Ärzteschaft
Mehr historische, theoretische und ethische Inhalte im Psychotherapiestudium gefordert
Mittwoch, 27. November 2019
Lübeck – Die Verankerung von mehr Geschichte, Theorie und Ethik in dem Entwurf für eine Approbationsordnung des neuen Psychotherapiestudiums fordern die Akademie für Ethik in der Medizin, der Fachverband Medizingeschichte und das Institut für Wissenschaftsforschung und Medizingeschichte der Universität Lübeck in einer Stellungnahme. Sie wollen eine ausreichende Auseinandersetzung mit Verantwortung in der Psychotherapie in der hochschulischen Lehre verankert wissen.
Die Stellungnahme wird unterstützt von Psychotherapeuten und Wissenschaftlern, darunter 30 Professoren aus Psychologie, Psychotherapie, Medizin, Ethik und Wissenschaftsgeschichte.
Den Referentenentwurf der Approbationsordnung für das neue Hochschulstudium der Psychotherapie, das ab Wintersemester 2020 angeboten werden soll, hatte das Bundesgesundheitsministerium am 17. Oktober vorgelegt. Der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer bezeichnete den Entwurf beim 35. Deutschen Psychotherapeutentag am 15. November als „grundsätzlich positiv“, wenngleich in einzelnen Punkten noch Änderungen notwendig seien.
Im Referentenentwurf der Approbationsordnung, der unter anderem auf dem Grundlagenfach Psychologie aufbaut, fehle bisher eine ausreichende Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Verantwortung sowie mit historischen und theoretischen Fragestellungen, heißt es in der Stellungnahme „Verantwortung in der Psychotherapie“.
Als weitere Grundlagenfächer nennt der Entwurf Medizin und Pharmakologie. Diese Parallelen zum Medizinstudium machten es notwendig, sich auch mit der ethischen Verantwortung und der gesellschaftlichen Bedeutung des Faches auseinanderzusetzen, schreiben die Initiatoren der Stellungnahme.
In der Medizin sei das Querschnittsgebiet „Geschichte, Theorie und Ethik“ (GTE) als obligatorisches Lehr- und Prüfungsfach in der Approbationsordnung verankert. Ein ebensolches Modul sollte auch in der Approbationsordnung für Psychotherapeuten vorgesehen werden. Defizite gebe es hier insbesondere für das Masterstudium.
Historisches Wissen helfe, die eigene Disziplin kritisch zu reflektieren, aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen zu erkennen und sich der Möglichkeiten und Grenzen psychotherapeutischen Handelns bewusst zu werden. „Dazu gehört die historische Entwicklung psychologischer Ansätze ebenso wie die Auseinandersetzung mit der Rolle der Psychotherapie in verschiedenen politischen Systemen, etwa dem Nationalsozialismus oder der DDR“, heißt es in der Stellungnahme.
Eine Auseinandersetzung mit den Theorien der wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren ermögliche Studierenden die Entscheidung, welche Fachkunde sie nach der Approbation wählen. Auch Methodenreflexion sowie wissenschaftstheoretische Fragen gehören zum Gebiet der Theorie. „Insgesamt begünstigt die Theoriebildung Innovation und den Anschluss an internationale Fachdebatten“, schreiben die Fachverbände und das Institut für Wissenschaftsforschung und Medizingeschichte.
Die Ethik der Psychotherapie befasse sich mit ethischen und rechtlichen Aspekten im Umgang mit menschlichem Leiden, Krankheit und Gesundheit. „Aufgrund der pluralen professionellen Einsatzorte von Psychotherapie ergeben sich vielfältige ethische Fragen. Diese betreffen den Krankenhausalltag, ökonomische Aspekte, Digitalisierung, die Beziehung zwischen Patient und Therapeut und einzelfallspezifische Entscheidungssituationen.
Bei der Arbeit mit Menschen in Krisenmomenten können unterschiedliche Fragestellungen auftreten, etwa zu Sexualität, Suizidalität, Sterbehilfe bei schweren somatischen Krankheiten oder dem Abstinenzgebot“, heißt es in der Stellungnahme. Eine Auseinandersetzung damit sei unerlässlich. © PB/aerzteblatt.de

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