Politik
Pro und Contra: Sollte die nichtkommerzielle Leihmutterschaft auch in Deutschland unter Auflagen erlaubt werden?
Montag, 11. November 2019
Berlin – Anders als in vielen europäischen Nachbarländern sind hierzulande Eizellspende und Leihmutterschaft verboten, die Embryonenspende ist umstritten. Wissenschaftler der Nationalen Akademie der Wissenschaft Leopoldina und der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften forderten daher im Juni in einer Stellungnahme eine Neuregelung der Reproduktionsmedizin.
Das Thema Leihmutterschaft beschränkte die Leopoldina dabei bewusst auf einige Minimalforderungen für Paare, die eine Leihmutterschaft im Ausland in Anspruch genommen haben. Denn bei der Leihmutterschaft handle es sich um das schwierigste Thema, weshalb vorerst nur die drängesten Probleme angesprochen wurden, erklärte Jochen Taupitz, Sprecher der interdisziplinären Arbeitsgruppe „Fortpflanzungsmedizin“ der Leopoldina und der Akademienunion bei einer Veranstaltung der FDP im Oktober in Berlin. Im Bundestag haben einige Parteien bereits deutliche Positionen zum äußerst umstrittenen Thema Leihmutterschaft geäußert.
Katrin Helling-Plahr: Schon heute nehmen Paare, die über die finanziellen Mittel verfügen, eine Leihmutterschaft im Ausland in Anspruch.
Fast ein Viertel der Männer und Frauen zwischen 20 und 50 Jahren in Deutschland sind ungewollt kinderlos. Als Freie Demokraten stehen wir an der Seite der Menschen, die sich sehnlichst ein Kind wünschen.
Die altruistische Leihmutterschaft bietet sowohl für heterosexuelle Paare, bei denen die Frau aus medizinischen Gründen keine Kinder bekommen kann, als auch für homosexuelle Paaren eine Chance, sich den Kinderwunsch zu erfüllen.
Schon heute nehmen Paare, die über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügen, eine Leihmutterschaft im Ausland in Anspruch. Dort entscheiden sich auch immer wieder Frauen aus der Not heraus, sich als Leihmütter zur Verfügung zu stellen. Die vorherrschenden medizinischen Bedingungen sind teilweise fragwürdig.
Wenn wir in unserem Land klare Rahmenbedingungen für die altruistische Leihmutterschaft formulieren, ist damit letztlich allen gedient. Dem reproduktiven Medizintourismus in wirtschaftlich schwächere Regionen wird Einhalt geboten, Wunscheltern haben eine Chance auf die Verwirklichung des Kinderwunsches unabhängig vom Geldbeutel und – nicht zuletzt – die Kinder können in rechtssichere Rahmenbedingungen hineingeboren werden.
Um sicherzustellen, dass Leihmutterschaft rein altruistisch, gleichsam als Spende erfolgt, lässt sich ähnlich wie bei der Lebendorganspende eine offenkundige und besondere persönliche Verbundenheit zwischen Leihmutter und Wunscheltern voraussetzen. Auch sollte festgehalten werden, dass die Leihmutter bereits selbst ein Kind zur Welt gebracht hat und somit um die Belastungen weiß, die eine Schwangerschaft mit sich bringt.
Warum soll es in Deutschland nicht erlaubt sein, ein Kind etwa für die beste Freundin, den besten Freund oder die Schwester, die selbst keine Kinder bekommen kann, auszutragen?
Kirsten Kappert-Gonther: Der Kinderwunsch wird auf Kosten einer Dritten realisiert, das ist eine Instrumentalisierung der austragenden Frau.
Die ärztliche Mithilfe sowie die Vermittlung zur Leihmutterschaft sind aus guten Gründen in Deutschland nicht erlaubt und sollten auch weiterhin verboten bleiben. Dass sie in anderen Ländern möglich sind, heißt nicht, dass es hier auch so sein muss.
Der Körper einer Frau wird zum Nutzen der Wunscheltern für das Austragen eines Kindes „geliehen“. Der Kinderwunsch wird auf Kosten einer Dritten realisiert, das ist eine Instrumentalisierung der austragenden Frau.
Familienplanung darf nie auf Kosten von Frauen gehen. Das Kind muss die Trennung von der Leihmutter verkraften und mit einer möglicherweise psychologisch anspruchsvollen Familiensituation lebenslang umgehen. Die Präferenz vieler Wunscheltern, die Leihmutter nicht in ihre Familie zu integrieren, kann im Widerspruch zu den Bedürfnissen des Kindes stehen.
Bei einem Kinderwunsch geht es nicht, anders als bei der Lebendorganspende, um eine lebensrettende, notwendige Behandlung, sondern um die Erfüllung eines Wunsches.
Die Fokussierung auf ein genetisch eigenes Kind ist problematisch. Ein Kinderwunsch kann auf vielfältige Weisen realisiert werden, zum Beispiel durch Adoption. Gesellschaftspolitisch ist die Anerkennung und Förderung dieser Vielfalt die Zukunft. Die klare Abgrenzung zwischen altruistischen und kommerziellen Interessen ist nicht möglich. Eine Kommerzialisierung lehne ich streng ab. Es ist rechtlich nicht möglich zu verhindern, dass Frauen unter emotionalem Druck – gerade in der Familie – oder in finanzieller Abhängigkeit stehen, wenn die Leihmutterschaft erst einmal zugelassen wäre.
Auf die Frage, wie dem unausweichlichen Kommerzialisierungsdruck der Reproduktionsmedizin standgehalten werden soll, wenn Leihmutterschaft einmal per Gesetz als prinzipiell annehmbar gilt, haben die Befürwortenden der Leihmutterschaft keine Antwort.

