Für den Schutz der Daten seien künftig alle verantwortlich, „und ein Cousin kann nicht mehr die IT-Wartung einer Arztpraxis nebenbei übernehmen".
Spahn riet den Digital-Unternehmern, bei der Wettbewerbsregelung auch auf den Pharmabereich zu schauen. „Schauen Sie ins Heilmittelwerbegesetz, was heute wie beworben werden darf“, erklärte Spahn auf Nachfragen zu Marketingstrategien. Auch Geschenke an verordnende Ärzte seien verboten, diese Skandal-Erfahrungen aus dem Pharmabereich sollten die Digitalunternehmer nicht wiederholen, so der Minister. © bee/aerzteblatt.de

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