Medizin
Antibiotikaresistenzen weit verbreitet, Wissenslücken bei medizinischem Hilfspersonal
Montag, 18. November 2019
Stockholm – Im Osten und Süden Europas werden deutlich mehr Antibiotika eingesetzt als in anderen Ländern der Europäischen Union und des europäischen Wirtschaftsraums (EU/EAA). Die Folge ist eine erhöhte Zahl von Resistenzen, wobei neben E. coli zunehmend auch K. pneumoniae, Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter betroffen sind.
Das Problembewusstsein ist bei den Ärzten höher als in anderen medizinischen Berufen. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hat anlässlich des Europäischen Antibiotikatags 3 Reports zu Antibiotikaverbrauch, Resistenzentwicklung und Fachwissen veröffentlicht.
Im vergangenen Jahr kamen auf 1.000 Einwohner in Europa 20,1 definierte Tagesdosen (DDD) systemischer Antibiotika. In den Niederlanden waren es nur 9,7 DDD, in Griechenland dagegen 34,0 DDD. Deutsche Ärzte gehörten mit 11,9 DDD zu den sparsamen Verordnern (Platz 4).
In vielen Ländern verschrieben die Ärzte sofort ein Breitbandantibiotikum. Die Folge sind Resistenzen, die sich wegen der oralen Applikation der meisten Antibiotika vor allem bei Darmbakterien bemerkbar machen. Mehr als die Hälfte aller E. coli sind gegen wenigstens ein Antibiotikum resistent.
Bei Klebsiella pneumoniae, die anders als der Name vermuten lässt, ebenfalls ein typischer Bestandteil der Darmflora sind, liegt der Anteil mit wenigstens einer Resistenz bei etwa einem Drittel. K. pneumoniae ist außerdem meist gegen mehrere Antibiotika resistent, während bei E. coli oft nur eine Resistenz vorliegt und Betalaktam-Antibiotika ihre Wirksamkeit meist behalten haben. Bei K. pneumoniae ist dies seltener der Fall. Als problematisch ist diesem Erreger vor allem eine Zunahme der Carbapenem-Resistenzen. Der Anteil liegt in einigen Ländern bei über 10 %, in Griechenland sogar bei über 50 %.
Noch häufiger sind Carbapenem-Resistenzen bei Pseudomonas aeruginosa- und Acinetobacter-Spezies geworden, den beiden anderen Problemkeimen. Bei allen 4 gramnegativen Bakterien sind die Resistenzen im Süden der EU/EAA und zunehmend auch im Osten verbreitet. Hinzu kommt, dass die Carbapenem-Resistenz häufig mit weiteren Antibiotika-Resistenzen verbunden ist. Damit sinken im Fall einer schweren Infektion die Chancen, noch eine wirksame Behandlung zu finden.
Bei Streptococcus pneumoniae scheint die Resistenzsituation stabil zu sein, es gibt jedoch große Abweichungen zwischen den Ländern. Verbreitet sind hier vor allem Resistenzen gegen Makrolid-Antibiotika. Bei Staphylococcus aureus hat sich der Rückgang der Methicillin-Resistenzen (MRSA) im Jahr 2018 fortgesetzt. MRSA bleiben laut ECDC jedoch ein wichtiger Erreger vor allem von Blutstrominfektionen. In einigen Ländern, vor allem in Südeuropa, sind MRSA häufig und dort oft mit Resistenzen gegen andere Antibiotika-Gruppen vergesellschaftet.
Besonders besorgniserregend ist laut ECDC derzeit ein Anstieg von Vancomycin-Resistenzen bei Enterococcus faecium. Der Anteil nahm seit 2015 von 10,5 % auf 17,3 % im Jahr 2018 zu. Im Gegensatz zu vielen anderen Arten gibt es hier keine regionalen Unterschiede. Ein hoher Anteil an Resistenzen wurde sowohl aus Süd- als auch aus Ost- und Nordeuropa gemeldet.