Leihmutterschaft

"Leihmutterschaft" ist ein Euphemismus
Die Gebärmutter wird nicht "verliehen"! Es ist ja nicht so, dass diese zur Nutzung abgegeben und nach Nutzung wieder zurückgegeben wird. Hier geht eine Frau ein medizinisches Risiko mit kalkulierbarer Mortalität gegen Entgelt ein (derzeit in Dtl. ca. 1:1.000.000). Eigentlich entspricht das Wesen einer solchen Vereinbarung eher einem Arbeitsverhältnis, durch die intendierte Weisungsbefugnis der angehenden "Eltern" an die "Leihmutter" wäre sogar davon auszugehen, dass es sozialversicherungspflichtig wäre und damit auch geltendem Arbeitsrecht und Arbeitsschutzbestimmungen unterläge. Spätestens da dürfte klar werden, dass Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander liegen.
Ein kurzer Exkurs zu den aus meiner Sicht idealisierten Pro-Leihmutterschaft-Beiträgen im Kommentar-Vorlauf. Natürlich ist ein erfolgreich durchlaufenes Verfahren für die neugebackenen Eltern ein unendliches Glückserlebnis. Wie glauben diejenigen dann aber, wie mit der Situation umzugehen ist, wenn die "Leih"-mutter gesundheitlichen Schaden nimmt, ggf. verstirbt und dann selbst ihre eigene Familie traumatisiert zurücklässt? Eine Risiko-Lebensversicherung für die Leihmutter, die auch die Lebenshaltungskosten für die bestehenden eigenen Kinder abdeckt, eine Hinterbliebenenrente auf Kosten des auftraggebenden Paares? Ich vermisse bei den Befürwortern den Versuch der Passung der Technologie in unsere Gesellschaft.

Falsche Zahlen

Gerade wird groß berichtet
Wenn sich eine Mutter oder Schwester bei krankheitsbedingter Unfruchtbarkeit als Leihmutter zur Verfügung stellen, könnte das ethisch vertretbar sein - ansonsten ist die Nutzung des Uterus einer Frau ausschließlich zum Austragen eines fremden Kindes eine unglaublich verächtliche Form der Ausbeutung.
Wer sich über eine Leihmutter ein Kind verschafft - sei es, um sich die Last einer Schwangeschaft zu ersparen oder eine intime Beziehung zu einer Frau - ist als Eltern(teil) ungeeignet und sollte keinesfalls das Sorgerecht für das Kind erhalten.
Sich über Sexarbeit ereifern und Leihmutterschaft verteidigen - das ist pervers!

Ist sehr zu bezweifeln, genau.

»Geliehene Bäuche – Gekaufte Kinder: Big Business Leihmutterschaft« – Aktuelle FilmDoku von DemoFürAlle

Loyalität zur Leihmutterschaft

Leihmutterschaft in Deutschland

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