Medizin
E-Zigaretten: Erste Hinweise auf chronische Lungenschäden
Dienstag, 17. Dezember 2019
San Francisco – Anwender von E-Zigaretten erkranken auf Dauer häufiger an chronischen Lungenerkrankungen. Zu diesem Ergebnis kommt erstmals eine Langzeituntersuchung im American Journal of Preventive Medicine (2018; DOI: 10.1016/j.amepre.2019.07.028). Die Annahme konnte sich bisher nur auf Querschnittstudien stützen. In der Studie kam auch heraus, dass nur wenige Tabakraucher vollständig auf E-Zigaretten umsteigen. Beim Konsum beider Nikotinprodukte könnten sich die Risiken jedoch weiter erhöhen.
Die öffentliche Aufmerksamkeit konzentriert sich derzeit allein auf die Häufung von EVALI-Fällen („E-cigarette or Vaping Product Use-Associated Lung Injury“), die durch eine akute Schädigung der Lunge entstehen und deren Ursache weiter unklar ist. Weitaus häufiger könnten die chronischen Folgen des „Dampfens“ für die Gesundheit sein, falls sich die Ergebnisse aus tierexperimentellen Studien beim Menschen bestätigen sollten.
Bei den Tieren wurden Entzündungsreaktionen beobachtet, die die Lungen dauerhaft schädigen könnten. Als Verursacher wird unter anderem Acrolein vermutet. Die mit Formaldehyd verwandte Substanz entsteht beim Erhitzen von Propylenglykol und Glycerin, die in den E-Zigaretten für die Dampfentwicklung benötigt werden.
Inwiefern es beim Menschen zu den gleichen Schäden kommt, wird man erst in einigen Jahren wissen. Da klinische Studien sich aus ethischen Gründen verbieten, wird sich die Evidenz auf epidemiologische Analysen gründen müssen.
Der erste Schritt sind Querschnittstudien, die an einem bestimmten Zeitpunkt die Gesundheit von Anwendern und Nichtanwendern vergleichen. Diese Untersuchungen sind sehr störanfällig, weil sich Ursache und Wirkung schwer trennen lassen. Eine höhere Beweiskraft haben Langzeituntersuchungen, in der einzelne Personen über Jahre wiederholt befragt werden.
Häufigere Atemwegserkrankungen
Zu diesen Instrumenten gehört die PATH-Studie („Population Assessment of Tobacco and Health“), die 2013 von den National Institutes of Health und der Food and Drug Administration (FDA) ins Leben gerufen wurde. Die FDA strebt eine strengere Regulierung von Tabakprodukten an. Die PATH-Studie soll dafür die notwendige wissenschaftliche Grundlage liefern.
In der PATH-Studie werden etwa 49.000 Amerikaner im Alter von über 12 Jahren regelmäßig nach ihren Rauchgewohnheiten und ihren Erkrankungen befragt. Der Fragebogen erkundigt sich auch nach dem Konsum von E-Zigaretten. Bei der ersten Welle 2013/14 hatten 5,5 Prozent der Befragten angegeben, aktuell E-Zigaretten zu benutzen. Weitere 12,2 Prozent hatten dies früher schon einmal getan.
Ein Team um Stanton Glantz von der Universität von Kalifornien in San Francisco hat herausgefunden, dass Anwender von E-Zigaretten, die bei der ersten Welle noch keine Atemwegserkrankungen hatten, diese bei den beiden nächsten Umfragen (Welle 2 und 3) häufiger angaben als Nicht-Anwender von E-Zigaretten.
Glantz ermittelt für den früheren E-Zigarettenkonsum eine adjustierte Odd Ratio (AOR) von 1,31, die mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 1,07 bis 1,60 signifikant war. Für den gegenwärtigen E-Zigarettenkonsum betrug die AOR 1,29 (1,03 bis 1,61).
zum Thema
aerzteblatt.de
- E-Zigaretten-Liquids: Bundesinstitut warnt vor Verschlucken
- Rauchen: Union für gestaffelte Werbeverbote mit Ausnahmen
- E-Zigaretten: Umstieg verbessert kardiovaskuläre Gesundheit
- Kobalt-Lunge durch E-Zigarette
- USA heben Mindestalter für Kauf von Tabak und E-Zigaretten auf 21 Jahre an
- E-Zigaretten: Studie bestätigt Vitamin E als Verursacher von EVALI
Das Risiko war damit geringer als für Raucher von Tabakzigaretten, für die Glantz eine AOR von 2,56 (1,92 bis 3,41) ermittelte. Personen, die sowohl E-Zigaretten als auch Tabakzigaretten benutzten, betrug die AOR 3,04 (2,21 bis 4,17). Dies entspricht in etwa der Multiplikation der beiden AOR: 2,56 x 1,29 = 3,30. Glantz vermutet deshalb, dass die Risiken von E-Zigaretten und Tabakzigaretten sich verstärken.
Dies ist wichtig vor dem Hintergrund der derzeitigen Einstufung der E-Zigaretten, etwa durch Public Health England. Die Gesundheitsbehörde betrachtet E-Zigaretten als die weniger gefährliche Form der Nikotinzufuhr. E-Zigaretten werden als Möglichkeit der „harm reduction“ betrachtet und deshalb Rauchern als Alternative zu den schädlicheren Tabakzigaretten empfohlen.
Dies trifft allerdings nur zu, wenn die Nikotinsüchtigen auf das Rauchen verzichten. Dies scheint allerdings in der Realität nicht der Fall zu sein. In der PATH-Studie haben weniger als 10 Prozent der E-Zigaretten-Anwender auf den früheren Tabakkonsum verzichtet. Für die meisten war „Dampfen“ eine Ergänzung zum „Rauchen“ und nicht deren Ersatz. Glantz befürchtet nun, dass der Doppelkonsum keine „harm reduction“ ist, sondern das Gesundheitsrisiko eher noch erhöht.
Kritik an Studienauswertung
Deutsche Experten überzeugen die Ergebnisse der Studie indes nicht. Ute Mons, die am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg die Stabsstelle Krebsprävention leitet, hält es derzeit nicht für möglich, den Einfluss von E-Zigaretten auf chronische Lungenerkrankungen wie die COPD abzuschätzen, da diese Krankheiten sich erst über einen längeren Zeitraum entwickeln. Die E-Zigaretten-Nutzer, die in der PATH-Studie an einer COPD erkrankten, hätten vermutlich bereits vor Beginn des E-Zigarettenkonsums Lungenprobleme gehabt und es sei möglich, dass diese Probleme sie dazu bewogen von Tabakzigaretten auf E-Zigaretten zu wechseln. Dies könnte zu einer Verzerrung der Ergebnisse geführt haben, meint Mons.
Auch Daniel Kotz, Professor für Suchtforschung und klinische Epidemiologie am Institut für Allgemeinmedizin des Universitätsklinikums Düsseldorf sieht gravierende methodische Mängel in der Studie. Die Ergebnisse der Studie ließen sich auch so erklären, dass langjährige Tabakraucher aufgrund ihrer Lungenprobleme die E-Zigarette nutzen würden, um den Zigarettenkonsum zu reduzieren oder ganz damit aufzuhören, meint der Experte. © rme/aerzteblatt.de
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@random4737
Über die Langzeitrisiken der e-Zigarette wissen wir freilich noch zu wenig. Dass sie schlimmer sind als die wirklich furchtbaren der Tabakzigarette, kann man aber schon jetzt mit großer Sicherheit extrapolieren. Und immerhin bessert sich die Lufu innerhalb kurzer Zeit (Hajek NEJM 2019), was auch nicht zu verachten ist.
Bekanntermassen interpretiert das Gesundheitssystem in UK die Datenlage ganz anderes als das Interessenkonflikt-gelenkte in Deutschland. Auch in den USA sieht man die Datenlage sehr viel differenzierter. Inzwischen gibt es auch eine sehr eindeutige Stellungnahme:
http://www.academie-medecine.fr/lacademie-nationale-de-medecine-rappelle-les-avantages-prouves-et-les-inconvenients-indument-allegues-de-la-cigarette-electronique-vaporette/
https://www.univadis.fr/viewarticle/cigarette-electronique-ne-pas-confondre-contenant-et-contenu-708189?u=g7Nnk16ewgvccXnNGCtoOZEgQ9nzPttoRsp7h1Ps8fz11xA19sJTSH4QL2OREIhy&utm_source=adhoc%20emails&utm_medium=email&utm_campaign=adhoc_actuprofessionnelles_email_uniannouncementinactifs_fre-fr_automat
Fazit übersetzt:
„L’Académie nationale de médecine a pris fermement position contre la campagne de dénigrement de la cigarette électronique.“
(Die Nationale Akademie der Medizin in Frankreich hat sich nachdrücklich gegen die Hetz-Kampagne zur Abwertung der e-Zigarette positioniert)
Einsicht in die Realität wünscht
Dr. Peter Pommer

