Politik
Bundestag beschließt Masernschutzgesetz
Donnerstag, 14. November 2019
Berlin – Das Masernschutzgesetz von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist heute nach seiner zweiten und dritten Lesung im Bundestag gegen die Stimmen der AfD-Fraktion und bei einigen Enthaltungen von Abgeordneten der Grünen und Linken verabschiedet worden. In Kitas, Schulen, Flüchtlingsunterkünften und für Mitarbeiter im Gesundheitswesen wird es künftig eine Impfpflicht gegen Masern geben.
Bei der namentlichen Abstimmung sprachen sich 459 Abgeordnete für das „Gesetz für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention“ in der Beschlussfassung des Gesundheitsausschusses aus. 89 Abgeordnete stimmten dagegen. Von den insgesamt 653 abstimmenden Abgeordneten enthielten sich 105. Die ebenfalls diskutierten Anträge der FDP, der Grünen sowie der AfD-Fraktion wurden mehrheitlich abgelehnt. Das Masernschutzgesetz soll zum 1. März 2020 in Kraft treten.
Spahn betonte bei der vorausgehenden Debatte, dass es sich bei der geplanten Impfpflicht gegen Masern in Kitas und Schulen im Grunde um Kinderschutz handele. „Das Masernschutzgesetz ist ein Kinderschutzgesetz“, erklärte er. Es gehe nicht nur um die Freiheit des Einzelnen, sondern um die Verantwortung des Einzelnen.
„Wir wollen den Schutz der Jüngsten vor einer Krankheit, die einen tödlichen Verlauf nehmen kann und gegen die es keine Therapie gibt.“ Masern seien heutzutage eine „unnötige Gefährdung“, erklärte der Bundesgesundheitsminister. Wenn die Kinder dabei die gängigen und risikoarmen Mehrfachimpfungen erhielten, sei das zusätzlich gut. „Es gibt kein Grundrecht auf Röteln“, so Spahn.
Größte Errungenschaften der Menschheit
Impfungen seien eine der größten Errungenschaften der Menschheit, sagte der Bundesgesundheitsminister. „Wir finanzieren weltweit mit deutschen Steuergeldern Impfprogramme, weil wir Krankheiten ausrotten wollen.“ Bei den Pocken sei das gelungen. Ziel sei es nun, auch die Masern zu eliminieren. „Das kann nur gelingen, wenn sich möglichst alle selbst und ihre Kinder impfen lassen. Das Gesetz schafft dafür wichtige Voraussetzungen“, so Spahn.
Kern des Masernschutzgesetzes ist, dass für Kinder vor der Aufnahme in Kitas, Schulen und Kindertagespflegeeinrichtungen der Nachweis erbracht werden muss, dass die Kinder wirksam gegen Masern geimpft sind. Auch Ärzte sowie weiteres medizinisches Personal und Mitarbeiter in Gemeinschaftseinrichtungen müssen bis Ende Juli 2021 einen vollständigen Impfschutz nachweisen.
Gegen Eltern, die ihre in Gemeinschaftseinrichtungen betreuten Kinder nicht impfen lassen sowie nicht geimpfte Mitarbeiter in Gesundheits- und Gemeinschaftseinrichtungen kann künftig ein Bußgeld in Höhe von bis zu 2.500 Euro verhängt werden. Zudem sollen künftig Ärzte aller Berufsgruppen impfen können.
„Das Gesetz schließt Impflücken in der gesamten Gesellschaft“, sagte der Arzt Rudolf Henke (CDU) bei der Debatte. Die Impfung sei aber nach wie vor freiwillig. „Es wird keine Zwangsimpfung geben“, so Henke. Es gehe um eine Nachweispflicht. Die gesetzliche Schulpflicht und die gesetzliche Unterbringungspflicht habe Vorrang.
Betriebsärzte eingebunden
Positiv sei, dass künftig jeder Arzt – und damit auch jeder Betriebsarzt – Schutzimpfungen durchführen und mit der Kasse abrechnen könne. Krankenkassen könnten an fällige Impfungen erinnern. „Zudem werden die rechtlichen Voraussetzungen der elektronischen Impfdokumentation in der elektronischen Patientenakte geschaffen“, betonte Henke.
