Medizin
Vom Krebsmedikament zum Antibiotikum
Dienstag, 17. Dezember 2019
München/Braunschweig – Ausgehend von dem zugelassenen Krebsmedikament Sorafenib, das moderat auch gegen Methicillin-resistente Staphylococcus-aureus-Bakterien (MRSA) wirkt, konnten Forscher mittels chemischer Synthese dessen antimikrobielle Eigenschaften verbessern. Das resultierende Molekül beseitigt MRSA-Infektionen, ohne dass Resistenzen auftreten. Die Ergebnisse sind in Nature Chemistry erschienen (2019; doi: 10.1038/s41557-019-0378-7). Die klinische Entwicklungsphase steht noch bevor.
Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und der Technischen Universität München (TUM) entwickelten aus dem Wirkstoff Sorafenib das Molekül PK150, das 10-mal wirksamer gegen MRSA ist als die Ausgangssubstanz. Denn der neue Wirkstoff wirkt gegen mehrere unkonventionelle Zielstrukturen bei den Bakterien.
2 Angriffsziele wurden genauer untersucht: PK150 hemmt einerseits ein essenzielles Protein des bakteriellen Energiestoffwechsels und wirkt andererseits an der Zellwand. Im Unterschied zu bereits bekannten Antibiotika wie Penicillin und Methicillin, die die Bildung der Zellwand stören, wirkt PK150 indirekt. Es bringt die Proteinsekretion der Bakterien aus dem Gleichgewicht.
Dadurch geben die Bakterien mehr Proteine, die die Zellwandstärke kontrollieren, nach außen ab und die Zellen platzen auf. „Durch die chemischen Veränderungen an dem Molekül bindet PK150 auch nicht mehr an die menschlichen Kinasen, sondern wirkt sehr spezifisch gegen bakterielle Ziele“, sagt Studienleiter Stephan Sieber, Professor für organische Chemie an der TUM.
Medina und Katharina Rox, Pharmakologin aus der Abteilung „Chemische Biologie“ am HZI, zeigten, dass PK150 günstige pharmakologische Eigenschaften aufweist. Es kann beispielsweise als Tablette verabreicht werden und ist im Körper über mehrere Stunden stabil. In einem Infektionsmodell in Mäusen war PK150 in verschiedenen Geweben gegen MRSA wirksam. Während Staphylokokken schnell Resistenzen gegen andere Antibiotika entwickeln, beobachteten die Forscher keine Resistenzbildung gegen PK150.
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„MRSA-Infektionen sind besonders häufig chronisch, da die Bakterien in eine Art Ruhezustand verfallen können. PK150 tötet auch diese persistierenden, also überdauernden Zellen sowie Keime, die sich geschützt in Biofilmen befinden. “, sagt Sieber. PK150 wird derzeit von dem VIP+ geförderten Projekt aBACTER optimiert, um anschließend in die klinische Entwicklungsphase eintreten zu können.
„Die industrielle Entwicklung neuer Antibiotika stockt momentan und kann mit der Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen nicht Schritt halten. Wir brauchen dringend innovative Ansätze, um den Bedarf an neuen Infektionstherapien, die nicht unmittelbar zu erneuter Resistenzbildung führen, zu decken“, sagt Eva Medina, Leiterin der HZI-Forschungsgruppe „Infektionsimmunologie“. © gie/aerzteblatt.de
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