... E-Zigaretten und COPD ?!?
»I just informed my mother who had chronic bronchitis and is now (6 months after switching from smoking for > 50 years to e-cigarette use) symptom-free, that e-cigarettes cause COPD according to a new study. She loved this joke!!!«
(Ich habe gerade meiner Mutter, die eine chronische Bronchitis hatte und nun (6 Monate nach dem Wechsel vom Rauchen über 50 Jahre zum E-Zigaretten-Konsum) beschwerdefrei ist, mitgeteilt, dass E-Zigaretten laut einer neuen Studie COPD verursachen. Sie liebte diesen Witz !!!)
p.s.:
Die CDC hat nach einer erneuten Publikation im NEJM klargestellt, dass NICHTS ANDERES außer verunreinigten THC-Verdampfern ("E-Joints") ernsthaft in Betracht kommt (https://www.cdc.gov/tobacco/basic_information/e-cigarettes/severe-lung-disease.html). Die Spekulationen bzgl. E-Zigaretten ieS sollten sich damit nunmehr endgültig erledigt haben.
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Der Unterzeichner stellt ausdrücklich klar, dass a) kein Interessenkonflikt besteht, und b) auch für ihn der Schutz menschlichen Lebens unverhandelbar ist.
MfkG Dr. A. Schnitzler, FAfIM, Lüneburg

