Ärzteschaft
Weiterhin Lieferengpässe in der Onkologie
Dienstag, 26. November 2019
Berlin – Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) hat heute in Berlin erneut wirksame Maßnahmen gegen Lieferengpässe bei versorgungskritischen Medikamenten gefordert. Von den etwa 450 Millionen abgegebenen rabattierten Arzneimittelpackungen seien im Jahr 2017 circa 4,7 Millionen nicht lieferfähig gewesen, sagte Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK).
2018 seien es 9,3 Millionen gewesen. „Dieser Trend hält mit 7,2 Millionen Packungen allein im ersten Halbjahr 2019 an“, sagte er weiter. Betroffen seien mengenmäßig vor allem Schmerzmittel, Blutdrucksenker und Antidepressiva. Aber auch unverzichtbare Zytostatika, wie zum Beispiel Cytarabin oder Daunorubicin zur Behandlung der Akuten Myeloischen Leukämie, seien 2019 aufgrund von Kontaminationen nicht lieferbar gewesen, erklärte Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der DGHO.
Im Fall von Cytarabin habe man die Versorgung der Patienten nur durch Importe aus den USA sicherstellen können. Voraussetzung sei gewesen, dass der Bundesgesundheitsminister im Bundesanzeiger vom September 2019 einen echten Versorgungsmangel erklärt hatte.
Aktuell greife man immer noch auf diese Bestände zurück, da der Engpass noch nicht behoben sei. Allerdings liege der aktuelle Preis für Cytarabin in Deutschland vierfach höher als zuvor. Um Versorgungsengpässe langfristig zu verhindern, forderte Wörmann eine umfassende Meldepflicht, eine längere Vorratshaltung und Anreize zur Bereitstellung versorgungskritischer Arzneimittel sowie die Sicherung einer qualitativ hochwertigen Produktion.
Hauptproblem Monopolisierung
Der Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Karl Broich, erklärte, einige wichtige Schritte seien bereits getan. So habe der Jour Fixe beim BfArM eine Liste der circa 100 wichtigsten versorgungskritischen Medikamente erstellt. Diese enthalte Wirkstoffe, die von nur wenigen Herstellern angeboten würden und somit von Lieferengpässen besonders bedroht seien.
Dem Jour Fixe gehören Vertreter aus Behörden, Politik, Medizin, Forschung und Industrie an. Dort wird beraten, ob Lieferengpässe versorgungsrelevant sind und welche Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Zudem spricht der Jour Fixe, gemeinsam mit den medizinischen Fachgesellschaften, Empfehlungen an Ärzte und Apotheker aus, wie mit Versorgungsengpässen umgegangen werden kann.
Nach Ansicht von Broich ist das Hauptproblem die Monopolisierung der Grundstoffproduktion. Er forderte, die Vorhaltekapazitäten der versorgungskritischen Medikamente zu verlängern. Aktuell müssen Krankenhausapotheken die durchschnittlich notwendige Medikation für zwei Wochen vorhalten, niedergelassene Apotheker für eine Woche.
Auch Michael Hallek, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO, machte die Monopolisierung bei der Wirkstoffproduktion als Hauptursache für Lieferengpässe verantwortlich. Um dieser entgegenzutreten, schlug er eine europäische Lösung vor. Vorstellbar sei beispielsweise eine EU-weite Einkaufsgemeinschaft „zu anständigen Preisen“, indem die Preise bei billigen Medikamenten angehoben und bei teuren gesenkt würden.
Der AMK-Vorsitzende Schulz vertrat die Auffassung, dass auch die Preispolitik der Krankenkassen und Krankenhäuser zur Verschärfung der Lieferprobleme beitrage. Die Gewinnmarge der Hersteller werde bei den Generika immer kleiner, meinte er. Dann bestehe irgendwann die Gefahr, dass Produkte ganz vom Markt genommen würden. Doch hätten die Pharmaunternehmen die Verantwortung, notwendige versorgungskritische Medikamente anzubieten, so Schulz.
Erste gesetzliche Schritte
Lieferengpässe seien „für ein hochentwickeltes Gesundheitssystem, wie wir es haben, nicht zu akzeptieren“, sagte Michael Hennrich, Obmann im Gesundheitsausschuss und Mitglied der Unionsfraktion im Bundestag.
Er wies darauf hin, dass die Koalition bereits mit Änderungsanträgen zum Entwurf des Faire-Kassenwahl-Gesetzes, Schritte zur Lösung des Problems getan habe. Darin vorgesehen ist eine Meldepflicht für Engpässe beim BfArM und im Fall von Impfstoffen beim Paul-Ehrlich-Institut. Der Jour Fixe soll als Beirat gesetzlich verankert werden und erhält mehr Kompetenzen.
Auch soll es Apotheken künftig erlaubt sein, bei Lieferengpässen, die mehr als 24 Stunden andauern, Alternativprodukte mit gleichem Wirkstoff und gleicher Dosierung herausgeben zu dürfen. Allerdings darf das Austauschpräparat nicht teurer sein als das ursprünglich verordnete. Aus Sicht der Apotheker greife dies jedoch zu kurz, meinte Schulz und warnte vor großflächigen Retaxationen durch die Krankenkassen.
Hennrich kündigte an, die Bundesregierung werde sich im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands ab 2020 dafür einsetzen, Anreize zu schaffen, um die Wirkstoffproduktion zurück nach Europa zu holen.
Er kritisierte zudem die Exklusivvergabe von Rabattverträgen der Krankenkassen an einzelne Unternehmen und sprach sich für eine Mehrfachvergabe aus. Verträge mit mehreren Pharmaunternehmen würden Engpässe unwahrscheinlicher machen. Dieser Punkt werde aber noch sehr kontrovers diskutiert. © jff/aerzteblatt.de

Liebe Frau Scharafin
Um eine staatliche Produktion für die kritischen Substanzen aufzubauen, bracht man nicht nur die Anlagen, sondern auch Menschen, die diese bedienen, man braucht die Patente für die Substanzen und jemand, der den ganzen Aufwand bezahlt.
Das Ganze ist ein großartiger Erfolg der deutschen "Pharmakritiker" - hierzulande gibt es nur noch ein paar kleine Klitschen, die Uraltwirkstoffe aus China und Indien in Pillen pressen und verpacken...

Warum nicht verstaatlichen?

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