Medizin
Genschere CRISPR/Cas9 soll Wirksamkeit der Krebszelltherapie verbessern
Donnerstag, 7. November 2019
Philadelphia – Die Erfinder der CAR-T-Zelltherapie, die Abwehrzellen des Patienten im Labor auf den Angriff gegen Krebszellen trimmt, haben eine weitere Zelltherapie entwickelt. Dieses Mal werden mit der Genschere CRISPR/Cas9 zusätzlich einzelne Gene aus dem Erbgut der T-Zellen entfernt, um die Krebsabwehr weiter zu steigern.
Die CAR-T-Zell-Therapie ist eine ausgefeilte Krebsbehandlung. Den Patienten werden per Apherese T-Zellen entnommen. Diese werden im Labor mit einem chimären Antigen-Rezeptor (CAR) ausgestattet, der Krebszellen anhand von bestimmten Oberflächenmarkern erkennt. Nach einer Vermehrung in Zellkulturen werden die CAR-T-Zellen dem Patienten über eine Infusion verabreicht.
Die beiden bisher zugelassenen Vertreter Tisagenlecleucel und Axicabtagen-Ciloleucel sind darauf spezialisiert, Zellen mit dem Oberflächenmarker CD19 zu erkennen, der bei bestimmten Leukämien auftritt. Die CAR-T-Zelltherapie kann jedoch im Prinzip auch auf anderen Krebszellen ausgerichtet werden.
Neuer Angriffspunkt auf Krebszellen
Das Team um Carl June vom Abramson Cancer Center in Philadelphia hat jetzt eine weitere Variante der Zelltherapie entwickelt. Der Angriffspunkt ist dieses Mal das Antigen NY-ESO-1, das bei einer Vielzahl von Krebsformen auf den Zellen gebildet wird. Auf gesunden Zellen tritt das Antigen nicht auf. Dies ist wichtig, da der Angriff auf die Krebszellen beschränkt bleiben soll.
Um die Krebszellen auf den Angriff vorzubereiten, mussten sie mit einem T-Zell-Rezeptor ausgestattet werden, der das Antigen NY-ESO-1 erkennt. Solche Zellen haben die US-Onkologen bereits bei 25 Patienten mit Multiplem Myelom eingesetzt. Nach den jüngst in Blood Advances (2019; 3: 2022-2034) vorgestellten Ergebnissen lebten die Patienten nach der Behandlung noch 6,4 bis 66,7 Monate.
Für die aktuelle Studie wurden die Zellen einer weiteren Modifikation unterzogen. Die Forscher entfernten die beiden Gene (TCRalpha und TCRbeta), die den natürlichen T-Zell-Rezeptor kodieren. Dieser wird nach Ansicht der Forscher nicht mehr benötigt, da die Zellen ja mit einem neuen T-Zell-Rezeptor ausgestattet wurden. Bei dieser Gelegenheit wurde als drittes Gen PD-1 entfernt. Es handelt sich um einen Rezeptor, über den regulatorische T-Zellen die Aktivität der T-Zellen bremsen können. Auch viele Krebszellen nutzen diese Möglichkeit, um sich vor Angriffen zu schützen. Onkologen ist PD-1 als Ansatzpunkt von Checkpoint-Inhibitoren bekannt. Die Entfernung des PD-1-Gens könnte die gleiche Wirkung haben und die Effektivität der T-Zellen erhöhen.
DNA der Patienten soll nicht verändert werden
Als Instrument zur Entfernung der 3 Gene benutzen die Forscher die Genschere CRISPR/Cas9, mit der die DNA an bestimmten Stellen zerschnitten werden kann, was bei der anschließenden Reparatur meist zu einem Gendefekt führt. CRISPR/Cas9 ist zuletzt als Instrument zur Erbgut-Manipulation in die Diskussion geraten. June betont deshalb, dass es nicht das Ziel der Therapie sei, die DNA der Patienten zu verändern. CRISPR/Cas9 komme nur im Labor zum Einsatz und dort nur zur Herstellung der modifizierten T-Zellen. Dennoch waren die administrativen Wege für die neue Therapie lang. Die Forscher mussten nicht nur die Arzneimittelbehörde FDA, sondern auch das „Recombinant DNA Research Advisory Committee“ des National Institutes of Health davon überzeugen, dass ihre Behandlung keine unvorhersehbaren Folgen haben kann.
zum Thema
- Kongressabstract
- Studie in Blood Advances 2019
- Pressemitteilung von Penn Medicine
- Registrierung der Studie
aerzteblatt.de
Nachdem die notwendigen Genehmigungen vorlagen, wurden im Rahmen einer Phase 1-Studie die ersten 3 Patienten behandelt. Die Ergebnisse sollen im nächsten Monat auf der Jahrestagung der American Society of Hematology in Orlando/Florida vorgestellt werden. Die Abstracts des Kongresses wurden bereits im Vorfeld veröffentlicht.
Wie Edward Stadtmauer vom Abramson Cancer Center und Mitarbeiter berichten, litten 2 Patienten unter einem Multiplen Myelom. Bei dem 3. war ein myxoides/rundzelliges Liposarkom (MRCLS) diagnostiziert worden. Bei den beiden Patienten mit Multiplem Myelom waren 3 oder mehr frühere Behandlungen gescheitert. Der Patient mit dem MRCLS litt unter einer fortgeschrittenen Erkrankung, die keiner operativen Therapie mehr zugänglich war. Alle Patienten wiesen den HLA-Typ A*0201 auf, da die im Labor veränderten T-Zellen nur Zellen mit diesem Gewebsantigen attackieren können.
Genmanipulierte Zellen rufen keine Immunreaktion hervor
Laut Stadtmauer wurde das Ziel der Phase-1-Studie erreicht. Die Infusion der mehrfach genmanipulierten Zellen erwies sich als sicher. Abwehrreaktionen anderer Immunzellen seien nicht aufgetreten. Es wurde befürchtet, dass die T-Zellen aufgrund der Genmanipulation vom übrigen Immunsystem als „fremd“ eingestuft und deshalb angegriffen würden. Dies ist offenbar nicht eingetreten.
Ob die Behandlung auch therapeutisch ein Erfolg war, lässt sich laut Stadtmauer noch nicht beurteilen. Bei dem ersten Patienten scheint die Behandlung nicht angesprochen zu haben. Nach den Angaben im Abstract kam es bereits nach 60 Tagen zu einer erneuten Krankheitsprogression. Bei dem 2. Patienten konnte die Tumorprogression gestoppt, aber keine Remission erzielt werden („stable disease“). Bei dem 3. Patienten liege die Behandlung noch nicht lange genug zurück, um die Wirksamkeit zu beurteilen, heißt es im Abstract. © rme/aerzteblatt.de
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