... E-Zigaretten und chronische Lungenschäden???
Seine Aussage zum „dual use“ (zeitgleichem Gebrauch von Tabak- und E-Zigaretten) entbehrt allerdings jeder Plausibilität, denn man MULTIPLIZIERT beide Risiken.
RICHTIG ist hingegen:
Beim Rauchen wie beim Dampfen geht es um „Nikotin“. Angenommen, ein Raucher konsumiert etwa 20 Zigaretten, also rund 20 mg Nikotin täglich, und dies seit vielen Jahren stabil. Nun will er mit Hilfe von E-Zigaretten weniger rauchen, benötigt aber seinen „Nikotinspiegel“.
Dann ersetzt er bspw. 15 mg Nikotin durch „Dampfen“, die restlichen 5 mg weiterhin durch Zigaretten.
Es ist doch mit nichts auf der Welt plausibel, dass ein Mensch, der das Rauchen AUFGEBEN will, plötzlich seine Nikotinzufuhr VERDOPPELT (=> Multiplikation der Risiken!).
In allererster Näherung (!) wäre also das kalkulatorische COPD-Risiko, auf Basis der PATH-Daten und einer stabilen Nikotindosis bspw. wie folgt abzuschätzen:
a) 5/20 * 160% = +40%
b) 15/20 * 30% = +23%
Macht zusammen +63%, bzw. ein RR von 1,6.
Dies liegt naturgemäß substanziell UNTER demjenigen von Zigaretten (RR 2,6).
Es bleibt somit ein unergründliches Geheimnis der Autoren, wie man jeder Logik zum Hohn ein ERHÖHTES Risiko von „dual use“ kommunizieren kann, geschweige denn auf der Basis erhobener Daten.
Die Aussage zum "dual use" ist offensichtlich FREI ERFUNDEN und in jeder Hinsicht irreführend.
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Der Unterzeichner stellt ausdrücklich klar, dass a) kein Interessenkonflikt besteht, und b) auch für ihn der Schutz menschlichen Lebens unverhandelbar ist.
MfkG Dr. A. Schnitzler, FAfIM, Lüneburg
Referenz
(1) https://www.vapers.guru/2019/12/17/e-zigarette-schaedlich-wie-tabak-offener-brief-an-die-tagesschau/

@Dr. Peter Pommer
Die Risikodifferenz zwischen AOR 1,3 und AOR 2,6 hat jedoch den Faktor 5,3.
Ein um 30% erhöhtes Risiko vs. ein um 160% erhöhtes Risiko.
Und auch da gilt: Insofern man nicht vermutet ein Rauchstop würde das Risiko von Folgeerkrankungen augenblicklich auf 0 senken, muss man zwangsweise annehmen dass ein Großteil dieser 30% eben auf Folgeschäden des Rauchens zurückzuführen sind. Insbesondere da sich die beobachteten Krankheiten erst nach Jahrzehnten manifestieren wäre es reichlich unplausibel etwas anderes anzunehmen.

