Medizin
Beta-Thalassämie: Luspatercept vermeidet Transfusionen durch Reifung der Erythrozyten
Dienstag, 12. November 2019
Silver Spring – Der „Erythroid Maturation Agent“ Luspatercept, der die Reifung von Erythrozyten im Knochenmark fördert, hat in einer klinischen Studie bei Patienten mit Beta-Thalassämie den Transfusionensbedarf deutlich gesenkt. Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat den neuartigen Wirkstoff jetzt für diese Indikation zugelassen. Weitere Einsatzgebiete könnten folgen.
Die Beta-Thalassämie wird durch verschiedene Mutationen im Gen für die Beta-Kette des Hämoglobins ausgelöst. Die Folge ist eine Reifestörung der Erythrozyten. Dabei sollen Proteine der TGFbeta-Superfamilie eine Rolle spielen. Luspatercept bindet diese Proteine und fördert dadurch die Reifung (Maturation) der Vorläuferzellen („erythroid cells“).
Das neue Behandlungskonzept hat sich zuletzt in einer Phase 3-Studie als effektiv erwiesen. An der randomisierten BELIEVE-Studie hatten 336 Patienten mit Beta-Thalassämie teilgenommen, die in den vorangegangenen 24 Wochen sechs bis 20 Erythrozyten-Einheiten benötigt hatten, wobei der Zeitraum zwischen zwei Transfusionen nicht länger als 35 Tage war.
Die Teilnehmer erhielten alle drei Wochen eine subkutane Injektion mit Placebo oder Luspatercept in einer Anfangsdosis von 1 mg/kg (und anschließender Titration auf bis zu 1,25 mg/kg). In beiden Behandlungsarmen erhielten die Patienten weiterhin Transfusionen und eine Eisenchelat-Therapie mit dem Ziel, den Hämoglobin-Ausgangswert jedes Patienten aufrechtzuerhalten. Die Randomisierung erfolgte im Verhältnis 2 zu 1. Primärer Endpunkt war eine hämatologische Verbesserung, definiert als ein Rückgang der Transfusionen (von Erythrozytenkonzentraten) um mindestens ein Drittel.
Dieses Ziel erreichten im Verlauf der Studie in der Luspatercept-Gruppe 48 von 224 Patienten (21,4 %) gegenüber nur fünf von 112 Patienten (4,5 %) in der Placebogruppe. Die Differenz von 17,0 %punkten war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 10,4 bis 23,6 %punkten hochsignifikant. Die Ergebnisse der Studie, die bereits im letzten Jahr auf der Jahrestagung der American Society of Hematology vorgestellt, bisher aber nicht publiziert sind, haben die FDA jetzt zur Zulassung bewogen.
Zu den häufigen Nebenwirkungen gehören laut FDA Kopfschmerzen, Knochen- und Gelenkschmerzen, Müdigkeit, Husten, Bauchschmerzen, Durchfall und Schwindel. Bei jedem zehnten Patienten (10,7 %) war es in den klinischen Studien zu einer arteriellen Hypertonie gekommen. Die FDA rät deshalb zu regelmäßigen Blutdruckkontrollen und gegebenenfalls zur Einleitung einer blutdrucksenkenden Behandlung.
Ein weiteres Risiko sind thromboembolische Ereignisse, also tiefe Venenthrombosen, Lungenembolien, Pfortaderthrombosen und ischämische Schlaganfälle. Diese Komplikationen waren in den Studien bei 3,6 % der Patienten aufgetreten. Die FDA rät hier zu erhöhter Aufmerksamkeit. Luspatercept ist embryo- und fetotoxisch. Die FDA fordert deshalb Frauen auf, bei einer Behandlung eine wirksame Verhütungsmethode anzuwenden. Für Schwangere oder stillende Frauen besteht eine Kontraindikation.
Der Wirkstoff könnte auch für die Behandlung des myelodysplastischen Syndroms interessant werden, bei dem es ebenfalls zu einer Reifestörung der Erythrozyten kommt. Der Hersteller lässt derzeit die Wirksamkeit in einer Phase 3-Studie prüfen. Eine Phase 2-Studie prüft den möglichen Einsatz bei der Myelofibrose. Der Hersteller hat auch bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur einen Antrag auf Zulassung gestellt. © rme/aerzteblatt.de
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