Auch die SPD-Fraktion begrüßte den Gesetzentwurf zur Masernimpfpflicht. „Sich und seine Kinder impfen zu lassen, ist ein Akt der Solidarität“, sagte Bärbel Bas (SPD). Die Impfpflicht sei eine adäquate Maßnahme, um vor allem jene zu schützen, die aufgrund des Alters oder einer Erkrankung nicht geimpft werden könnten. Dazu seien aber hohe Impfquoten erforderlich.
Die AfD stellte dagegen fest, dass bereits viele Kinder eine Masernimpfung ohne Zwang erhielten. „Es besteht kein Handlungsbedarf bei Kindern“, sagte Detlev Spangenberg (AfD). Das Problem stelle eher die Masernimpfquote bei den Erwachsenen dar, die niedriger liege. Um die Immunität der Bevölkerung zu optimieren, müsse man die Organisation der Impfungen und die Kontrolle des Impfstatus verbessern. Da im Gesetzentwurf dafür ausreichende Ansätze fehlten, lehne ihn die AfD ab.
Teilweise kritisch sehen auch die Linke und die Grünen das Gesetz. Die Linke betonte zwar, dass auch ihr daran gelegen sei, die Impfquoten auf jeden Fall zu erhöhen. „Das Gesetz wird der Komplexität des Problems aber nicht gerecht“, sagte Gesine Lötzsch (Linke). Insbesondere dem öffentlichen Gesundheitsdienst komme eine größere Bedeutung zu.
Problem sind auch Erwachsene
Die Grünen kritisierten, dass die erheblichen Impflücken bei jungen Erwachsenen nicht adressiert würden. „Wir brauchen eine umfassende Impfstrategie für alle gefährlichen Infektionskrankheiten“, sagte Kordula Schulz-Asche (Grüne). Ein wesentliches Element sei der einfachere Zugang zu Impfangeboten. Positiv zu bewerten sei in dem Gesetzentwurf die Stärkung der wissenschaftlichen Rolle des Robert-Koch-Instituts und der Ständigen Impfkommission beim RKI (STIKO).
Auch nach Ansicht der Fraktion der FDP müsse man noch mehr tun, um Infektionskrankheiten auszurotten. „Das Gesetz ist aber ein wichtiger Beitrag zum Schutz unserer Kinder und deshalb werden wir zustimmen“, sagte der Andrew Ullmann (FDP). „Kinderkrankheiten sind keine ungefährlichen Infektionskrankheiten“, betonte der Arzt. Zusätzlich befürworte die FDP weiterführende Modellprojekte zur Grippeschutzimpfung durch Apotheker.
Einen niedrigschwelligen Zugang zu Impfungen im Rahmen von Modellvorhaben sieht das Gesetz allerdings bereits vor. Die Grippeschutzimpfung in Apotheken soll dem Änderungsantrag zufolge aber auf Erwachsene beschränkt bleiben.
Grund sei, dass es sich bei Kindern und Jugendlichen mit einer Indikation für die Grippeschutzimpfung nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission meist um chronisch kranke Kinder und Jugendliche handelt, die von Kinder- oder Hausärzten betreut und auch geimpft werden, hieß es.
Darüber hinaus sollten nur volljährige Personen in Apotheken geimpft werden, die selbst in die Impfung einwilligen können. Voraussetzung für die Durchführung von Grippeschutzimpfungen in Apotheken in den Modellvorhaben soll zudem eine vorherige Schulung der Apotheker durch Ärzte sein. Die Schulungen sollen sicherstellen, dass die Apotheker die Durchführung von Grippeschutzimpfungen beherrschen. Auch geeignete Räumlichkeiten in der Apotheke werden vorgeschrieben.
Die deutsche Ärzteschaft steht den Maßnahmen des neuen Masernschutzgesetzes grundsätzlich positiv gegenüber. Ein vollständiger Impfstatus sei „Teil und Voraussetzung einer professionellen Berufsauffassung und Ausdruck des dem Tätigkeitsfeld angemessenen Verantwortungsbewusstseins“, heißt es in einem Beschluss des 122. Deutschen Ärztetages in Münster, der im Mai das geplante Masernschutzgesetz begrüßte.
Die Abgeordneten befürworteten auch, dass Fachärzte bei Impfungen künftig nicht an ihre Gebietsgrenzen gebunden sein sollen. Impfungen durch Apotheker lehnten sie jedoch ab. Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe verfasste dazu extra ein eigenes Positionspapier. © ER/aerzteblatt.de

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