Interpretation Bias?
Das Risiko war damit geringer als für Raucher von Tabakzigaretten, für die Glantz eine AOR von 2,56 (1,92 bis 3,41) ermittelte."
Fazit: Das Risiko für e-Zigaretten-Raucher ist exakt halb so groß. Das ist doch schon mal was!
Dass sich das Risiko addiert ist nicht mehr als eine schlecht begründete Vermutung. Logischer wäre, dass jede e-Zigarette, die statt einer Tabakzigarette geraucht wird, für dieses Mal das Risiko vermindert.
Dr. Peter Pommer
Internist und Pneumologe
MEZIS-Mitglied
Seit 2008 habe ich keine Gelder oder geldwerten Vorteile von Dritten mehr angenommen, ausser jeweils eine Mahlzeit, wenn ich nach einem von mir stets kostenlos und unabhängig gehaltenen Vortrag Hunger hatte.

... E-Zigaretten und chronische Lungenschäden???
Und nun sollen wir allen Ernstes glauben, dass CHRONISCHE Lungenkrankheiten, die selbst beim Rauchen von Tabakzigaretten erst nach Jahrzehnten entstehen (COPD), binnen 3 Jahren "Dampfen" entstehen sollen?
Oder wäre nicht vielmehr plausibel, dass (starke) Raucher, die unter Atembeschwerden leiden, VERMEHRT auf E-Zigaretten umsteigen (2), und dann natürlich in der Gruppe der "Dampfer" statistisch häufiger vertreten sind?
Obwohl E-Zigretten MESSBAR mindestens 100-fach weniger "Schadstoffe" enthalten? Wer's glaubt.
Lässt etwa nicht aufhorchen, wenn prospektive Langzeitstudien das GENAUE GEGENTEIL erweisen (3), und ehemalige Raucher DURCHGEHEND über eine Verbesserung der Lungenfunktion berichten?
Und Acrolein entsteht nicht (regulär, nennenswert) beim "Dampfen", sondern bei "dry hits", also (versehentlichem) Abbrand von Watte.
Und die "EVALI" hat – noch dazu als als Akutkrankheit – rein gar nichts mit E-Zigaretten zu tun, das ist schlichtweg GELOGEN, sondern ist ein DROGENPROBLEM (verunreinigte elektronische JOINTS). Das zu vermischen, ist vollkommen unzulässig (mit Verlaub: bösartig).
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Der Unterzeichner stellt ausdrücklich klar, dass a) kein Interessenkonflikt besteht, und b) auch für ihn der Schutz menschlichen Lebens unverhandelbar ist.
MfkG Dr. A. Schnitzler, FAfIM, Lüneburg
Referenzen
- Allgemeine Übersicht z.B.
-- https://www.tabakfreiergenuss.org/studien/
-- http://e-dampfen.info/wissenschaft/veroeffentlichungen-von-dr-bernhard-michael-mayer/
(1) http://www.ecigarette-research.org/research/index.php/whats-new/2019/273-heartdis
(2) https://www.clivebates.com/vaping-risk-compared-to-smoking-challenging-false-dangerous-claim-by-stanton-glantz/?fbclid=IwAR0nrV_r1qCAAgSrWE5pW972L-V11oCHN6MUV1GgMT7B9P7pnPGmreUGukE#C7
zit. bei https://www.facebook.com/Belidampft
(3) https://www.nature.com/articles/s41598-017-14043-2

Und sogleich hagelt es Kritik
"COPD, Bronchitis und Lungenemphyseme würden meist erst nach Jahrzehnten klinisch relevant und oft erst spät diagnostiziert, "
Die simple Multiplikation der Einzelrisiken ist unzulässig und unsauber.
Auch Dr. Ute Mons hat sich über Twitter sehr kritisch zu einer hoch simplifizierten Meldung von "das1te" geäußert(4) und verweist wie Britton auf reverse Kausalität: Lungenprobleme führen (meist erst) zum Umstieg auf E-Zigarette.
Prof. Bernd Meyer fasst in einem FB Kommentar derselben Meldung von Zeit im Blick ZiB( AT) die Hauptkritikpunkte zusammen und konstatiert gar "Wie frühere Studien von Stanton Glantz schrammt auch diese nur knapp am scientific misconduct (Wiss. Fehlverhalten) vorbei." (5)
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(1) https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Dual-Use-schadet-der-Lunge-wohl-am-meisten-405121.html
(2) nicht verlinkbar, Bezahlschranke
(3) wird morgen hier sicher kommentiert: https://www.sciencemediacentre.org/working-with-us/for-journalists/roundups-for-journalists/
(4) https://twitter.com/UteMons/status/1206849749934125056?s=19
(5) https://de-de.facebook.com/pg/ZeitimBild/posts/?ref=page_internal

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