Medizin
E-Zigaretten können lebensgefährliche Hypersensitivitäts-Pneumonitis verursachen
Mittwoch, 13. November 2019
Nottingham – Die verschiedenen Inhaltsstoffe von E-Zigaretten können offenbar schwere Überempfindlichkeitsreaktionen auslösen. Britische Ärzte berichten in den Archives of Disease of Childhood (2019; doi: 10.1136/archdischild-2019-317889) von einem Teenager, der eine lebensgefährliche Hypersensitivitäts-Pneumonitis entwickelte und nur knapp mit dem Leben davonkam.
Der 16-jährige Jugendliche war im Verlauf einer Woche an Fieber, anhaltendem Husten und zunehmender Atemnot erkrankt. Nachdem Antibiotika und der Bronchodilatator Salbutamol die Symptome nicht abschwächten, wurde er in der Universitätsklinik in Nottingham stationär aufgenommen.
Dort verschlechterte sich sein Zustand rapide. Es kam zu einem Lungenversagen, das eine Beatmung erforderlich machte. Wegen einer fehlenden Verbesserung wurde der Patient auf eine Spezialstation zur extrakorporalen Membranoxygenierung überwiesen. Erst nach 3 Tagen, in denen er zusätzlich intravenös mit Antibiotika und Steroiden behandelt wurde, konnte der maschinelle Gasaustausch beendet werden.
10 Tage später verschlechterte sich der Zustand des Patienten erneut. Infolge der schweren Krankheit und/oder der Steroidbehandlung war es zu einer schweren Myopathie gekommen, von der sich der Patient nur langsam erholte.
Das Ärzteteam um Jayesh Bhatt stellte die Verdachtsdiagnose einer Pneumonitis. Dafür sprachen die CT-Befunde (Milchglastrübung mit perihilärer Verdickung der Bronchienwände) und die Ergebnisse der Bronchiallavage (Makrophagen, Neutrophile und vermehrt Eosinophile als Hinweis auf eine aktive Entzündung) sowie das Fehlen jeglicher Hinweise auf eine Infektion.
Zunächst wurde Cannabis als Auslöser vermutet. Der Patient gab aber an, dass er es seit einem Jahr nicht mehr geraucht hätte. Er hatte auch keinen Kontakt zu Nutztieren oder Vögeln gehabt und war nicht nach Übersee gereist.
Bei einer Befragung gab er an, seit kurzem E-Zigaretten mit 2 verschiedenen Liquids zu konsumieren. Die Ärzte führten daraufhin – 2 Monate nach Beginn der Erkrankung – Pricktests mit den beiden Liquids durch. Auf der Haut kam es zu keiner Reaktion, doch 8 Stunden später erlitt der Patient eine erneute Exazerbation seiner Atembeschwerden mit Keuchen und Luftnot. Der Anfall konnte durch Salbutamol und orale Steroide kupiert werden.
Nach dem allmählichen Absetzen der Steroide kam es erneut zu einer Exazerbation (wobei der Patient jeglichen erneuten Konsum von E-Zigaretten kategorisch abstritt). Die Ärzte führten eine Lungenbiopsie durch. Es wurde eine Entzündungsreaktion mit Makrophagen in den Alveolarräumen und die Bildung von hyalinen Membranen gefunden. Teile der Schäden könnten laut Bhatt auf die Beatmung und die Steroidbehandlung zurückzuführen sein.
Die Diagnose einer Überempfindlichkeitsreaktion auf die Liquids konnte durch die Untersuchung von Serumproben erhärtet werden. Mit einem eigens angefertigten „Enzyme-linked Immunosorbent Assay“ (ELISA) wurden Antikörper gegen beide Liquids nachgewiesen.
Nach 14 Monaten ist der Teenager beschwerdefrei. Seine Lunge hat sich laut Bhatt vollständig von der Hypersensitivitäts-Pneumonitis erholt. Ob es sich um einen Einzelfall handelt, ist unklar. Die britischen Mediziner raten ihren Kollegen bei einer atypischen Atemwegserkrankung, an E-Zigaretten als möglichen Auslöser zu denken. © rme/aerzteblatt.de
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Auch VOR den E-Zigaretten
Auf 60 Mio Briten sind also 1.200 bis 4.800 Fälle pro Jahr zu erwarten.
Mit der zunehmenden Häufigkeit des Dampfens sind natürlich auch Koinzidenzen in zunehmender Zahl zu erwarten, aus denen NICHT auf einen kausalen Zusammenhang geschlossen werden darf.
Nimmt man das Medienecho auf die "Vaping Disease", scheint akute Lungenversagen unter "Dampfern" sogar seltener zu sein als in der nicht dampfenden Normalbevölkerung.
Bitte Vorsicht bei der Interpretation von (noch) Einzelfällen!