Mangelndes Fachwissen
Eine wesentliche Ursache für die Zunahme der Resistenzen wird in der unkritischen Verordnung der Antibiotika gesehen, was möglicherweise auf mangelndem Fachwissen beim medizinischen Personal beruht. Die ECDC hat deshalb eine Umfrage unter mehr als 18.000 Ärzten, Krankenschwestern/-pflegern, Zahnärzten, Apothekern und anderem medizinischen Fachpersonal durchgeführt.
Es handelt sich um die erste EU/EAA-weite Umfrage dieser Art. Für sie wurde eigens ein Fragebogen entwickelt, der auf dem COM-B-Modell (Capability, Opportunity, Motivation and Behaviour) beruht, das Kenntnisse und die Bereitschaft zu einer Verhaltensänderung untersucht.
Den Kern des Fragebogens bildeten 7 Wissensfragen zu Antibiotika. Ob diese auch gegen Viren wirken würden, ob sie bei Erkältungen und Grippe eingesetzt werden könnten, ob der unnötige Einsatz sie auf Dauer unwirksam mache, ob sie mit Nebenwirkungen wie Diarrhö, Colitis oder Allergien verbunden seien, ob Resistenzen von Person zu Person übertragbar würden und ob auch gesunde Menschen mit resistenten Erregern besiedelt sein könnten, wurden die Teilnehmer gefragt.
Am häufigsten wurden die Fragen von den Ärzten richtig beantwortet (6,56 von 7 richtigen Antworten), es folgen Forscher (6,47) und Apotheker (6,41). Am schlechtesten schnitten medizinische Hilfspersonen beim Zahnarzt (5,61) und beim Arzt (5,43) ab.
Am häufigsten wussten die Befragten, dass Antibiotika bei Erkältungen und Influenza keine Wirkung haben (97 %). Häufigere Wissenslücken gab es bei der Frage, ob eine Behandlung mit Antibiotika das Risiko auf eine Antibiotika-resistente Infektion erhöht (75 % richtige Antworten), sowie darüber, ob gesunde Menschen mit Antibiotika-resistenten Bakterien besiedelt sein können (88 % richtige Antworten).
Weitere Fragen betrafen Hygienemaßnahmen, die die Übertragung resistenter Keime verhindern können: Insgesamt 87 % der Befragten wussten um die Notwendigkeit der Händehygiene vor und nach dem Kontakt mit Patienten oder biologischem Material (auch wenn nur etwa die Hälfte der Befragten die „Fünf Indikationen zur Händedesinfektion“ der Weltgesundheitsorganisation kannte).
Unter den Befragten, die Antibiotika verordnen, war sich die Mehrheit bewusst, dass eine mögliche Antibiotika-Resistenz ein wichtiger Faktor ist, der bei der Behandlung von Patienten berücksichtigt werden muss. Viele gaben aber auch an, dass sie aus Sorge um den Zustand des Patienten oder aus Angst um einer Komplikation häufig Antibiotika in Situationen verordnen, in denen sie dies eigentlich ablehnen. © rme/aerzteblatt.de
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Am häufigsten wussten die Befragten, dass Antibiotika bei Erkältungen und Influenza keine Wirkung haben (97 %). Häufigere Wissenslücken gab es bei der Frage, ob eine Behandlung mit Antibiotika das Risiko auf eine Antibiotika-resistente Infektion erhöht (75 % richtige Antworten), sowie darüber, ob gesunde Menschen mit Antibiotika-resistenten Bakterien besiedelt sein können (88 % richtige Antworten).
Weitere Fragen betrafen Hygienemaßnahmen, die die Übertragung resistenter Keime verhindern können: Insgesamt 87 % der Befragten wussten um die Notwendigkeit der Händehygiene vor und nach dem Kontakt mit Patienten oder biologischem Material (auch wenn nur etwa die Hälfte der Befragten die „Fünf Indikationen zur Händedesinfektion“ der Weltgesundheitsorganisation kannte).

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