Medizin
Mecklenburg-Vorpommern: Der multiresistente Erreger könnte aus Russland stammen
Dienstag, 29. Oktober 2019
Stockholm – Bei dem multiresistenten Keim, der an 3 Kliniken und einer Reha-Einrichtung in Mecklenburg-Vorpommern 17 Menschen infizierte, von denen 6 erkrankten, handelt es sich um den Stamm Klebsiella pneumoniae ST307. Er wurde in diesem Jahr auch in Finnland bei einem Patienten nachgewiesen, der zuvor in Russland behandelt worden war. Dies geht aus einem Rapid Risk Assessment des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hervor. Wie genau der Keim nach Deutschland gelangte, ist unbekannt.
Klebsiella pneumoniae ist ein weit verbreiteter Auslöser von nosokomialen Infektionen. Auf Intensivstationen in Europa ist er der dritthäufigste Erreger von Pneumonien, Blutstrominfektionen und Harnwegsinfektionen. Infolge des Antibiotikaeinsatzes sind die Erreger meist gegen mehrere Antibiotika resistent. Der Keim, der zwischen Juni und September insgesamt 17 Patienten infizierte, wurde als 4MRGN eingestuft, da er gegen vier Antibiotika-Gruppen resistent war.
Im einzelnen waren dies laut ECDC erstens Penicilline (Piperacillin/Tazobactam, Temocillin), zweitens Cephalosporine, einschließlich Kombinationen mit Betalaktamase-Inhibitoren (Cefotaxim, Ceftazidim, Ceftazidim/Avibactam, Ceftolozan/Tazobactam, Cefemepemim (Cefemolozan) Doripenem), Aztreonam, drittens Fluorchinolone (Ciprofloxacin und Levofloxacin), viertens Aminoglykoside (Amikacin, Gentamicin und Tobramycin) sowie Fosfomycin, Trimethoprim-Sulfamethoxazol und Colistin.
Eine Antibiotika-Empfindlichkeit wurde nur für Chloramphenicol, Tigecyclin und Cefiderocol nachgewiesen. Cefiderocol ist ein neues in Europa noch nicht zugelassenes Antibiotikum.
Die Resistenz ist auf die beiden Carbapenemase NDM-1 und OXA-48 zurückzuführen. Zusätzlich lag eine Resistenz gegen Colistin vor.
NDM-1 ist ein auf dem indischen Subkontinent verbreitetes Resistenzgen, das in Europa erstmals 2008 in Schweden bei einem Patienten gefunden wurde, der zuvor in Indien gelebt hatte. OXA-48 wurde erstmals 2001 in der Türkei identifiziert. Später wurde es in verschiedenen europäischen Ländern gefunden, darunter in Deutschland. Die Colistin-Resistenz ist auf das Gen „mcr“ (mobile colistin resistance) zurückzuführen.
Der Stamm ST307 wird als hoch gefährlich eingestuft (Virulenz-Score 4/5). Er besitzt die Virulenz-Gene Yersiniabactin und Aerobactin. Ein Gencluster für die Glykogensynthese und eine erhöhte Resistenz gegen Angriffe des Complement-Systems scheint dem Stamm ST307 einen Überlebensvorteil gegenüber anderen K. pneumoniae zu verschaffen.
Wie der Keim nach Deutschland gelangte, ist unklar. Auffällig ist eine weitgehende genetische Übereinstimmung mit einem Isolat, das in diesem Jahr in Finnland bei einem Patienten isoliert wurde, der zuvor in einer Klinik in Sankt Petersburg behandelt worden war.
Die Übertragungswege in Deutschland konnten identifiziert werden. Bis auf einen waren alle Patienten zuvor an der Universitätsmedizin Greifswald behandelt worden, wobei es zeitliche Überlappungen mit dem Aufenthalt auf derselben Station gab. Auf der Station selbst wurde der Erreger nicht gefunden, so dass die Hygieniker von einer direkten Übertragung von einem Patienten auf den nächsten ausgehen.
Für Deutschland ist dies der 1. gemeldete Ausbruch mit einem Stamm, der sowohl NDM-1 als auch OXA-48 produziert. Inzwischen ist die Gefahr vorüber. Seit Ende September wurden keine weiteren Infektionen beobachtet.
Für gesunde Menschen ist das Bakterium nach Einschätzung des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern ungefährlich. Schwere Infektionen seien nur bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem zu befürchten, heißt es in einer Pressemitteilung. © rme/aerzteblatt.de
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