...Erratum
Antwort der Autoren: »at our peril means at our great danger DEFINITELY NOT MUCH SAFER« Dr Jayesh M Bhatt
RICHTIG muss es sinngemäß also etwa heißen:
"Die zweite ist, dass E-Zigaretten nicht unbedingt sicherer sind als Tabak." (z.B. https://www.derstandard.de/story/2000111104279/16-jaehriger-brite-erlitt-durch-e-zigarette-atemstillstand)
Ich bitte das Versehen zu entschuldigen.
Unbeschadet dessen teilt der Unterzeichner diese Ansicht NICHT (siehe u.a. angegebene Referenzen).

... Wahrheit und Klarheit, bitte!
a) »Die verschiedenen Inhaltsstoffe von E-Zigaretten können offenbar schwere Überempfindlichkeitsreaktionen auslösen.«
b) »Mit einem eigens angefertigten „Enzyme-linked Immunosorbent Assay“ (ELISA) wurden Antikörper gegen beide Liquids nachgewiesen.«
Ad a)
"Die verschiedenen Inhaltsstoffe" ist offenbar so zu verstehen, als ob MEHRERE Inhaltsstoffe für die "allergische" Reaktion ursächlich sein können. Genau das wurde vorliegend aber NICHT nachgewiesen oder behauptet. Es wurden IgM-Antikörper auf EIN LIQUID nachgewiesen (hierzu sogleich mehr).
Es wurde hingegen nicht näher differenziert, gegen WELCHEN INHALTSSTOFF GENAU sich die Antikörperreaktion richtete.
»The listed ingredients of both the liquids were identical except for the unnamed flavourings (see figure 1).«
Da aber nun die IgM-Antikörper nur gegen EINES von zwei Liquids nachgewiesen wurden, scheiden (zumindest vorläufig) GEMEINSAME Inhaltsstoffe (weitgehend) aus, also vorliegend insbesondere die mengenmäßig bedeutsamsten Stoffe PG (Polyethylenglycol) und VG (Vegetable Glycerin), was natürlich nicht bedeutet, dass nicht – in anderen Fällen – auch allergische Reaktionen auf die genannten Inhaltsstoffe auftreten KÖNNTEN. Nikotin wurde nicht erwähnt, sollte aber – nach hiesigem besten Wissen – (ebenfalls) weitgehend unverdächtig sein.
Bei der immunologischen Untersuchung wurde übrigens "Liquid" und NICHT "Dampf" getestet, so dass hier thermisch veränderte Substanzen eher unverdächtig sind (da ja Antikörper GEFUNDEN wurden).
Somit bleiben Aromastoffe ("flavorings") aus Liquid 1 als (Haupt-) Verdächtige übrig, wie die Autoren ja auch vermuten. Da man diese aber nicht näher beschreiben konnte, bleibt die Anzahl offen. "Aromen" bestehen nun üblicherweise aus deutlich unter 50, bei Tabakaromen bis zu 100 einzelnen chemisch definierten Substanzen (2), übrigens im Gegensatz zu Tabakzigaretten, bei denen heute von mehreren tausend "Chemikalien" ausgegangen wird (Naturprodukt!).
RICHTIG muss es also heißen:
EINZELNE Inhaltsstoffe (...), also einer (siehe folgenden Abschnitt, Singular: „the eliciting antigen“!) oder mehrere.
b)
»As shown in figure 1, [...] the patient had IgM specific for liquid 1, but not liquid 2, raising the possibility that the eliciting antigen was present in liquid 1.«
Die LEGENDE zu den dargestellten Reaktionen geht aus dem Text hervor: Patientenserum ist in Abb. 1 als P v1 (Tag 50) bzw. P v2 (Tag 122) abgebildet, HC (1...5) sind „Healthy Controls“ (gesunde Niemalsraucher/-dampfer), „A Liquid 1-specific IgM“ und „B Liquid 2-specific IgM“. Aus Abb. 1B geht hervor, dass KEINE Reaktion des Patientenserums (P v1 bzw. P v2) auf Liquid 2 festgestellt wurde.
Richtig ist lediglich, dass es bei Liquid B zu einer Reaktion bei drei GESUNDEN Probanden kam (Liquid A: EIN Proband), was immer das (klinisch) bedeuten mag. Jedenfalls hatten diese Befunde keine Relevanz für den vorliegenden Krankheitsfall.
Die oben zitierte Aussage (b) ist also – und bezogen auf den beschriebenen Patienten – sachlich UNRICHTIG.
Bitte also höflichst um SORGFÄLTIGE Berichterstattung (und unbenommen, aus wessen Feder auch immer (!) die kritisierten Aussagen stammen).
GERADE im aktuellen Umfeld (unbegründete „Panikmache“ gegen E-Zigaretten, statt gegen „gepanschte E-Joints“) ist (hoffentlich nicht nur!) nach Auffassung des Unterzeichners eine sachlich korrekte und ggf. vollständige Darstellung von Fakten, ggf. eben weitergehende Recherche, unverzichtbar.
Die Autoren schreiben übrigens selbst als Zusammenfassung (Übersetzung durch den Unterzeichner):
»Hier gibt es zwei wichtige Lektionen. Das erste ist, immer eine Reaktion auf E-Zigaretten bei einer Person mit einer atypischen Atemwegserkrankung in Betracht zu ziehen. Die zweite ist, dass wir E-Zigaretten auf unsere Gefahr als „viel sicherer als Tabak“ betrachten.«
_____________
Der Unterzeichner stellt ausdrücklich klar, dass a) kein Interessenkonflikt besteht, und b) auch für ihn der Schutz menschlichen Lebens unverhandelbar ist.
MfkG Dr. A. Schnitzler, FAfIM, Lüneburg
(1) Link zur Originalstudie (PDF):
https://adc.bmj.com/content/archdischild/early/2019/10/21/archdischild-2019-317889.full.pdf
(2) Bernd Mayer: Dampfen statt Rauchen Teil 8 - Sind inhalierte Aromastoffe schädlich? https://www.youtube.com/watch?v=K4R4BubdZWk
ergänzend:
- https://ig-ed.org/2019/01/prof-dr-mayer-sieben-haeufig-vorgebrachte-argumente-gegen-das-dampfen/
- http://e-dampfen.info/wissenschaft/veroeffentlichungen-von-dr-bernhard-michael-mayer/

