Medizin
Diclofenac: Häufige Verordnungen an Risikopatienten halten trotz Warnung an
Mittwoch, 13. November 2019
Bremen – Das Schmerzmittel Diclofenac, das aufgrund seiner hohen Selektivität zum COX-2-Enzym das Risiko von Herzinfarkt und Schlaganfall erhöht, wird trotz einer Warnung in einem Rote-Hand-Brief weiterhin häufig an Risikopatienten verschrieben. Eine Auswertung von Krankenkassendaten im Journal of Internal Medicine (2019; doi: 10.1111/joim.12990) ergab, dass bei mehr als jedem zehnten Patienten Kontraindikationen ignoriert werden.
Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) erzielen ihre Wirkung überwiegend durch die Inhibition des Enzyms Cyclooxygenase (COX), das in den beiden Isoformen COX 1 und COX 2 vorliegt. Mittel, die selektiv die Isoform COX 2 hemmen, führen seltener zu gastrointestinalen Komplikationen (zu denen Blutungen gehören).
Sie erhöhen allerdings die kardiovaskulären Risiken. Der COX 2-Inhibitor Rofecoxib (Vioxx) wurde 2004 vom Markt genommen, weil es in einer Studie doppelt so häufig zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere Herzinfarkten, instabiler Angina Pectoris und Schlaganfällen gekommen war wie in der Placebo-Gruppe.
In den Folgejahren wurde entdeckt, dass sich die konventionellen NSAID in ihrer Selektivität für COX 1 und COX 2 unterscheiden. Das Mittel mit der stärksten COX 2-Selektivität ist Diclofenac. 2 Meta-Analysen bestätigten, dass die Einnahme von Diclofenac mit einem Anstieg von kardiovaskulären Ereignissen verbunden ist.
Dies führte zu Einschränkungen der Verordnung, über die die Hersteller die Ärzte im Juli in einem Rote-Hand-Brief auf Anordnung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Juli 2013 informierten.
Diclofenac ist seither kontraindiziert bei Patienten mit bestehender Herzinsuffizienz (New York Heart Association, NYHA, Stadien II-IV), ischämischer Herzerkrankung, peripherer Arterienerkrankung oder zerebrovaskulärer Erkrankung. Auch Patienten mit signifikanten Risikofaktoren für kardiovaskuläre Ereignisse (etwa Hypertonie, Hyperlipidämie, Diabetes mellitus, Rauchen) darf Diclofenac nur nach sorgfältiger Abwägung verordnet werden. Die Ärzte wurden aufgefordert, die niedrigste wirksame Dosis über den kürzesten zur Symptomkontrolle erforderlichen Zeitraum anzuwenden.
Absoluter Rückgang bei Verordnungen
Ein Team um Ulrike Haug vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen hat in einer Studie untersucht, ob sich der Rote-Hand-Brief auf die Verordnungshäufigkeit von Diclofenac ausgewirkt hat.
Die Forscher haben dazu die pharmakoepidemiologische Forschungsdatenbank ausgewertet, die derzeit Zugriff auf die Daten von 25 Millionen Kassenpatienten in Deutschland hat. Zum Datensatz gehören neben den Verordnungen auch die Diagnosen, die bei niedergelassenen Ärzten oder anlässlich einer Krankenhausbehandlung gestellt wurden.
Zunächst zeigte sich, dass 2014 im Vergleich zu 2011 absolut gesehen deutlich weniger Diclofenac erstmalig verschrieben wurde. Bei den weiblichen Patienten betrug der Rückgang der Neuverordnungen 29 % (von 8,2 auf 5,8 %) und bei den männlichen Patienten 26 % (von 8,5 auf 6,3 %). Dieser Rückgang wurde durch die häufigere Verordnung anderer NSAID aufgefangen.
Der Abgleich mit den ambulanten und stationären Diagnosen im Jahr vor der Neuverordnung ergab jedoch, dass die Zahl der Patienten, denen trotz bestehender Risiken Diclofenac verschrieben wurde, fast gleich geblieben ist. Im Jahr 2011 wiesen 12,0 % eine Kontraindikation auf, im Jahr 2014 waren es 11,8 %.
Die Forscher vermuten, dass es sich beim Rückgang der Diclofenac-Verordnungen um einen allgemeinen Trend handelt, der nicht durch den Rote-Hand-Brief beeinflusst wurde. Jedenfalls würden sich die neuen Kontraindikationen im Verschreibungsverhalten nicht widerspiegeln.
Der hohe Anteil von Diclofenac-Verordnungen bei Patienten mit Kontraindikationen könnte nach Einschätzung von Haug gravierende Folgen haben. Man müsse davon ausgehen, dass es aufgrund dieser Verordnungen zu Herzinfarkten und Schlaganfällen komme, die durch die Wahl eines anderen NSAID hätten vermieden werden können.
Die Expertin fordert mehr Aufklärung in Arztpraxen zu den Risiken von Diclofenac sowie Studien, in denen untersucht werden sollte, wie das Verordnungsverhalten in Risikogruppen nachhaltig beeinflusst werden kann. © rme/aerzteblatt.de
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Das Enzym Bromelain senkt das Schmerzempfinden
macht so manche Schmerztablette überflüssig oder die Dosierung kann vermindert werden.
Ich weise auch auf Petasites (Pestwurz) hin, das bei diversen Schmerzzuständen und kurzzeitiger
Einnahme gute Erfolge erzielt. Bei langzeitiger Einnahme sind die Nebenwirkungen nicht erforscht.

Angst vor Opioiden?
NSAR führen zu Natrium- und Wasserretention, Blutdruckanstieg, Einschränkung der Nierenfunktion und als Folge zu Herzinsuffizienz, Schlaganfällen, Nierenversagen und sonstigen Herz- Kreislauferkrankungen.
Opioide dagegen - zB sublinguales Buprenorphin - gewährleisten sichere Schmerzkontrolle ohne signifikante Nebenwirkungen, bei richtiger Anwendung auch ohne Suchtrisiko.
Es st unverständlich, wenn diese Medikamente so selten eingesetzt werden, meist nur schache Opioide wie Tramadol und Tilidin mt unverhältnismäßigen Nebenwirkungen oder unnötigerweise extrem potente Stoffe wie Fentanylpflaster.

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