Ärzte-BILD
Kann es sein, dass hier ein militanter Gegner des Vapens oder ein Tabak-Lobbyist (oder beides) am Werk ist, der sich alles, was mit dem Thema zu tun hat greift, die Tatsachen zum Teil erheblich verdreht und möglichst negativ berichtet?
Da wird - selbst als die Ursache längst bekannt ist - immer wieder berichtet, dass die in den USA aufgetretene Lungenerkrankung "durch E-Zigaretten" ausgelöst wurde.
Und am Tod von Heroinsüchtigen sind Löffel und Spritze verantwortlich?
Und weil man diese Behauptung nun nicht mehr aufrecht erhalten kann, kommt jetzt die Allergie-Karte!
Da die meisten Dampfgeräte aus Metall sind - wie wäre es noch mit einem Bericht über durch Vapen ausgelöste Nickel-Kontaktallergien? Oder Arthrose in den Fingern aufgrund des häufigen Drückens der "Feuertaste"? Oder ein Amok-Lauf eines Vapers auf Entzug, aufgrund der Tatsache, dass es Liquids nicht -wie Zigaretten- im Automaten gibt?
Ich schlage vor, dieses Blatt in "Ärzte-BILD" umzubenennen.

Antikörper gegen "Liquids"
Aber nein, es wird pauschalisiert und das Dampfen an sich verteufelt. Das ist unwissenschaftlich. Das Deutsche Ärzteblatt sollte höhere Ansprüche an die Artikel stellen, die es veröffentlicht.

Allergien und Überempfindlichkeiten ...
Pollen, Gräser, Tierhaare, Lebensmittel, Metalle (angeblich sogar Gold) ...
Es wäre verblüffend, wenn sich nicht auch ein Fall von Überempfindlichkeit gegen irgendwelche Aromastoffe in einem Liquid findet. Wahrscheinlich gibt es solche Fälle im kommenden Monat geballt im Zusammenang mit Nadelbäumen, Duftkerzen, Lebkuchen oder Zimtsternen. Niemand wird sich wundern, niemand überhaupt berichten. Aber da es sich hier um E-Zigaretten handelt, ist das natürlich eine "Story".

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